Friedhelm Werremeier: Taxi nach Leipzig

Ein Krimi mit Folgen: das trifft auf kaum einen anderen mehr zu als auf Friedhelm Werremeiers „Taxi nach Leipzig“, mit dessen Verfilmung 1970 der auch heute noch regelmäßig besichtigte „Tatort“ startete. Wiederzulesen jetzt in der von Frank Göhre herausgegebenen „Kriminellen Sittengeschichte Deutschlands“.

Und natürlich ist er auch das: Sittengeschichte. Spielt er doch in beiden Teilen Deutschlands, vorwiegend aber in Leipzig, wohin es Kommissar Paul Trimmel verschlagen hat, den absolut bärbeißigen, humorlosen Bullen mit dem, kaum anders zu erwarten, guten Herzen. Dabei geht ihn der Fall überhaupt nichts an. An der Interzonenautobahn bei Leipzig ist die Leiche eines kleinen Jungen gefunden worden, der seiner Schuhe wegen aus Westdeutschland stammen könnte. Mord? Nein, der Junge war schwer krank, ist wohl entführt worden, dann „eines natürlichen Todes“ gestorben. Immerhin: Vater des Jungen war einer aus dem Westen, ein Millionär. Warum interessiert sich Trimmel für den Fall? Warum nimmt er das Risiko auf sich, nach Leipzig zu fahren, dort zu ermitteln? Er weiß es selbst nicht.

Vielleicht weil er ein Kriminaler von altem Schrot und Korn ist. Schon zu Zeiten des Reichskriminalamtes dabei. Hat im Urlaub am bulgarischen Schwarzen Meer einen Kollegen aus dem Osten kennengelernt, wahrscheinlich auch einer, der noch zu großdeutschen Zeiten als Stift bei der Polizei angefangen hat. Man versteht sich.

Das ist das Thema: Die deutsche Trennung – und dass man sich irgendwie doch versteht. Ein Krimi aus der guten alten Zeit, als Polizisten noch Autoritätspersonen waren, von Werremeier, über den ein informatives Vorwort des Herausgebers im Anhang informiert, sehr routiniert geschrieben, durchaus auch für Heutige noch lesbar. Und ein weiteres Belegstück der These, dass der Spannungsbegriff eng mit Entstehungszeit von Kriminalliteratur verbunden ist.

Denn das, was heutzutage fast jeder Autor als „spannungstragend“ favorisieren würde, wird bei Werremeier sehr früh offengelegt und so aus dem Spannungsbereich entfernt. Dem Leser – und bald auch Trimmel – ist schnell klar, was da an der Leipziger Autobahn passiert sein muss. Gut, am Ende gibt es noch eine kleine, indes nicht hochdramatisierte Überraschung. Das eigentliche Spannungsmoment aber ist ein anderes: die politischen Verhältnisse eben, das latente Sichverstehen der Menschen hüben und drüben. Historisch also. Und am Ende landet Trimmel dort, wo er als Fernsehfigur nie landen durfte: im Puff.

Ach ja. Noch einmal zum Nachwort. Interessant zu lesen, wie in den 60er, 70er Jahren bei Rowohlt mit Krimimanuskripten umgegangen wurde. Es schaudert einen.

(Der Rezensent ist für den Verlag Edition Köln als Herausgeber tätig.)

Friedhelm Werremeier: Taxi nach Leipzig. 
Edition Köln 2008. 185 Seiten. 11,90 €

Ein Gedanke zu „Friedhelm Werremeier: Taxi nach Leipzig“

  1. RSHA: In der gar nicht so spärlichen Werremeier-Sekundärliteratur wird dieses biographische Detail regelmäßig übersehen. Schön, daß es jetzt auffällt. (Bei „Richter in Weiß“ wird’s indirekt ein- und mit der Psychiatrie enggeführt: man müßte also die ganze Trimmel-Serie nochmals ansehen. Und mit der zg. Literatur kurzschließen.)

    Danke!

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