Messemord

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Eine wunderbare Nachricht für alle Freundinnen und Freunde der famosen Kurzratekrimis des Kurzratekrimipapstes Dale Patrick Rutherford: Der Konto-Verlag bringt anlässlich der diesjährigen Frankfurter Buchmesse das sofort und bedingungslos zu erwerbende Werk „Dale Patrick Rutherford: Die besten 99 Kurzratekrimis des Kurzratekrimipapstes aus sechs Jahrzehnten“ in einem liebevoll gestalteten, broschierten Werk auf den Markt! Exklusiv für alle wtd-Leser und mit freundlicher Genehmigung des Konto-Verlags hier eine eindrucksvolle Leseprobe…

Fragte man Kommissar Dünnbier nach seinem Leseverhalten, pflegte er zu antworten: „Mein Leseverhalten? Nun, ich erinnere mich an den Herbst 1976, als ich – ein junger Student der Kriminalistik – in den Semesterferien im Weinberg des Peter Dagelmoser die Trauben für seinen lieblichen Tropfen „Dippelheimer Mönchssperma“ las, ein Qualitätsprodukt mit nussigem Abgang und leicht morbidem Nachgeschmack. Aber sonst?“
Und jetzt stand Dünnbier am Eingang zur Halle 4.1. der Frankfurter Buchmesse, ständig drückten ihn kenntnisreiche Buchhändlerinnen, nervöse Bestsellerautoren und seit längerem der Körperpflege entwöhnte Kritiker zur Seite oder nach vorne oder nach hinten, warfen ihm Schimpfworte zu – „Penner! Hauptschüler! Hörbuchnutzer! Suhrkampautor!“ – es war, kurz gesagt, ein Graus, doch die Pflicht kannte kein Pardon. Sie rief ihn zum Stand des Konto-Verlages, Halle 4.1., Gasse G, Platz G138, denn dort war ein Mord geschehen. Glaubte man jedenfalls.

Als Dünnbier endlich das Ziel seines unfreiwilligen Ausflugs in die Welt der Bücher und ihrer Bewunderer erreicht hatte, war die Spurensicherung bereits wieder abgezogen, zwei Männer betteten den Toten vorsichtig in einen Blechsarg und Kriminalassistent Markus S. Gundersbloom (das S. stand für „selten dämlich“) winkte schon aufgeregt.
„Chef! Hierher!“
„Was ist denn los, Gundersbloom? Nerven Sie mich nicht, erzählen Sie der Reihe nach im Telegrammstil.“
Gundersbloom nickte und begann zu erzählen. Heute morgen, gegen 10 Uhr, habe sich der notorische Krimiautor Wolfgang Waltershorst dem Stand des Konto-Verlages genähert, ein Manuskript geschwenkt und die am Konto-Stand anwesende Praktikantin Lucia Brosius mit einem kernigen „Kauf dir maln paar neue Titten, Mädel“ rabiat zur Seite geschubst. Am Stand des Konto-Verlages sei man auf diesen Auftritt vorbereitet gewesen, wiederholte er sich doch Jahr für Jahr. Waltershorst erschien, pries sein neuestes Manuskript an, ein Machwerk mit dem Titel „Reiche Schnösel“, wurde abgewiesen und entfernte sich erst nach diversen Drohungen und angedeuteten Körperverletzungen. So auch heute morgen. Nach dem Ausschalten der Praktikantin habe sich ihm der Verleger Adelbert Schönlich höchstselbst in den Weg gestellt, flankiert von Lektor Jürgen Jürgens – Scheißname übrigens – und dem zufällig anwesenden Großkrimikritiker Benno Bursch. Das habe den Waltershorst indes nicht davon abgehalten, sofort mit einer kräftigen Suada wider den Konto-Verlag im Besonderen und das Krimiverlagswesen im Allgemeinen zu beginnen, wozu er, wie erwartet, sein Manuskript gefährlich durch die Luft sausen ließ, es „ein Wunderwerk“ nannte und kundtat, es handele sich dabei um einen „authentischen Krimi aus der Verlags- und Kritikerbranche, der DIE GANZE WAHRHEIT über korrupte Kritikaster, sexuell desorientierte Verleger, willige Praktikantinnen und manisch minderbemittelte Lektoren“ erzähle, „MIT VOLLER NAMENSNENNUNG UND UNTADELIGEN TATSACHENBEWEISEN!“

Dünnbier wurde ungeduldig. „Und? Weiter? Kam es zu Handgreiflichkeiten? Und wer ist überhaupt der Typ da im Zinksarg, das Opfer?“
„Natürlich bereits charakterisierter Waltershorst, Chef“, sagte Gundersbloom. „Es war nämlich folgendermaßen: Nachdem Kritiker Bursch den lärmenden Autor, welcher ihn einen ‚bestechlichen Päderasten‘ genannt hatte, im Schwitzkasten festhielt, trat ihn dieser – also der Autor, der Waltershorst, dermaßen vors Schienbein, dass die Sache mit dem Schwitzkasten abgebrochen werden musste, weil er – jetzt der Kritiker, der Bursch – sofort auf dem einen, dem noch heilen Bein zu hüpfen begann, sich am Verleger festzuhalten gedachte, dieser aber nicht darauf vorbereitet war, einen Schritt zurück machte, leider auf dem Fuß des Lektors zu stehen kam, der schließlich wiederum sich nicht anders zu helfen wusste, als der Praktikantin, der Brosius Lucia, bezwecks Erhaltung des Gleichgewichts an die Brust, die linke zu fassen, was diese mit einer Ohrfeige für den Lektor quittierte, der seinerseits…“

„Halt, halt!“ stöhnte Dünnbier auf, „was hat das mit dem Mord zu tun?“
„Gar nichts“, gestand Gundersbloom kleinlaut. „Aber man muss doch das atmosphärische Szenario kennen, nicht wahr?“
„Ja“, bestätigte Dünnbier und fluchte innerlich. „Kennen wir jetzt. Und weiter?“
„Nun, nach dem ganzen Affentheater trat plötzlich Beruhigung ein. Denn der Auslöser, der Autor, der Waltershorst also, griff sich seelenruhig ein Trinkgefäß, öffnete eine Flasche Zitronensprudel und schenkte sich ein. Trank davon. Und grinste wie ein Meerschweinchen auf Aspirin. Das war verblüffend. Die Beruhigung dauerte indes nur Sekundenbruchteile. Dann stürmte alles – also der Verleger, der Kritiker, der Lektor und die Praktikantin – auf den Autor ein, es bildete sich eine Art Menschenknäuel, und als dieser sich nach wenigen Minuten wieder auflöste, lag der Waltershorst tot auf dem Teppichboden. Vergiftet.“

„Wie bitte? Vergiftet?“
„Ja. Kein Zweifel. Der Arzt hats bestätigt. Eine wie auch immer in den Körper des Autors verbrachte letale Dosis Mukomaskolinsalizydsäurederivat, zu erkennen am rosa Schaum, welcher den Mund des Toten wie eine Art Girlande…“

Dünnbier konnte nicht mehr. Er wandte sich der Vierergruppe am Rande des Konto-Standes zu, in der sein kriminalistischer Instinkt sofort die sowohl Tatverdächtigen als auch Tatzeugen erkannt hatte. Ein kleines Männlein – offenkundig der Verleger, denn die kompensieren fehlende Körpergröße bekanntlich durch großspuriges Autorenquälen – ergriff sofort das Wort.
„Unfaßbar! Ich bin schockiert! Wir sind ein seriöser Verlag!“
Ein noch kleineres Männlein – offenkundig der Lektor, denn die kompensieren Zwergenwuchs durch ein Riesenbohei, mit dem sie Autoren davon überzeugen, der letzte Dreck zu sein – wisperte darauf hin: „Ja! Unfaßbar! So ein Schock! Ich bin studierter Germanist!“, was das kleinste Männlein unter den Anwesenden – offenkundig der Kritiker, denn die kompensieren ihre körperliche Quasinichtexistenz durch usw. – zum Reden brachte.
„ICH bin unschuldig! ICH bin unbestechlich! ICH habe den Waltershorst nicht angerührt! ICH habe auch seinen Sprudel nicht vergiftet!“
„Nein“, fauchte die Praktikantin Lucia, „aber mir in den Ausschnitt gegriffen!“

Dies sei eine infame Lüge, die mit drei enormen Verrissen von Konto-Krimis zu ahnden sei, giftete(!) der Kritiker.

„Ruhe!“ herrschte Dünnbier das Quartett an. „Der Autor ist vergiftet worden. Er hat einen Zitronensprudel getrunken. Wer hatte Gelegenheit, ihm das Gift in den Zitronensprudel zu mischen?“

„Ich nicht!“ schrie der Verleger zurück, „ich weiß gar nicht, was das für ein Zeug ist, dieses Mukomaskudingsda.“
„Ich auch nicht!“ fiel ihm der Lektor ins Wort, „Ich benutze Mukomaskolinsalizydsäurederivat lediglich zur Impfung meiner brasilianischen Honigbienen, wie es die Fachliteratur vorsieht. Ich bin nämlich Hobbyimker, müssen Sie wissen!“
„Und ich gleich gar nicht!“ beteuerte der Kritiker. „Ich bin Diabetiker und nähere mich Zitronensprudel nicht auf drei Meter. Gottseidank habe ich meine Krankheit mit Tabletten im Griff und muss nicht spritzen.“
„Und ich … bin hier nur die Praktikantin“, sagte die Praktikantin.

„Hm“, grübelte Dünnbier. „Aber jeder von Ihnen hätte ein Motiv gehabt. Der Autor wollte unangenehme Wahrheiten preisgeben. Korruption. Sexuelle Abartigkeiten. Er hat Sie schwer beleidigt. Es war zu erwarten gewesen, dass es zu dieser Szene kommt, also können wir von einem geplanten Verbrechen ausgehen… Ich muss Sie alle bitten, mich ins Präsidium zu begleiten. Erst muss feststehen, wie das Gift in den Autor gekommen ist. Dann, so hoffe ich, kann ich den Schuldigen – oder die Schuldige? – zweifelsfrei ermitteln.“

Und so geschah es. Nach zwei Stunden stand fest, wie dem Autor das Gift verabreicht worden war. Kommissar Dünnbiers Miene erhellte sich, er wandte sich dem Täter zu und sagte das, was er in vierjährigem Studium der Kriminalistik fehlerfrei gelernt hatte: „Sie sind verhaftet! Gestehen Sie!“

Wer war’s? Und wie gelangte das Gift in den Körper des renitenten Autors?

Dale Patrick Rutherford

5 Gedanken zu „Messemord“

  1. Oral? Wer solln das sein? Keiner der Verdächtigen heißt Oral… Außerdem enthielt der Text keine Moslems-, sondern eine Buddhistenbeschimpfung („Der Dalai Lama hat gar kein Karma.“). Hab ich rausgenommen, um keine religiösen Gefühle zu verletzen…

    bye
    dpr

  2. Oral ist der entlassene Trainer des FSV Frankfurt. Wie wär’s denn mit Hinduistenbeschimpfung: „Das war schon bei deine Omma und dem seine Omma ganz genau so, genau.“ (Das ist das sprachlich eine Westfalen-Selbstbeschimpfung. Aber da inzwischen ja nicht mal mehr Selbstmord bestraft wird, müsste Selbstbeschimpfung straffrei ausgehen.)

  3. Himmel! Jetzt auch noch Westfalenbeschimpfung! Das wird böse enden… Und keiner weiß, wer der Mörder ist? Schwach, schwach…

    bye
    dpr
    *gibts morgen im Laufe des Tages bekannt
    **vielleicht

  4. Deine zweite Frage war: „wie gelangte das Gift in den Körper“? Die habe ich präzise beantwortet!

    * holt sich den Gewinn am Stand des Sconto-Verlags ab

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