Ray Bradburys Klassiker „Fahrenheit 451“ ist so viel Krimi wie Science Fiction, also ganz oder gar nicht. Die Geschichte der fürsorglichen Bücherverbrennung zum Schutze der Bevölkerung vor allzu großer Belästigung des Verstandes ist zeitlos und von globaler, mühelos auf sämtliche Formen der Verdummung übertragbarer Gültigkeit. Sie lebt von Bilden und Metaphern, deren schönste jenes Schlussbild der Buch-Menschen ist, in deren Erinnerung die Literatur überlebt und durch das Sich-Erinnern bewahrt bleibt.
Das wirkt als Roman, als Film – und jetzt als Graphic Novel. Gemeinsam mit dem Zeichner Tim Hamilton hat Bradbury (der dieses Jahr 90 wird) seinen Text noch einmal für ein anderes Medium geschrieben. Und es ist mehr geworden als eine bloße Transferierung in die Dialogform der Sprechblasen. Schon im Vorwort weist Bradbury auf die Entstehungsgeschichte von „Fahrenheit 451“ hin, auf sein eigenes Verwickeltsein in die Geschichte und das wahrhaft Universelle, dem sie verpflichtet ist. Die Comic-Version konzentriert sich stärker als der Urtext auf die Zusammenhänge von freiwilliger und erzwungener Verblödung, von der Angst vor dem Wort und medialem Overkill, Krieg als Motor der Erwicklung und der Verrohung als Zivilisationsersatz. Bradbury ist es hier tatsächlich gelungen, ein allgegenwärtiges Muster zu entwickeln, und genau darin liegt seine Stärke – nicht in seiner potentiellen und interpretationssatten „Tiefenschärfe“.
Die gelungene Textbearbeitung wird durch das Bildmaterial Jim Hamiltons gestärkt. Angemessen dunkel, von Schatten dominiert, eher klassisch in seiner unterstützenden Funktion des Geschriebenen, vielleicht ein wenig zu zurückhaltend, wenn es darum geht, ohne Worte zu erzählen. Aber das mag Geschmackssache sein. Insgesamt also eine empfehlenswerte Ausgabe des Klassikers – und das nicht nur für Leute, denen es vor Buchstabenwüsten graut.
Ray Bradbury / Tim Hamilton: Fahrenheit 451.
Graphic Novel. Eichborn 2010
(Ray Bradbury's Fahrenheit 451. 2009. Deutsch von Fritz Güttinger).
157 Seiten. 22,95 €