Kerstin Rech schreibt ihre Kriminalromane, müsste man es nüchtern formulieren, unter Einbeziehung der Mythologie des ländlichen saarländischen Raums. Das kann sie. Für ihr neuestes Werk, „Hotel Excelsior“, hat sie sich einem historisch handfesteren Sujet zugewandt, der Saarabstimmung von 1935.
Am Vorabend dieses wahrhaft schicksalhaften Ereignisses, im November 1934, betreten wir das legendäre Saarbrücker Hotel Excelsior und sind mittendrin in den menschlichen wie zeitgeschichtlichen Turbulenzen. Internationale Beobachter, französische Besatzer und für die kommende Hitlerei prächtig präparierte Provinzfürsten samt kriechendem Anhang sitzen feiernd im Festsaal, von servilen Kellnern umschwirrt. Heiner Lawall, der Oberkellner, wird sich gleich in den Hinterhof des Hotels gegeben, um eine zu rauchen. Seine letzte. Denn jemand tritt aus dem Dunkel und erschlägt ihn mit einer Eisenstange. Die Geschichten nehmen ihren Lauf. Die Saar wird, mit überwältigender Mehrheit, deutsch, der Mordfall unterdrückt, es könnte nämlich eine nazifaschistische Eisenstange gewesen sein.
Kerstin Rech schreibt diese Exposition markant und plausibel, wenn auch historisch einseitig, was ihr aber nicht anzulasten ist. In Wirklichkeit war die erste Saarabstimmung mit ihrer Propaganda sehr viel komplexer, wer Hitler wählte, glaubte „die deutsche Mutter“ zu wählen, das Elend der zerstrittenen Opposition tat das ihrige, der soziale Druck war enorm. Darüber sind dicke Bücher geschrieben worden, ein dünner Krimi kann davon immer nur die für ihn unabdingbaren Segmente berichten.
Zeitsprung, Jetztzeit. Die alte Mordgeschichte wird plötzlich wieder aktuell, als der Sohn des Ermordeten ein detektivisches Geschwisterpaar beauftragt, den Fall zu untersuchen. Ein ehemaliges Dienstmädchen des „Excelsior“ glaubt zu wissen, wer der Mörder ist. Leider stirbt die alte Dame, ohne ihr Wissen preisgeben zu können. Ihr Neffe lebt jetzt in der Wohnung, er ist, so ein Zufall, Kriminalbeamter, den persönliches Schicksal (die Tochter wurde ihm ermordet) aus Stuttgart nach Saarbrücken geführt hat.
Tochter ermordet? Oh, oh. Aber keine Bange. Kerstin Rech wird diesen Umstand nutzen, dem Fall eine überraschende Wendung zu geben, denn aus dem Fall werden plötzlich zwei. Dass uns die Autorin am Ende noch eine lange Nase dreht, ist auch recht artig.
Soweit das Positive. Einmal, als ein schöner Innenhof „zum Verweilen einlud“, hat der Leser aufgestöhnt. Diese Formulierungen liest er jede Woche in seinem regionalen Anzeigenblättchen, dort mögen sie hingehören, jedoch nicht in einen Krimi. Ist aber eine Petitesse. Gewichtiger etwas anderes, etwas beinahe Kerstin-Rech-Spezifisches: Sie spart an den Wörtern. Gerade dort nämlich, wo die Geschichte kippt, tut sie das ein wenig zu überraschend, um wirklich zu überraschen. Das und anderes (etwa das recht holzschnittartige Ermittlergeschwisterpaar) hätte mehr Hinführung gebraucht, dreißig bis vierzig Seiten, die der Verlag seiner Autorin gewiss nicht verweigert hätte.
Das ist aber, wie gesagt, ein besonderes Kerstin-Rech-Problem, wir kennen es aus den Vorgängerromanen. Kriegt sie das in den Griff, werden es ihr die Bücher danken. Ein etwas längerer Erzählatem also. Potential ist genügend vorhanden.
Kerstin Rech: Hotel Excelsior.
Conte Verlag 2008. 231 Seiten. 11,90 €