Machen wir uns nichts vor. Spätestens im Frühherbst werden die Leserinnen und Leser mit wehenden Fahnen zur Science Fiction überlaufen, weil sie vom Krimigedöns die Nase voll haben. Gut für die SF-Schaffenden, heute zu Tausenden in der Gastronomie als Spülhilfen („Fliegende Untertassen…“) beschäftigt. Was aber wird mit dem Krimischreibern? Wer kümmert sich um sie? – Blicken wir zurück in die Geschichte…
„Der junge, vom Polizeipräsidium neuerdings gern beschäftigte Detektiv gehörte zu den vielen durch Krieg und Revolution entwurzelten, vermögenslosen Schriftstellern, die verhungern mußten im neuen Deutschland, wenn sie nicht einen anderen Beruf ergriffen. Tax war aber gewissermaßen in seinem Fache geblieben. Er hatte früher Kriminalromane geschrieben, und suchte nun Rätsel, wie sie dem Leser von ihm waren aufgegeben worden, im Leben zu lösen. Seine Phantasie, seine Kombinationsgabe hatten ihn schon zu schönen Erfolgen geführt, seine liebenswürdige, frische Persönlichkeit ihm die Nachforschungen häufig erleichtert.“ (Robert Kohlrausch, Der Hund mit blauen Pfoten, 1930)
Wir sehen es vor uns… Pieke Biermann als Leiterin der Hundestaffel der Berliner Schutzpolizei, Anne Chaplet und Jan Seghers gemeinsam auf Streife im Frankfurter Westend, Horst Eckert Leibwächter des Düsseldorfer Oberbürgermeisters und Norbert Horst stellvertretender Pressesprecher der Bielefelder Polizei…
Die Karriereoption (vom Dichter zum Polizeidetektiv) findet sich schon in Soykas Hilge-Roman (1913/14), wo sie freilich wegen Talentlosigkeit eingeschlagen wird.
Beste Grüße!
Wegen Talentlosigkeit? Uh, wenn das Schule macht, können wir bald die Straßen mit Privatdetektiven pflastern… Wobei dieser Herr Tax aber wohl kein richtiger Privatdetektiv ist, sondern – es wird leider nicht erläutert – so etwas wie ein freier Mitarbeiter bei der Polizei (mit Büro und allen Legitimationen).
bye
dpr
Der Hinweis, lieber dpr, auf Kohlrausch (der ja ein wiederholter ist, wie ich zu meiner Schande jetzt erst bemerke) ist mir jetzt doch in die Nase gestiegen: Sieht man sich die Titel und Orte seiner zahlreichen Publikationen an (Googles Buchsuche gibt ja auch Zeitschriften aus), dann kann man (hypothetisch erst einmal) in dem ersten Satz eine Invektive gegen die sog. Asphaltliteratur vermuten, gegen die Moderne und gegen die 1922 (EA des Romans) sich durchsetzende ‚Neue Sachlichkeit‘. Dann hätte der Wechsel des Dichters zur Polizei seine eigene Logik — wie der Text sagt: Tax bleibt im Fach. Man wird ihn sich merken und mit einiger Vorsicht genießen müssen.
Dank und beste Grüße!
Ich verweise werbewirksam auf den Band „Saffi“ von R.K. in der Criminalbibliothek, wo er sich erschöpfend über die „moderne Kunst“ echauffieren wird.
bye
dpr
Ist unter den Bushies im post-9-11-Rausch längst realisiert worden. Ich wüsste gern mal, wie viele Hollywood-Drehbuch- und Prosaautoren aus dem ganzen Ländle auf der pay-roll standen, damit die War-On-Terror-Hysteriker aus Politik, Heimatschutz, FBI, div.Geheimdiensten und sonstigen Sicherheitskräften richtig „realitäts“pralle Szenarios von der Sorte Anschläge kriegen, mit denen man noch zu rechnen habe. (Und wieviel sie kassiert haben.) Gibt ja Leute, die Bin Laden himself für eine der genialsten Hollywood-Kreationen halten. Wag The Dog, Forget The Tail!
Ich warte leider noch immer auf einen lukrativen Beratervertrag bei der Berliner Polizei.
Aber das Jahr hat ja erst angefangen…
P.
Gelobt sei die Bushadministration! Arbeit und Brot für Krimischaffende, das gute Gefühl zu erleben, wie die eigene Arbeit handfeste Auswirkungen hat und die Welt verändert, während man doch sonst nur in die Vergänglichkeit hinein schreibt. Auch für Deutschland empfehlenswert! Gegen entsprechendes Honorar arbeite ich gerne einige Verschwörungstheorien aus, die die Finanzkrise als fiese Inszenierung von Herrn Lafontaine entlarven…
bye
dpr