Abbruchsieger

Pardon, lieber Unionsverlag, aber du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich Petra Ivanovs Roman „Fremde Hände“ bis zur bitteren Neige verkoste? „Die 443 Seiten sind im Nu verschlungen“, so jedenfalls behauptet es die Neue Zürcher Zeitung auf der Cover-Rückseite. Und wer bin ich, einem solch ehrwürdigen Blatt zu widersprechen? Die letzten 300 Seiten jedenfalls hab ich in geschätzten zehn Minuten – nun ja, nicht verschlungen, aber sehr genervt durchgeblättert. Nachdem ich die ersten ca. 140 mit wachsender Befremdung zur Kenntnis genommen habe. Das ist Unionsverlag? Das ist metro?

Ich habe keine Lust, mir die Zeit von irgendwelchen „Ermittlerpärchen“ stehlen zu lassen, ihren kleinen Wehwehchen, ihrem Streit mit den Vorgesetzten, ihrem Beziehungsknatsch, ihren völlig langweiligen und überflüssigen Kolleginnen und Kollegen, die witzelnd durch die Botanik hampeln, ihren gesellschaftlich relevanten, furchtbar kritischen Themen (hier: Zwangsprostitution). Ich mag auch nicht wiederholt lesen, das Ganze sei „auffallend gut und aufwändig recherchiert“, wie du den Tages-Anzeiger loben lässt. Erstens einmal: Woher wollen die das wissen? Experten auf jedem Gebiet oder was? Zweitens: Vernünftig zu recherchieren ist eine Sekundärtugend für Krimiautorinnen und –autoren. Ganz hilfreich, hilft aber überhaupt nichts, wenn man seinen Stoff nicht im Griff hat. Beispiel gefällig?

„Der Blick auf die Uhr holte sie in die Gegenwart zurück. Sie hatte eine halbe Stunde Zeit, um ein Sandwich zu holen. Am Imbissstand, wo sie normalerweise ein Sandwich kaufte, erkannte sie Ochs, der eine Fanta schlürfte. Sie eilte mit gesenktem Kopf am Stand vorbei und bog in die Langstraße ein. Sie steuerte auf einen Kebab-Stand zu und stellte sich hinter zwei wartende Geschäftsmänner. Der junge Türke füllte mit geschickten Fingern ein Pitabrot und reichte es dem ersten. Hinter Regina hatte sich ein Raucher angestellt, der rücksichtslos den Zigarettenrauch in ihren Nacken blies.“

Und so weiter. Hochinteressante Nachrichten über die Protagonistin, fürwahr. Früher gab es bei den Franzosen mal eine Schreibtechnik, die nannte man Ecriture Automatique, und André Breton umschrieb ihre Natur als „Denkdiktat ohne jede Kontrolle der Vernunft“. Genau. Aber das war irgendwie anders gemeint als bei Frau Ivanov und all denen, die ihr vorausgingen und – leider – noch nacheifern werden. Das ist eher ein Schreibdiktat ohne jede Kontrolle und Vernunft. Ecriture Automatique heißt nicht, dass ich mich morgens hinsetze und mein Schreibpensum dadurch erledige, dass ich mal alle Banalitäten des täglichen Lebens ungefiltert in den Rechner tippe. Das jedoch nur so am Rande.

Nee, das wars also nicht. Selbst wenn es außerhalb der metro-Reihe gelaufen wäre. Innerhalb ist es noch schwerer zu ertragen. Du solltest aufpassen, Unionsverlag. Der Ruf einer Reihe ist leichter ruiniert, als man denkt.

3 Gedanken zu „Abbruchsieger“

  1. Das ist das automatische Geisterschreiben, Channeling! Wer weiß, welche spirituellen Weisheiten dahinterstecken.

    Und leider wirklich ein alter Hut. Siehe die ganzen Schwedenkrimis mit ihren Stullenfressbeschreibungen. Und alle anderen auch. (Außer bei Astrid P., die ja einen ganz hervorragenden Geschmack hat. Und Anobella mit ihrem Witz, aber da warte ich ja noch aufs fertige Buch.)

  2. Stimmt. Werden bei Astrid nicht pausenlos Brathühnchen verzehrt? Hat sie nicht deshalb den Großen Krimipreis der deutschen Geflügelindustrie gewonnen? Wenn auch nur mit zwei Putenschenkeln Vorsprung vor – hab den Namen vergessen. Schreib mal was Gescheites drüber, wo du doch jetzt quasi Astrids Liebling bist…

    bye
    dpr

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