In Deutschland fliegen einem die gebratenen Krimis ins Maul. Hmmmm! Knusprig! Lecker! Währenddessen man unter den schattigen, duftigen Wunderbäumen selig ruht, an denen die prallen Plots wachsen. Krimischaffender in Deutschland? Ein Traum! Als Angehöriger eines angesehenen Berufsstandes hat man eine seriöse Ausbildung genossen, ist Elite, verdient gutes Geld und die Verlage reißen einem die Waren nur so aus den Händen.
Ja, die Verlage! Aus allen Rohren fließen Milch und Honig! Einzig der Kunst verpflichtete Menschen arbeiten hart und bringen die wertvollen Manuskripte ehrfürchtig zur Druckreife. „Originalität und handwerkliches Können!“, so lautet das Motto, welches die Verleger allmorgendlich beim großen Appell verkünden. „Nieder mit dem Kommerz! Weg mit dem Plastikschund!“ Es gibt nur große, prosperierende Verlage. Weil jeder, der einmal klein angefangen und gute Arbeit abgeliefert hat, sogleich wächst und gedeiht.
Was die deutschen Krimischaffenden nicht schaffen, das importiert man aus dem Fremdsprachigen. Wache und kundige Augen scannen den internationalen Markt. Wieder ein Serienkillerpathologenthriller? Nein! Noch ein verbiestert botschaftender Schwede? Um Himmelswillen! Ein vergessener Altmeister? Sofort neu auflegen! Ein neues, unkonventionelles Talent? In Gold aufwiegen! Was man so ergattert, wird von begnadeten Übersetzern gegen großzügiges Honorar ins Deutsche übertragen.
Die Wissenschaft des Kriminalromans gedeiht. Penibel untersuchen Professoren und Seminare, Institute und Privatgelehrte das Genre. Und was sie alles finden! Wunderbar! –
Und erst die Leserinnen und Leser! Sie sind sich ihrer Herkunft wohl bewusst, ihrer Herkunft aus dem Lande der Dichter und Denker. Krimis, so sagen sie sich, sind spannende Unterhaltung, bei der das Denkmaschinchen da oben drinne auf Touren kommt, Lektüre, die irritiert, unterminiert, neue Vorstellungen und Überzeugungen schafft und uns auf neuen Wegen durchs Dasein führt.
Hilfreich zur Seite steht der Leserschaft die Kritikerschaft. Alles hochgebildete, in Qualitätsmedien bei reichlicher Entlohnung hart im Rezensionsbergwerk schuftende Menschen, denen die Kompetenz als der Schweiß des Geistesarbeiters aus sämtlichen Poren quillt.
Kurzum: Kriminalliteratur in Deutschland, das ist – das genaue Gegenteil von allem, was wir eben geschrieben haben. Aber warum? Was läuft schief? Wer ist der Übeltäter? AutorInnen, Verlage, KritikerInnen, Wissenschaft, Buchhandel – oder am Ende doch die Leserinnen und Leser, weil man den meisten von ihnen alles, wirklich alles verkaufen kann?
Natürlich sind alle Schuld. Die Autoren, weil sie nicht schreiben können (ausnahmsweise verzichte ich auf Namen), die Verleger, weil sie mit Mist besser verdienen (und was anderes wollen sie nicht mehr), die Buchhändler, weil es keine richtigen Buchhändler mehr gibt, die gute Bücher empfehlen können, die Kritiker, weil sie entweder Krimi bäh finden oder, wenn sie ihn gut finden, keine Ahnung haben, und die Leser, weil sie nur Mist wollen.
Und dann hat wieder niemand Schuld. Nicht die Autoren, weil sie auch von etwas leben müssen, nicht die Verleger, weil sie keine vernünftigen Manuskripte bekommen und die Leser doch nur Mist wollen und sich ja niemand sehenden Auges ruinieren will, nicht die Buchhändler, weil die Verleger nichts Gutes veröffentlichen, nicht die Kritiker, weil ja doch niemand auf sie hört und nicht die Leser, weil sie ja nichts Vernünftiges vorgesetzt bekommen. Die Wissenschaft sowieso nicht.
Vielleicht weil die Autoren das schreiben was sich vermarkten lässt und die Verlage zu hohe Gewinnerwartungen haben?
Natürlich gibt es das Krimi-Schlaraffenland nicht. Aber es ist auch nicht das glatte Gegenteil davon. Wenn ich zurückschaue auf die letzten 15 Jahre – ungefähr die Zeit, in der ich mich intensiver mit dem „Lieblingsgenre“ beschäftige – gab es sicher reichlich Rückschläge (Du Mont Noir, Rowohlts Abstieg zum Mainstream-Anbieter, etc. ) aber auch viele positive Entwicklungen (gute Internetseiten zum Thema bis hin zur Krimizeitschrift „WtD“). Und auch bei den deutschsprachigen Krimis hat sich was getan (ich zähle jetzt auch nicht alle Namen auf).
„Schuldige“ zu suchen für eine mutmaßliche Miesere, halte ich für müßig.
Liebe Grüße
Ludger