Grummeln bei FACEBOOK. Steht doch auf der neuen Krimiwelt-Bestenliste mal wieder nur ein deutscher Titel, noch dazu auf hinteren Plätzen. Ein unhaltbarer Zustand, finden die AutorInnen, man erfährt erstaunt, selbst die Verlage hätten sich schon darüber „beschwert“, ohne Erfolg allerdings. Wer ist dran schuld? Die Kritiker. Und überhaupt.
Es wird grundsätzlich, wenn dem ein Lamento über die mangelnde Beachtung des deutschsprachigen Krimis in „den Foren“ hinterher geschickt wird. Stimmt in etwa wie die Behauptung, in diesen wenigen Foren finde der „weibliche Krimi“ nicht statt. Stimmiger schon die Annahme, diese „wenigen Foren“ (kann mir irgendjemand mal sagen, was hier wenig oder viel ist?) seien nur dann genehm, wenn sie recht erbaulich über den deutschen Krimi schreiben. Davon, dass man sich etwa über Blogs öffentlich lustig machen oder sie mit bewährter Nichtkennerschaft diskreditieren kann, wollen wir hier gar nicht reden.
Man könnte jetzt polemisch behaupten, dass vieles auch deshalb im Argen liegt, weil deutsche KriminalautorInnen schlichtweg ihre Ärsche nicht hochkriegen. Sich syndikategorisch nur selbst und gegenseitig hochleben lassen, Kritiker loben, die sie gelobt haben und Kritiker verdammen, die – na klar. Aber wollen wir ja nicht. Ist August, Urlaubsmonat, vielleicht wird das Wetter auch noch besser. Das geht automatisch oder nicht, da kann man nicht nachhelfen, wunderbar, wie geschaffen für den deutschen Kriminalroman, der sich auch nicht helfen lassen kann, weil er sich selbst nicht hilft.
Dabei könnte man etwas tun. Eine deutsche Bestenliste ins Leben rufen. Gibt’s für deutsche Lieder schon lange und funktioniert dort ganz ordentlich. Also ein Dutzend Kritiker, dazu ein paar Medienpartner und schon gibt es eine Liste, auf der nur deutschsprachige Titel stehen. Aber wetten, dass man das nicht hinkriegt?
Das Wetter wird bestimmt noch besser,
meint die Nina Ruge des deutschsprachigen Krimis
*optimistisch
** wer ist eigentlich dieser Herr Facebook?
Germany 12 points? Oder was? So eine Liste hat es sicher in hohem Maße damit zu tun, was die Kritiker auf den Tisch bekommen und worauf sie Lust zu lesen haben. Wer sagt denn
a) Was ein Krimi ist? Ist „Cash“ nicht viel eher ein New-York-Roman, zu dem das Verbrechen als integraler Bestandteil gehört? Nur weil es ein gutes (von mir aus auch gern: hervorragendes) Buch ist, muss es nicht auf Platz 1 der Rangliste sein.
2) Was nach Regionalkrimi riecht, hat ein Geschmäckle – es sei denn, die Region ist Paris oder L.A. Aber entscheidend ist nicht, ob der Krimi in der Provinz spielt, sondern ob er provinziell ist. Darum mein Votum für Christine Lehmann!
3) Welchen Sinn macht es, über 20 Jahre alte Bücher – fein gebunden und über 20 € – an die Spitze der Rangliste zu stellen? Nicht so ganz viel, finde ich.
Der „Krimi“ beschränkt sich eben nicht auf einige wenige Herkunftsländer sondern ist zur Zeit international vertreten. Schriftsteller u.a. aus Österreich, Italien, Spanien, Frankreich, Niederlande, Polen, England, Schottland und Irland sorgen für Spannung aus Europa. Die Skandinavier sorgen schon seit vielen Jahren ebenso für starken Nachschub. Australier, Argentinier, Südafrikaner, Japaner und Amerikaner bringen aus fernen Ländern den Krimi nach Deutschland. Sicherlich gibt es immer noch eine Übermacht aus anglistischen Ländern, dennoch ist der in Deutschland veröffentlichte derzeitige Krimi sehr (Länder-)vielseitig. Eigentlich verwundert es daher nicht, wenn aus verschiedensten Regionen der Welt, Titel den Weg auf die Auswahllisten finden. Wenn dann deutsche Autoren vertreten sind, umso besser. Die Konkurrenz unter den Übersetzungen ist doch deswegen meist so stark, da hier bereits eine sehr ausgeprägte Selektierung stattgefunden hat, soll bedeuten, die deutschen Übersetzer nehmen sich meist nur die ausländischen Schriftsteller vor, die bereits in irgendeiner Form in den Fokus gerückt worden sind.
Außerdem habe ich den Eindruck, als würden sich einige Verlage derzeit verstärkt um deutsche Autoren kümmern. Unter deren Neuankündigungen sind doch viele heimische Schriftsteller darunter, und auch an spezieller Werbung für diese wird nicht unbedingt gespart. Wenn deren Romane vom deutschen Lesepublikum vielleicht nicht so nachgefragt werden, so liegt das u.U. auch daran, dass in der Vergangenheit deutsche Autoren sich nicht gerade ein positives Image erarbeitet haben.
Das wird bestimmt noch einige Zeit dauern, bis sie in den Hirnen der Leser auf gleicher Höhe mit den englischsprachigen Schreiberlingen stehen werden.
Nicht zu unterschätzen dürfte auch die Sehnsucht nach „fernen Welten“ sein. Entweder erfolgt ein Griff ins Verkaufsregal nach dem Regiokrimi mit Geschichten um die Ecke (da kennt man sich aus, da ist man dabei)(Gmeiner, emons oder Ars Vivendi) oder es muss schon ein Roman sein, der in Madrid, Boston, Havanna, Kapstadt oder Liverpool spielt. Die Kommissare einer x-beliebigen deutschen Stadt vermitteln eben nicht unbedingt den Raum, den viele Leser suchen, wenn sie sich ein paar Stunden in eine fremde Region einer fiktiven Welt flüchten wollen.
Da Kritiker ein spezieller Teilbereich der interessierten Leserschaft darstellen, dürften sie ähnlich funktionieren wie der Rest derselben. Ich denke, der anspruchsvolle Leser kommt, stellt er seine persönliche Bestenliste auf, zu ähnlichen Ergebnissen. Mag sein, dass einige andere Autoren darauf vertreten sind, aber die Richtung bleibt wahrscheinlich die gleiche.