Die Kritikasterei – Weg zum Glück?

Wie ging es früher in Kreisen deutscher Krimischaffender zu? Überlebende erinnern sich schaudernd. Grausig wars, so der Tenor. Es herrschte Sengen, Morden und Brandschatzen, üble Nachrede war noch das Geringste, schwere Körperverletzung an der Tagesordnung. Doch dann hatten einige wenige Vernunftbegabte unter den Krimischaffenden die geniale Idee: Wir müssen einen Verband gründen!

Gesagt, getan! Seit zig Jahren sorgt „Das Syndikat“ für heitere Krimikultur bei den Schaffenden, man hat sich schrecklich lieb, die Zahl der Heiraten unter den Genrearbeitern stieg um satte 3000 Prozent.
Seit geraumer Zeit erleben wir ähnlich desaströse Szenen innerhalb der Kritikerzunft. Man zieht übereinander her, droht mit Sanktionen, nimmt übel und injiziert mit feiner Spritze Pflanzengift in „Edle Tropfen in Nuss“, welche sodann, hübsch verpackt, an die Konkurrenz expediert werden. Muss das sein? Nein! Von den Krimischaffenden lernen, heißt: Harmonie lernen! Und sei es mit brutaler Gewalt.

Aus diesem Grund haben sich jetzt Rezensenten von Kriminalliteratur zu einem neuen Verband zusammengetan, der KRITIKASTEREI. Zweck dieses eingetragenen Vereins (Gemeinnützigkeit ist aus steuerlichen Gründen beantragt) soll es sein, eine gemütliche Besprechungsatmosphäre zu gewährleisten und die Heiratsquote untereinander um zirka 2500 Prozent zu steigern. Mitglied werden kann jede/r, die / der mindestens zwei Rezensionen zeitgenössischer Werke der Krimikunst in einem relevanten Medium (Internet, Bäckerblume, Apotheken-Rundschau, Frankfurter Rundschau u.ä.) vorzuweisen hat und mit ärztlichem Attest ihre / seine geistige Gesundheit (keine Psychopathen, Bettnässer und Moralapostel bitte!) nachgewiesen hat.

Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 120 Euro, was angesichts der horrenden Honorare als Klacks bezeichnet werden kann. Von diesem Geld verleiht die KRITIKASTEREI alljährlich zwei Preise: den Friedrich-Schiller-Preis für angewandte Krimikritik und den KLEINEN WASTL für Debütanten auf dem Gebiet der Genrerezension. Warum Friedrich Schiller? Nun, zwar sind von Schiller nur sehr entfernt Krimirezensionen bekannt, doch eines ist sicher: Hätte sich der Klassiker den Krimi zur Brust genommen, es hätte gehörig gestaubt im Kritikasten! Die Preise sind mit 200 beziehungsweise 50 Euro in großen Scheinen dotiert.

Verliehen werden sie im Rahmen der „CRITICALE – Tage der ungebremsten Krimikritik“, welche jährlich an wechselnden Veranstaltungsorten stattfinden sollen (2009: Winsen an der Luhe; dank des Engagements des dortigen Fremdenverkehrsvereins ist für kostenlose Unterkunft und Verpflegung gesorgt!). Hier haben Mitglieder und interessierte Kreise der krimikonsumierenden Bevölkerung Gelegenheit, sich in einem regen Gedankenaustausch wohlzufühlen, sich in romantischem Ambiente sowohl intellektuell als auch weltanschaulich als auch körperlich näherzukommen, Theorien auszubrüten und Kinder zu zeugen, bei Kerzenlicht über Abwesende zu lästern und sich von willigen Autoren und Verlagsvertretern adäquat bestechen zu lassen (die Herren Wörtche, Gohlis, Noller und Rudolph werden zum Start Schnuppertarife anbieten! Regionalkrimis 50% Aufpreis!)

Weitere Aktivitäten (Internetpräsenz, Mailingliste, das Anzapfen von EU-Geldquellen) sind in Vorbereitung. Interessenten melden sich bitte bei den für sie zuständigen Rezensionsorganen, die ab sofort an einem sämtlichen Besprechungen beigegebenen Logo erkennbar sind. Es zeigt eine stilisierte Schrotflinte, aus deren beiden Läufen bunte Blumen der Liebe und Wertschätzung wachsen.

Für die Gründungskommission der KRITIKASTEREI:
dpr

17 Gedanken zu „Die Kritikasterei – Weg zum Glück?“

  1. Schade. Da wollte ich schon den Aufnahmeantrag ausfüllen, weil mich das doch sehr reizte: „eine gemütliche Bestechungsatmosphäre“ und vor allem das „körperlich näherzukommen“ – aber da lese ich: „mit ärztlichem Attest ihre / seine geistige Gesundheit (keine Psychopathen, Bettnässer und Moralapostel bitte!)“ nachweisen!

    Schade. Müsst ihr euren KRITIKASTEN ohne mich machen.

    Aber ich wäre ja sowieso keinem Verband beigetreten, der mich als Mitglied akzeptiert hätte.

  2. Ja, schade! Aber Bettnässen ist heilbar, mein Lieber! Einige wichtige Zusatzinformationen noch, weil inzwischen schon mehrere Dutzend InteressentInnen angefragt haben: JA, auch KritikerINNEN sind höchst willkommen! Sowieso! Nicht nur wegen der Heiratsquote! Wenigstens zehn Prozent der Krimikritiker sind heterosexuell, das geht dann also auch klar. Und GANZ WICHTIG: Die Rezensionen müssen einen Mindestumfang von 200 Anschlägen haben, wovon nur 15% aus schierer Inhaltsnacherzählung bestehen dürfen! Ein Satz wie „Ich fand das Buch hammergeil und konnte es nicht mehr aus der Hand legen!“ würde also, da mehr als 30 Zeichen inklusive Leerzeichen, die Bedingung erfüllen! SO, und jetzt meldet euch an! Wir sehen uns dann im Herbst in Winsen an der Luhe!

    bye
    dpr

  3. Und was ist mit ausführlichen Beschreibungen des Umschlags? War das nicht die Krimi-Couch, die das so gerne machte? Gildet das als Rezension? Ich meine, wo doch jetzt Comics auch…

  4. Wir befinden uns gerade in einem Definitionsprozess. Was kann als KRIMIrezension gewertet werden? Erstens: Alles, wo „Krimi“ o.ä. draufsteht. Zweitens: Wenn mindestens ein Mord geschieht und ein Kommissar oder Privatdetektiv auftaucht. Weiter sind wir noch nicht. Krimi ist NICHT, wenn der Täter zu früh verraten oder nicht ermittelt oder nicht bestraft wird. Es sei denn, der Text ist auf dem Cover oder im Blurb auf der Rückseite von der „Brigitte“-Krimifachfrau als „literarischer Krimi“ ausgewiesen. Coverbeschreibung wird zu 50 Prozent als eigene Meinung gewertet.

    bye
    dpr

  5. Sorry, mit „Alles…“ ist natürlich nicht die Rezension selbst, sondern ihr Objekt gemeint. Und ach ja: Die Beschreibung der Papierqualität („ökologisch gewachsene Buche, die nicht mit Fleischabfällen gefüttert wurde etc.“) zählt NICHT als eigene Meinung!

    bye
    dpr
    *mitten im Prozess

  6. Das wäre aber wichtig! Gerade die Krimschaffenden und -kritiker sollten im Sinne einer ökologischen Gesellschaft darauf achten, dass ihre Produkte nicht auf der sinnlosen Verschwendung von Ressourcen beruhen.

  7. Wenn Sie so an der Umwelt interessiert sind, treten Sie doch den Grünen bei, Herr Fischer! Krimilesen ist gelebte Umweltverschmutzung! Also hurtig vom Blog, mein Bester!

    bye
    dpr

  8. Habe ich gerade nachgefragt: Die nehmen mich nicht! Sie waren meine letzte Hoffnung, mich ürgendwo engagieren zu können. Nun kann ich nur noch nach Harvard gehen…

  9. Da selbst Martin Compart und Thomas Wörtche sich bei der Cover-Kritik in die Haare kriegen, ist dieser Ansatz doch quasi päpstlich abgesegnet.
    Lieber Georg, die Krimi-Couch macht es nicht, obwohl ich eigentlich komplett auf Cover-Rezensionen umsteigen wollte, sondern das „Xzine“ (http://www.x-zine.de/krimi/xzine_rezi.id_11318.htm). Worauf ich hiermit nochmal voller stiller Freude verweise.

  10. Brandneu zur Länge der anerkannten Rezensionen: Bei Männern mindestens 200 Anschläge, bei Frauen 400, weil sie länger brauchen, um auf den Punkt zu kommen. 15% Eigenmeinung, die nur zu höchstens 40 Prozent aus einer fremden Rezension stammen sollte. Bei Publikumsbeschimpfungen werden 100 Anschläge, bei Mitkritikerbeschimpfungen 500 strafhalber abgezogen. – Wir sind noch nicht fertig mit der Ausarbeitung (Wörtche besteht auf Pflichtbenutzung von „sapienti sat“ in der Rezi, Gohlis möchte das Wort „Grünkohl“ ächten, Klingenmaier setzt sich für strenge formale Regeln ein – keine Coverkritik, keine Papierqualitätskritik, dafür unbedingt „Schundliteraturtauglichkeit“ als zu behandelndes Kriterium)und werden dann sämtliche Regeln in einer Tabelle sowie einer Powerpoint-Präsentation zusammenfassen. Wochenendseminare (kostenpflichtig) sind ebenfalls geplant.

    bye
    dpr

  11. Schon mal notiert: 500 Minuspunkte für Jochen!

    Da gibt es noch weitere „Bonmots“:
    „Aufgrund seiner geringen Seitenzahl ein Buch für wirklich jeden Krimifreund.“
    „Man sollte das Buch allerdings nicht als Krimi lesen, denn Ermittlungen und ähnliches spielen doch eher eine untergeordnete Rolle.“
    „Daneben beschreibt die Autorin glaubwürdig ihren Gemütszustand, ebenso wie ihre Selbstzweifel, ob ihrer geistigen Gesundheit.“

    Keine Minuspunkte für mich, gehöre derselben Redaktion an. Ist sozusagen ein Familienstreit!

  12. Ich hoffe, Jochen und du werden in Winsen an der Luhe dabeisein. Wir können uns dann zu einem Mediationsgespräch zusammensetzen, um mögliche Entfremdungen therapeutisch zu entschärfen. Zugegeben, Jochen ist manchmal merkwürdig, aber er ist kein schlechter Mensch! Etwas faul und frech, nachtragend und kleptomanisch (die entwendeten Redaktionsmöbel hat er immer noch nicht zurückgegeben), aber mit einem guten Kern. Verurteile ihn also nicht! Wir kriegen das schon wieder hin. Auch die Probleme mit deiner Familie, lieber Claus.

    bye
    dpr

  13. Das mit den 400 Anschlägen, weil sie länger brauchen, um auf den Punkt zu kommen, nimmst Du zurück. Sonst ist mit Deinen Turteleien Sense. Turtelblog.

  14. Ich kann es nicht verantworten, dass ein Keil zwischen uns getrieben wird, liebe Henny, und nehme alles großmütig zurück! Die Vorstandschaft unseres Verbandes wird auch zur Hälfte aus FRAUEN bestehen! Laut Noller sollen diese aber „blond und langbeinig“ sein, da ist wohl noch einige Überzeugungsarbeit bei diesem hyperaktiven Kritiker zu leisten!

    bye
    dpr

  15. dpr, du hast vergessen, dass ich menschenverachtend bin. Diese Grundvoraussetzung für einen Krimikritiker beschert mir doch sicherlich Bonuspunkte.

    claus Abzugskriterium sehe ich nicht. Ich habe nur auf einen Fakt hingewiesen…

    Möbel? Selbst wenn ich den ein oder anderen Stuhl gewollt hätte, das ganze Mobiliar ist doch fest mit dem Boden verschweißt, du Menschenfreund, du.

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