Die – inhaltlich unverächtliche – Juli-Bestenliste habe, so →Initiator Gohlis, „die Grenzen ausgelotet“. Nun – nicht ganz. Auf eine noch nicht eindeutig gezogene Grenze macht →jener Kollege hier aufmerksam (bei dem man auch die aktuelle Liste betrachten kann), wenn er zu bedenken gibt, dass die Praxis, keine WIEDERveröffentlichungen zu berücksichtigen, im Falle des Neueinsteigers Rex Miller („Fettsack“) nicht beachtet wurde. Das Werk ist 1987 schon einmal erschienen und jetzt in einer „vollständigen Neuübersetzung“ zum zweiten Mal. Okay.
Das allerdings ist eine eindeutige Benachteiligung von deutschsprachigen Krimis, die ja in der Regel nicht übersetzt werden müssen, dieses Hintertürchen also verschlossen finden. Oder genügt in Zukunft ein Hinweis wie „Endlich vernünftig lektoriert“ oder „Jetzt auch mit korrekten Konjunktiven!“, um einst ignorierte Deutschkrimiprodukte doch noch in die Charts zu hieven? Die Nichtberücksichtigung deutschsprachiger Titel in der aktuellen Bestenliste hat aber nichts mit diesem Handicap zu tun. Sie geht völlig in Ordnung, denn das erste Halbjahr war aus Sicht einheimischer Schaffender eher ein Trauerhalbjahr.
Spannender wird eine zweite Grenze. Berücksichtigt die Bestenliste lediglich „Krimis“ oder schürft sie auf dem weiteren Feld der Kriminal-Literatur? Dort also, wo nicht nur belletristische Fiktion entsteht? Und heißt „Erstveröffentlichung“, dass etwas zum ersten Mal in BUCHFORM vorliegen muss, aber durchaus schon z.B. in Zeitungen abgedruckt gewesen sein kann – oder im Radio zu hören? Oder gelten solche erstmals zwischen zwei Buchdeckel gepressten Arbeiten automatisch als „Wiederveröffentlichung“ und müssen folglich draußen bleiben? Das ist neuerdings keine theoretische Frage mehr, wie aufmerksame LeserInnen dieses Blogs wissen. Mal sehen, wie sie in praxi beantwortet wird.
Nun habe ich mir einige Zeichnungen von Raphael Wünsch zum dreissigjährigen Krieg vorgenommen, und mir scheint, es sei in jenem Krieg zweimal „das sechste Jahr“ gewesen und gleich darauf „das achte Jahr“, aber kein 7th.
Der Glitsch ist in den Jahrgängen 1623 1624 1625
Stimmt. Eine weitere offene Frage: Warum erreichen historische Krimis über den 30jährigen Krieg niemals die Bestenliste, selbst wenn sie von Herrn Wünsch illustriert worden sind?
Quote dpr: „Oder genügt in Zukunft ein Hinweis wie „Endlich vernünftig lektoriert“ oder „Jetzt auch mit korrekten Konjunktiven!“, um einst ignorierte Deutschkrimiprodukte doch noch in die Charts zu hieven?“
Es eignete sich ja keiner so gut wie du, eine Krimizeitschrift rauszugeben. Allein so ein Buchdeckel würde der Knaller werden …
Du BIST die Krimititanic.
*dreht ergebnislos den Schlüssel in der Hinternetredaktion
Krimititanic? Und wer ist dann der emotionale Eisberg, an dem ich zerschelle? Du? Nein! Georg ists…
bye
dpr
Wenn du deine Rezensionen immer als PDF hier reingestellt hättest und ankündigen würdest: ab jetzt nur noch OHNE PDF im BLOG – Georg würde dir drunter schreiben „Gefällt mir nicht, will ich nicht, soll alles so bleiben, wie es war.“ Er ist so k o n s e r v a t i v …
Die aus dem Modesty-Blaise Buch gezogenen Konsequenzen hatte ich nicht mitbekommen, sonst hätte ich gesagt, „Fettsack“ ist alt genug um als quasineu zu gelten.
Ich finde es OK, ältere Bücher auch wieder zu listen, schließlich kann man doch nicht erwarten, dass die jetzige Lesergeneration alle Bücher kennt, die vor 10 oder 20 Jahre veröffentlicht wurden.
Der Intension der Liste entspricht das durchaus.
„Monatlich wählen […] Literaturkritiker […] aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie besonders viele Leser wünschen.“
Neu-! nicht Erstveröffentlichung und Leser wünschen.
„Berücksichtigt die Bestenliste lediglich „Krimis“ oder schürft sie auf dem weiteren Feld der Kriminal-Literatur“
Nach meinen Erfahrungen mit den US-Krimipreisen scheint es mir so, dass Krimi ist, was als Krimi bezeichnet wird. Das mag dazu führen, dass ich mich wundere, Du Dich wunderst oder (weniger wahrscheinlich, da weniger ideologisch verbohrt), dass sogar Anobella sich wundert, am Ergebnis wird’s nichts ändern, wenn Du genug Juroren findest, die bereit sind, ein Buch zu wählen, kommt es auf die Liste.
Beste Grüße
bernd
„… dass SOGAR Anobella sich wundert …“
*liest Buchstaben für Buchstaben
Nein, Bernd, ich wundere mich ja gar nicht. Ich bin gespannt, ob ein Buch in die Bestenliste kommen kann, das KEIN Roman ist, keine Belletristik im Genresinne, aber eben Kriminal-Literatur, nämlich z.B. eine Sammlung von Reportagen. Ich meine das überhaupt nich fordernd a la „Das muss jetzt rein“. Es würde mich nur mal interessieren, ob es THEORETISCH reinkommen könnte, wie weit also der Krimi-Begriff gefasst ist.
bye
dpr
*seit Anobella mich kennt, wundert sie sich über gar nichts mehr
mit der Aufnahme von ‚Neuauflagen‘ stärkt die Bestenliste ihre leserpädagogischen Funktionen (s. ‚Leichenberg‘ zu „Slob“). Das könnte man doch ausbauen, beispielsweise auch einmal „Wälsungenblut“ empfehlen: Erst diniert die Familie, dann gehen die Kinder in die Oper, anschließend begehen sie, angeregt vom Plot der Oper, ihr Verbrechen (hoffentlich stimmt das jetzt). Zwar fehlt der Ermittler, aber der Thrill steckt in der Nonchalance, mit der die Kinder Tabu und Gesetz brechen.
Beste Grüße!