Manfred Wieninger: Prinzessin Rauschkind

Wo Marek Miert ist, möchte man nicht sein. Weder in Harland, der tristen österreichischen Provinzstadt, noch in Gesellschaft von Oberleutnant Gabloner, dem sadistisch-spießigen Polizisten, vor allem aber nicht in den Gedanken des Protagonisten selbst. Die nämlich sind ein Land der Vergleiche, in dem ein Akzent so dezent ist „wie das Glitzern des Geldes in den Augenwinkeln eines Weltbankpräsidenten“. Diese Vergleiche sind allgegenwärtig, sie sind schräg und erschreckend wahr zugleich, sie stecken Mierts Welt zwischen den beiden Seiten einer Gleichung ab, die nicht aufgehen kann und doch schlüssig ist.

Nach einer rabiaten Wurzelbehandlung gerät Miert, der „Diskontdetektiv“, an einen neuen Auftrag. Der Zahnarzthelferin ist der Freund, ein angeblicher Ungar, abhanden gekommen, typischer Fall von Zigarettenholen. Schwanger von dem Kerl ist sie obendrein, finanziell kommt sie kaum über die Runden, die Prinzessin Rauschkind. Kein Fall für mich, denkt Miert, doch dann geht er zum Bahnhof, wo gerade eine frische Leiche herumliegt, die dem verschwundenen Ungarn täuschend ähnlich sieht. Und weil auch Miert dort ist, wo er partout nicht sein möchte, bei einer Leiche nämlich, und ein Foto des Ungarn in der Hand hält, gerät er sofort unter Mordverdacht, wird zusammengeschlagen und auch sonst von Intimfeind Gabloner unter Druck gesetzt. Es hilft nichts: Miert muss den Fall doch übernehmen und möglichst rasch aufklären.

Kenner der MM-Romane Manfred Wieningers wissen natürlich, wohin die Reise gehen wird. Miert erkundet wie gehabt sein dunkles Österreich zwischen Brutalität und Banalität, das ist – auch wie immer – so traurig wie lustig. Und ebenso natürlich bleibt Miert das Abziehbild des schulbuchmäßigen Privatschnüfflers, notorisch erfolglos und klamm, geschupst und getreten, rabiat gegen die Großkopfeten und liebevoll und zu den Staubfressern. Und je klarer dies alles wird, desto mehr wird Miert zu einer Personifizierung der schrägen Vergleichswelt seines Schöpfers. Miert ist so brachial wie der Fall eines Eichenblatts im Herbst, von fremder Hand gesteuert wie ein Puppenspieler, so kitschig menschenfreundlich wie ein Killer mit hustender Kalaschnikow.

Auf den ersten Blick gehört Miert in jenes wortreich und in mäandernder Syntax eingerichtete Skurrilitätenkabinett österreichischer Kriminalliteratur, angefangen vielleicht beim Major Kottan und bei Komareks Polt noch lange nicht zu Ende. Während dort jedoch die Bocksprünge der Sprache über die der Gesellschaft informieren, ist es bei Wieninger eher umgekehrt (was nicht heisst, dass sich bei Wieninger von der Sprache nicht auf die Menschen schließen ließe). Mierts Deformiertheit im Sprechen und Denken und Handeln ist die Deformiertheit der Gesellschaft im Sprechen und Denken und Handeln, von ihr geschaffen, von ihr am Leben gehalten. Eine Welt, die sich mit Humor nicht ertragen lässt, wohl aber beschreiben.

Und die am Ende nur scheinbar wieder ins Lot kommt. Die Bösen erhalten ihre Denkzettel, Prinzessin Rauschgift zwar nicht mehr ihren Pseudo-Ungarn, aber immerhin das gemeinsame Kind eine finanzielle Zukunft. Ist ja tröstlich irgendwie. Oder um es in einem Vergleich zu sagen: Wieningers Romane sind so trostspendend wie eine hässliche Karaffe, die von der Anrichte fällt. Und leider trotzdem nicht kaputtgeht.

Manfred Wieninger: Prinzessin Rauschkind. 
Haymon 2010. 204 Seiten. 19,90 €

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert