Robert B. Parker: Alte Wunden

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Ein neuer Auftrag für Spenser (na ja, im Original von 2003) und die alten Reflexe. Nichts zu bemängeln, Kriminalliteratur auf bestem Unterhaltungsniveau, gute Bekannte, die tun, was sie schon immer getan haben. Ein Banküberfall von 1974, bei dem eine scheinbar Unbeteiligte erschossen wurde, sorgt diesmal für „alte Wunden“, als die Tochter der Getöteten Spenser um Aufklärung bittet. Die Aktion war von einer „studentischen Aktionsgruppe“ durchgeführt worden und rasch zeigt sich, dass alte Wunden, wenn sie aufbrechen, schnell zu neuen führen können.

Ja doch, hier wimmelt es nur so von Klischees. Sie sind teils den genreeignen Schubladen für hartgesottene Detektive entnommen, teils den Gesetzen der Serie geschuldet, die eben auf Redundanzen setzen muss. Spenser ist Spenser, seine Entourage ebenfalls gute Bekannte. Man kommt für knapp über 200 Seiten mit ihnen zusammen, verlebt einen netten Abend und trennt sich dann wieder, diesmal jedoch im beunruhigenden Wissen, dass es bald ein Ende haben wird. Denn Robert B. Parker ist vor ein paar Monaten verstorben, wir warten auf die letzten Übersetzungen und suchen uns dann einen neuen Hort des Erwartbaren.

Mit Kriminalliteratur ist es ja schon merkwürdig. Entweder wollen wir das Neue oder das Alte, das Irritierende oder das Vertraute, die Umsetzung sämtlicher „Genregesetze“ oder deren permanenten Bruch. Und immer steht im Zentrum das Klischee, so auch in dieser Spenser-Episode. Aber, und das unterscheidet Parkers Arbeitsweise angenehm von der üblichen epigonalen Klonerie, diese Klischees triefen nicht aus den Poren eines in jeder Hinsicht aufgeblasenen Textkorpus. Sie besitzen Form, sie kennen ihre Grenzen und halten sich daran.

Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Dialoge, screwballeske Selbstironie inklusive, gleichzeitig Verschnaufpausen der wie stets wacker voranschreitenden Handlung. Bei der Parker natürlich nicht mit den Tricks eines jahrzehntelangen Berufslebens spart. Dass Spenser überhaupt Fahrt aufnimmt, auf Spuren gesetzt wird und letztlich den Fall löst, verdankt er doofen Ganoven, die ihn frühzeitig und ohne Not piesacken. Hätten sie es gelassen, Spenser drehte sich wahrscheinlich immer noch im Kreis. Es wird munter gemordet, mal drei, mal zwei Bösewichte beißen ins Gras, ohne dass es irgendjemanden groß scheren würde. So ist das halt im Spenser-Kosmos.

Das mag aufgesetzt sein, funktioniert aber, weil es dem ebenfalls stark klischeeverdächtigen Fall – die politische Situation in den 70ern, Terroristen, die längst im Bürgerlichen angekommen sind, wir kennen das selbst zur Genüge aus der 68er-Diskussion – sofort die ideologisch verbrämte Spitze nimmt. Hier geht es um Verbrechen und Verbrecher, das ist auf beinahe rührende Weise altmodisch, aber auch erfrischend frei von moralischen Gesten. Parkers Romane sind selbst dann, wenn sie ein wenig zu routiniert daherkommen, immer auch Zeuge einer ursprünglichen Kraft von Kriminalliteratur. Reduziert auf das Wesentliche, beinahe wortkarg, eine zu Spannung destillierte Menschentypologie.

Das ist, noch einmal, nicht neu, es ist alte Schule, Teil eines roten Fadens, der sich durch die Kriminalliteratur zieht, nichts, das uns aufrüttelt, ein Bummel über den jährlich stattfindenden Jahrmarkt. Und die Zuckerwatte schmeckt auch diesmal.

Robert B. Parker: Alte Wunden. 
Pendragon 2010 (Back Story. 2003).
Deutsch von Emanuel Bergmann.
221 Seiten. 9,95 Euro

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