Schon als Reinhard Heydrichs blaue „Wolfsaugen“ „kalt und starr“ blickten, ahnte man es. Und spätestens wenn Stalin „mit boshaftem Lächeln“ antwortet, weiß man es: Nach halbwegs klischeefreier Sprache braucht man in Uwe Klausners „Walhalla-Code“ gar nicht erst zu suchen.
Und auch sonst nach nichts. Der Protagonist dieses Romans, der im Jahr 1942 spielt, ein Berliner Kriminalkommissar, ist selbstverständlich Anti-Nazi. Logisch. Man will es den harmoniesüchtigen und nach Identifikation schreienden Lesern nicht zumuten, einer unsympathischen Person die Daumen drücken zu müssen. Die aber mit dem üblichen Bataillon Privatdämonen aufwartet. Lieber verzichtet man von vornherein auf mögliche Tiefe und präsentiert den standardmäßigen Pappkameraden. Da hat man das Buch schon fast aus der Hand gelegt.
Und dann, nach etwa 100 Seiten, tut mans endgültig. Wenn nämlich die Gestapo im Wagen des Kommissars eine Bombe zündet. War halt ne Terrororganisation, außerdem knallts so schön spektakulär. Sonst? Eine junge Jüdin rennt von einem Stunt zum nächsten, Geheimagenten werden auch noch auftauchen und zu „den Dingen, die Winston Churchill schätzte, zählten Zigarren, Scotch und französische Küche. Und selbstverständlich Champagner.“
Prost.
Ich kenne das Buch nicht, nur:
„Man will es den harmoniesüchtigen und nach Identifikation schreienden Lesern nicht zumuten, einer unsympathischen Person die Daumen drücken zu müssen.“
Das mit den Lesern ist wahrscheinlich ironisch gemeint (also im Sinne der Leser), aber erfüllen unsympathische Figuren im Roman nicht dieselbe Funktion wie sympathische? Schwierig&unpopulär ist es wahrscheinlich nur, Durchschnittsmenschen darzustellen. Süchtig, aber nicht zu sehr, gemein, aber auch wieder nicht.
Der „unsympathische Held“ dürfte eines der größten Hindernisse sein, einen Krimi überhaupt an den Mann / Verlag zu bringen. Ich weiß, wovon ich rede. Aber in diesem Roman ist die Entscheidung, den Protagonisten flugs zum Anti-Nazi und somit zum Sympathen auszurufen, fatal. Er verliert auf der Stelle jegliche potentielle Tiefe.
bye
dpr
Das war die Kunst von Highsmith … dürfte schwer fallen, eine genuin sympathische Figur bei ihr zu finden.
Lesen Sie dazu morgen, exklusiv bei wtd und inspiriert von der göttinnengleichen Anobella: „Fünf Todsünden beim Verfassen von Kriminalromanen“. Wtd – nie war es so wertvoll.
bye
dpr
„“Der „unsympathische Held“ dürfte eines der größten Hindernisse sein, einen Krimi überhaupt an den Mann / Verlag zu bringen.““ Ist aber sehr kurzsichtig von den Verlagen, denn es gibt keine bessere Identifikationsfigur als den Unsympathen. Wobei der Begriff schwierig ist. Gloster ist vielleicht einer, bei Raskolnikow bin ich mir schon nicht mehr sicher. Zuviel Mensch dran. Und da in den Büchern Verbrechen unterschwellig aus Schwäche resultiert (untaoistischen Gefühlen), liebe ich den Menschen im Mörder und erhebe mich über ihn als T(D)aoist, der seinen Schwächen widersteht (während der sympathische Held mich erniedrigt). Noch besser ist es bei den Helden von Patricia Highsmith oder gar Ketil Björnstadt. Die haben alle meine schlechten Eigenschaften, nur noch einen Tick schlechter. Der Krimi als Institution, sich trotz der eigenen Jämmerlichkeit wie ein Romanheld zu fühlen und sogar noch besser zu sein als er. Wobei bei Björnstadt das dicke Ende zum Schluss kommt, da wird man wirklich eklig. Er hat es getan und durchschnittlich fiese Helden geschaffen, sich auch ansonsten um wenig geschert (die Romane sind nicht genial, nur genial durchschnittlich) und ich wette, zumindest in „Tanz des Lebens“ sind alle der „5 Todsünden“ enthalten.