Mit der heutigen neuen Folge seiner beliebten Kurzratekrimireihe führt der selbsternannte Kurzratekrimipapst Dale Patrick Rutherford eine neue, faszinierende Serienfigur ein: den charismatischen Alkoholiker und abwegigen Hühnerfreund Manfred Butsch, dessen gesamte Familie in einem traumatischen Ereignis von einem perversen Massenmörder ausgelöscht worden war – und das, obwohl das gemeinsame Eigenheim noch seiner endgültigen Abbezahlung harrte. Eine Figur aus dem wirklichen Leben, wohltuend heutig und doch liebenswert.
Hauptkommissar Manfred Butsch betrachtete mit wachsender Entfremdung die umsenfte Bulette zwischen den traurigen Hälften eines Pappbrötchens. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich von der deprimierenden Szenerie loszureißen und sich dem Fall zu widmen, der ihn hierher, ins Zelt des Wanderzirkusses „Maroni“ und – leider – auch an die vor demselben aufgestellte Bulettenbude geführt hatte.
„Wo ist die Leiche?“ fragte er seinen Assistenten Meinold, der mit drei weiteren, dem Butsch nicht bekannten Personen in der Manege stand, welche ihrerseits von hohen eisernen Gittern umgeben war.
„Die Leiche?“ Meinold zeigte auf das Innere des Käfigs. „Der Kopf ist in Luci, der Rumpf in Theodor, das linke Bein und der rechte Arm befinden sich im Magen von Ilona, das rechte Bein sowie der linke Arm in dem von Igor.“
Gemeint waren die vier Löwen, welche auf ihren Podesten hockten und mit beängstigender Konzentration auf Butschens Bulettenbrötchen starrten.
Der Kommissar nickte wissend.
„Mit Haupt und Haaren aufgefressen? Wer ist – nein, wer war der Tote?“
Die Frau neben Meinold begann zu schluchzen.
„Der Dompteur –“, stammelte sie, „mein Verlobter – Enrico Masturiani – und der da – mein sauberer Herr Bruder, der Zirkusdirektor! – hat ihn ermordet!“
Der Beschuldigte, ein Mann in Smoking (war das nicht ein Loch im linken Hosenbein?) und den besten Jahren, jaulte auf und machte Anstalten, seiner um einiges jüngeren, bildhübschen, weil dunkelhaarigen und spärlich in bunten Flitter gekleideten Schwester an den Hals zu gehen.
„Herr Maroni! Mäßigen Sie sich!“ schrie Meinold und packte den Direktor am Arm.
Derweil Butsch überlegte, ob er in die Bulette beißen sollte. Was würde es bewirken? Ein neues Trauma? Er riss sich abermals an jenem Riemen, der ihn zurück in die Wirklichkeit katapulierte.
„Ganz ruhig, jetzt. Wie kommen Sie darauf, Frau Maroni – Sie heißen doch Maroni, ja?“
Die Schöne nickte. „Elsa Maroni, ja. Wir sind ein traditionsreiches Familienunternehmen, das seit 300 Jahren – und natürlich war es Mord! Irgend jemand hat das Fallgitter geöffnet und die vier Löwen in den Käfig gelassen! Vier hungrige Löwen! Enrico wollte gerade die Podeste für die Probe aufstellen, als die Bestien von hinten in die Manege gestürmt kamen! Ich hörte seine Schreie! – Ich bin sofort… Aber es war zu spät! Sie haben ihn vollständig aufgefressen!“
Butsch nickte.
„Wo hielten Sie sich auf, als Ihr Verlobter zu schreien begann?“
„In meinem Wohnwagen.“
„Und wieso wissen Sie, dass irgendjemand…“
„Weil der da!“ – Sie wies anklagend auf ihren Bruder – „es um jeden Preis verhindern wollte, dass Enrico und ich heirateten. Der Zirkus gehört uns gemeinsam, meinem Bruder und mir. Enrico und ich wollten Neuerungen…“
„Blödsinn!“ mischte sich nun der Dritte im Bunde ein. „Ich bin Wolfgang Servasso-Gimenez, Herr Kommissar, Hochseilartist und vormals mit Fräulein Maroni verlobt! Enrico wollte nur das Geld! Er war ein Heiratsschwindler!“
„Dann warst DU – DU? Weil du eifersüchtig warst? Oder habt ihr gemeinsam – du und mein Bruder?“
Butsch hob beschwichtigend die Arme. Dieser Servasso-Giminez, ein kleiner, drahtiger Mittdreißiger, gefiel ihm nicht. Aber wahrscheinlich gefiel ihm nur sein T-Shirt nicht, auf dem „Lions Los Angeles“ stand.
„Nur die Ruhe. Herr Maroni – wo befanden SIE sich zum Zeitpunkt des Unglücks?“
Maroni zuckte die Schultern.
„In meinem Wagen. Über der Abrechnung. Herr Servasso-Gimenez war bei mir. Wir hatten etwas zu bereden.“
„Was, wenn ich fragen darf?“ fragte Butsch.
„Es fehlte Geld aus der Kasse. Wir hatten den begründeten Verdacht, dass Enrico – es tut mir leid, Elsa, aber ich kann dich nicht mehr schonen – dass Enrico das Geld unterschlagen hatte, um seine enormen Schulden zu bezahlen. Er war ein Spieler.“
„Du lügst!“ zischte Elsa.
„Ich habe einen Zeugen!“ erwiderte der Bruder heftig.
„Ha! Schöner Zeuge!“
„Selber ha!“ konterte der Hochseilartist. „Eifersüchtig warst doch nur DU, weil dich dein agiler Lover ständig betrogen hat!“
„Dichtung!“
„Wahrheit!“
„Goethe“, murmelte Butsch sinnierend und betrachtete sich noch einmal die Löwen, die ihrerseits ihn, will sagen: seine Bulette betrachteten, so lange, bis Butsch selber seine Bulette betrachtete.
„Da, als kleinen Nachtisch“, murmelte er und schleuderte Bulette samt Brötchen in die Manege. Sofort stürzten sich die Bestien auf den Bissen.
„Ojoiojoi!“ entfuhr es dem Assistenten. „Mit denen ist nicht gut Kirschen essen! Wie geht es nun weiter, Chef?“
Der lächelte.
„Nun. Wir verfrachten die Herrschaften ins Präsidium, nehmen ihre Aussagen zu Protokoll – und schließen den Fall ab.“
„Wie bitte? Soll das heißen –“
Butsch nickte bedächtig.
„Der Fall ist gelöst. Jetzt müssen wir nur noch erfahren, –“ – Er wandte sich an eine der drei Personen. „Aber das können Sie uns sicher sagen, nicht wahr?“
Butsch weiß Bescheid. Und Sie? Lassen Sie uns wissen, welche Lösung Ihnen einfällt! Die erste richtige wird reich belohnt. Sie dürfen Dale Patrick Rutherford zu einem exklusiven Abendessen in einer Lokal seiner Wahl einladen! Und ihn zum wiederholten Gewinn des „Bakerflower-Award“ gratulieren! – Die Auflösung gibt es am Freitag. Exklusiv bei wtd!
Da Spannungsliteratur nicht ein Stück Wirklichkeit darstellen will, wie du soeben excathedriertest, ist es natürlich der junge aber hübsche Hilfsclown, der unsterblich in die Schöne verliebt war, nicht erhört wurde und sich rächen wollte. Ach, der kommt gar nicht vor? Dann hast du ein neues Genre erfunden.
Bitte übersetzen:
* Bulette
* Bulettenbude
Immer diese Germanizismen.
Ach so, Bulette ist ein →Flußpferd.
Bulette ist das, was man auch manchmal Bremsklotz nennt. Wenn sie besonders gut durch ist. (Dein Link funktioniert nicht.)
Es gab mal einen schönen Comic von Herrn Seyfried, „Bulletten und Freakadellen“. Buletten sind also Frikadellen oder Fleischpflanzerl, was ziemlich Österreichisch klingt. – Und nein, Georg, es war nicht der Hilfsclown. Du spielst nämlich gar nicht mit.
bye
dpr
Du irrst, Lieber. Wo eine schöne Dame ist (am Webstuhl oder nicht), spiele ich immer mit.
Du hast damals beim Böll Heini mitgespielt und deine Ansichten breitgetreten (Literaturkenner erinnern sich schaudernd). Du saßest vor dem Bonner Hauptbahnhof und hast Guitarre gespielt. Schauderhaft. Solche Clowns haben in Ratekurzkrimis von Dale Patrick Rutherford nichts zu suchen!
bye
dpr
Ach, das hat der nicht verstanden. Zu katholisch für gute Literatur (Preisausschreiben: Nenne mir einen guten, einen wirklich guten katholischen Autor (Iren ausgenommen, die können nichts dafür).
Ich bin der hier:
Cherchez la femme
Whenever love comes to town
Someone’s a dancin‘ clown.
Und His Bobness hat mich immerhin zu seiner Linken gesehen:
Clowns to the left of me!
Jokers to the right!
Here I am stuck in the middle with you.
Ach so, Fleischlaberln.
Der Bulettenlink geht nicht? Dann halt →der hier.
Luci ist natürlich die Mörderin, das liegt auf der Hand. Das Abbeißen des Kopfes dürfte kaum mit dem Leben vereinbar gewesen sein.
Der Link geht auch nicht. Dann weiß ich auch nicht. Hier sind sie zum Selberkopieren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bulette_(Flusspferd)
http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2006/01/03/a0237
Und jetzt sitze ich wieder einmal im Spamfilter.
*frustriert
Wenn ich mit Verlaub wieder schreiben kann, möchte ich mich revidieren:
Es gab keinen Mord. Löwen verfügen wie alle katzenartigen nicht über die Tischmanieren, eine Leiche spurlos verschwinden zu lassen. Oder hat jemand zu Hause eine Katze, die eine Maus spurlos vertilgt? Eben. Der Magen oder der Schwanz bleiben liegen. Eine Nase, ein Ripperl oder ein paar übelriechende Teile wie Gedärme wären auch hier übrig geblieben. Blut sowieso. Wenn alles weg ist, ist der Mord inszeniert. Herr Masturiani hat sich mit dem geklauten Geld abgesetzt, seine Geliebte die Löwen in den Käfig gelassen, um den Mord zu inszenieren und bald wird sie ihrem Geliebten nach Tonga folgen.
Ja, liebe Frau Krimi, warum ich so einen austrophoben Spamfilter hab, das weiß ich auch nicht. Du hast gleich zweimal festgesteckt. – Dein Lösungsvorschlag ist nicht uninteressant. Aber überzeugt er auch die VertreterInnen des Hardboiled Noir? Außerdem: Ich hatte mal einen (schwarzen) Kater, der hat seine Mäuse spurlos aufgefressen. Und zwei Stunden später wieder ausgekotzt.
bye
dpr
Gut, dann warten wir noch ein paar Stunden. Wenn die Löwen nicht kotzen, hatte ich recht.
kein sehr schlauer kater. der schlaue kater frisst nur das, was er später NICHT wieder auskotzt. der rest liegt abgebissen in der gegend rum. da tritt dann morgens drauf und flatscht hin.
wahrscheinlich war das ein magersüchtiger kater und du hast die ZEICHEN nicht erkannt.
*seufzt
**zehn katzen über die jahre gehabt
***beliebteste katzenhüterin der republik
Das war ein ausgesprochen LIEBER UND FETTER Kater! Er war ein bisschen blöd, ja.
bye
dpr
wollte ich gerade sagen. dass es diese kombination ganz oft gibt: lieb und fett, aber dumm.
Warum habe ich plötzlich das Gefühl, du machst dich über MICH lustig?
bye
dpr
Nenne mir einen guten, einen wirklich guten katholischen Autor
Jetzt bekomm‘ ich wieder ‚was auf die Nase, aber wie wär’s mit Graham Greene ?
Alfred Döblin. Der ist im Krieg katholisch geworden, und das ist eine ganz ergreifende, ganz große Geschichte.
bye
dpr