Ein Verlegerbrief

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Sehr geehrter dpr! Mit größter Freude und Genugtuung begrüßen wir Ihre in der gestrigen Ausgabe des Online-Krimimagazins WTD bekannt gemachte Entscheidung, den in unserem Hause veröffentlichten Krimi „Joint Adventure“ von Peter J. Kraus nicht zu rezensieren. Wie Sie vielleicht wissen, haben Ihre Leseempfehlungen, die Produkte unseres Verlags betreffend, in der Vergangenheit stets zu dramatischen Absatzeinbrüchen geführt. Manch hoffnungsvoll begonnene Laufbahn als Kriminalschriftsteller fand so ein abruptes Ende, es kam zu Massenentlassungen in unserem Hause etc., mithin zu Heulen und Zähneklappern, bitterer Not und Depression allenthalben.

Bei aller Freude indes treibt uns nun die Sorge um, dass Sie auf den Gedanken verfallen könnten, den ebenfalls soeben erschienenen Krimi „Die Hölle an der Ruhr“ von Gaston Leroux zu besprechen. Schön, Herr Leroux weilt bereits seit geraumer Zeit nicht mehr unter uns, eine Lob Ihrerseits wäre also seiner Karriere kaum abträglich. Der Ruhm des Autors ist nicht erst seit „Das Phantom der Oper“ gefestigt, auch die Abenteuer seines skurrilen Krimihelden Rouletabille sind längst klassisch geworden. „Die Hölle an der Ruhr“, nun erstmals in deutscher Sprache vorliegend, verschlägt unseren Protagonisten in die Waffenschmiede des kaiserlichen Deutschland, wo es gilt, eine Weltkatastrophe zu verhindern.

Aber, lieber dpr, das alles wissen Sie selbst, haben Sie doch das Nachwort zu diesem Krimi verfasst. Wir möchten Ihnen diesen Umstand hiermit ins Gedächtnis zurückrufen und darauf verweisen, dass es nicht den ethischen Gesetzen des Rezensentenberufs entspricht, einen Titel, an dem man selbst mitgearbeitet hat, positiv zu besprechen. Gerne erwarten wir hingegen Ihren Verriss, da ein solcher unserer Schätzung nach den Absatz in gleichem Maße ankurbeln würde wie ein euphorisches Lob ihn zu senken imstande wäre. Als Kompromisslösung schlagen wir Ihnen aber vor, den Titel ebenfalls nicht zu besprechen.

Dass in unserem Hause soeben auch der neueste Band der Jean-Amila-Edition, „Auf Godot wartet keiner“, erschienen ist, erwähnen wir hier nur en passant. Vorsichtshalber haben wir Ihnen kein Belegeexemplar zukommen lassen, um sicherzustellen, dass dieser Amila von Ihnen unbesprochen bleibt. Wir hoffen, Sie haben dafür Verständnis und verbleiben mit dem hochachtungsvollsten Respekt

Ihre Conte Verleger

4 Gedanken zu „Ein Verlegerbrief“

  1. Nicht blöd!* Ich überlege jetzt, ob ich nicht die von mir übersetzten Bücher derart verreiße bzw nichtrezensiere. Vielleicht verkaufen die sich ja dann so rasend, dass ich mir von den Promilles eine Dachterrasse mit Wohnklo & Küchenzeile kaufen könnte?
    Aloha – P.

    *Berlinisch für „super Idee“ oä.

  2. Plumps! Stein vom Herzen. Gottseisgedankt. Seit Tagen (eigentlich seit Nächten) graut mir vor einer wohlwollenden dpr Besprechung, deren bekannt tödliche Auswirkung auf die ohnehin kläglichen Verkaufszahlen meines neuen Krimis „Joint Adventure“ mich vermutlich zwingen würde, mit dem Hut in der Hand beim örtlichen Wal*Mart meinen alten Rentnerjob als Grüsser und Einkaufswägelchenbereitsteller wiederzuerbitten.

    Dank, dpr, für diesen erneuten Beweis deiner herzensguten Menschlichkeit.

    Schluchz,
    Peter

  3. Tja, Peter, so etwas nennt man eine Marktlücke. Ich lebe inzwischen davon, Bücher NICHT zu rezensieren. Die Verlage lassen sich das was kosten. Meinen Job als Wurstwarenverkäufer bei LIDL konnte ich an den Nagel hängen.

    bye
    dpr

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