Nur mal so am Rande

Manchmal zieht der Zufall (oder wie immer das Ding heißen mag) gleich mehrfach das adrette Brokatdeckchen von der Wirklichkeit und man sieht, was man eh schon weiß, aber am liebsten verdrängen möchte. Am Samstag berichtete →die TAZ von der Arbeit des Walt-Whitman-Übersetzers Jürgen Brôcan, einem Leben zwischen höchster professioneller Präzision und den drohenden Abgründen von Hartz IV. Zuvor hatte →die ZEIT über das Werden eines Sachbuchs und die wirtschaftlichen Nöte seines Verfassers berichtet (→via Henrike Heiland). Und gestern abend hört man aus dem Fernsehen die ersten Worte der frisch gekürten Trägerin des Deutschen Buchpreises, Katrin Schmidt, in denen sie sich vor allem darüber freut, jetzt vielleicht jene ökonomische Sorglosigkeit genießen zu können, die sie bislang nur vom Hörensagen kannte.

Denn das ist sie, die Wirklichkeit: Schriftsteller sein, das heißt in der Regel: arm sein. War immer schon so, wird auch so bleiben. Vergessen wir die happy few, denen das Schicksal hohe Auflagen beschert. Vergessen wir den Starfriseur, das Busenwunder, den gefallenen Banker oder den frühpensionierten Politiker, deren schriftliche Ergüsse dank voller Medienpräsenz und brav abgesessener Talkshows in den Bestsellerlisten landen. Nein, das ändert gar nichts daran: Je konsequenter du im Lande der Dichter und Denker versuchst, Dichter und Denker zu sein, desto konsequenter verschreibst du dich der materiellen Not.

Wissen wir doch. Ja, klar. Und lamentieren macht es auch nicht besser. Aber manchmal sollte man den schlichten Umstand dennoch erwähnen, in all dem Getöse um (dringend notwendige) Mindestlöhne und prekäre Arbeitsbiografien, Exportweltmeisterschaften und „soziale“ Marktwirtschaft, um die Bildungsrepublik und die Verrohung, die vor allem eine geistige ist. Für Menschen, die versuchen, gute Bücher zu schreiben, gelten die Regeln des fairen Lohnes eben nicht. Sie stecken heillos in der Logik des Kapitalismus, nach der Erfolg eine Frage des Umsatzes ist und der abhängig vom „Geschmack“ und der dem Diktat des Leichtkonsumierbaren unterworfen, denn nur das bringt Umsatz. Wer hier die Henne spielt und wer das Ei, bleibt unklar. Lesen die Leute all den Mist, weil man ihnen erzählt, es sei keiner, oder produzieren all die Verlage ihren Mist, weil die Leute sonst nichts lesen wollen?

Einerlei. Außerdem: Wir sind ja eh Kriminalschriftsteller und schreiben daher qua definitionem Mist, und wenn wir davon nicht leben können, besagt das doch nur, dass wir nicht einmal den Mist richtig hinkriegen. Der oben genannte Jürgen Brôcan, dem wir alles Gute bei seinem Versuch wünschen, von seiner Arbeit leben zu können, sagt über diese seine Arbeit: „Das kann man nicht einfach so runterübersetzen wie einen Krimi.“ Und sagt damit eigentlich schon alles, was die Wertschätzung des Genres angeht. Wenn ein Lyriker verhungert, ist es das ewige Los des armen Poeten. Wenn ein Krimiautor darbt, ist er einfach zu doof fürs Doofe. Das nur mal so für die Akten.

5 Gedanken zu „Nur mal so am Rande“

  1. You’re so DAMN right. Und es ist immer besonders aufbauend, wenn die eigenen Leute (zB gebildete, sensible, engagierte Literaturübersetzer) atavistischeren Dummschwatz in die Medien blasen als die gern beschnöselten „gewöhnliche Leser“.

    Da hilft nur weitersingen, ein jegliches seinen eigenen SONG OF MYSELF: With music strong I come, with my cornets and my drums,//I play not marches for accepted victors only, I play marches for conquer’d and slain persons.

  2. Wobei man die Ehrlichkeit des Seitenhiebes würdigen sollte: auch Könner übersetzen Krimis einfach mal so runter. Wenn ich derzeit überall (aber nicht bei dpr, Kudos) die Reflexformulierungen lese, Harry Rowohlt habe Ken Bruen kongenial, vorzüglich, erstklassig etc. blabla übertragen, merke ich wieder, was für ein Kartenzinkergewerbe das Rezensieren ist.

    Rowohlt hat, am traurigen Schnitt gemessen, gute Arbeit geleistet. Aber das bisschen Extramühe hat er sich eben nicht gegeben.

    Schöne Grüße,

    tkl

  3. … wobei es auf dieses bisschen Extramühe aber entscheidend angekommen wäre. Keine Frage, dass sich vieles, nicht nur was Krimis angeht, „runterübersetzen“ lässt. Eine/n gute/n Übersetzer/in zeichnet jedoch aus, dass er/sie erkennt, wann die Extramühe angebracht ist. Okay, bei der lausigen Bezahlung schämt man sich beinahe, von ÜbersetzerInnen Extramühe zu erwarten. Andererseits: Wer will schon einen schlecht bezahlten Job schlecht machen? Und das in aller Öffentlichkeit. Könnte ich als Autor ja auch sagen: Wenn ich für ein Jahr Arbeit gerade mal einen Tausender bekomme, kriegt ihr halt Pfusch…
    Wir sollten uns, wie schon Kollegin Waltraud bemerkte, nicht auch noch gegenseitig runtermachen. Das Leben für Übersetzer und Autoren ist schwer genug, ein wenig kollegialer Zusammenhalt machts leichter. Gilt für Kritiker ebenso, die in der Regel auch nicht besser entlohnt werden.

    bye
    dpr

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