Hans Helmich: Stadt der Spitzel

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Einen guten Stoff findet der Krimiautor auf der Straße oder in den Geschichtsbüchern. Man kann auch beides kombinieren, wie es Hans Helmich in seinem Debüt „Stadt der Spitzel“ getan hat: das Verflachen, Gewinnmaximieren und Klüngeln der Medien trifft die Hausbesetzerszene der frühen 80er Jahre in Berlin. Der Stoff ist also weniger das Problem. Seine Be- und Verarbeitung entscheiden über die Qualität, auch, man will es kaum glauben, die Sprache und ihr möglichst unfallfreies Umschiffen von Klischees. Überhaupt: Klischees.

Und da geht es mit einem Alarmzeichen los. Nach dem Prolog lernen wir den Helden, den Fernsehjournalisten Martin Pollock von Havel-TV kennen und erfahren gleich im ersten Abschnitt folgendes: „Martin Pollock hasste seine Mutter. Früher hatte ihn dieser Gedanke erschreckt. Inzwischen ließ er ihn einfach zu.“ Nun wollen wir den Mutterhass nicht in Bausch und Bogen aus der Kriminalliteratur verbannen; kann ja interessant werden, um mehr über die psychische Disposition einer Figur zu erfahren. Hier jedoch, dies vorweggenommen, taugt er lediglich dazu, einen schwachen roten Faden recht lose durch die Handlung zu ziehen, ein Durchhänger mit den üblichen Klischees. Mit der Geschichte und dem Protagonisten hat das wenig zu tun, es ist einfach da wie ein obligatorisches Übel, das vielleicht einen Rezensenten dazu bringen mag, von „Bedeutungsschwere“ oder „anspruchsvoll“ zu fantern.

Aber der Reihe nach. In einem früher einmal besetzten Gebäude werden bei Bauarbeiten die Überreste eines Menschen gefunden. Pollock, beruflich nicht ganz zufrieden, recherchiert und rollt die Ereignisse von hinten auf, bis er zu ihrem Kern, einer tragischen Liebesgeschichte sowie einem Spionagekomplott, vordringt. Eingestreut sind Teile eines Briefwechsels, der relativ rasch erhellt, um wen es sich bei dem Opfer handelt. Aus dem Prolog wissen wir zudem, dass jemand die Tat rächen und die Schuldigen bestrafen möchte. Diese Schuldigen nun werden Pollock dankenswerter Weise auf dem Silbertablett serviert, der Zufall hilft dabei mit. Zeugen, die Pollock und ein guter Freund auftun, zeigen sich ebenfalls informationsfreudig. Und so entsteht nach und nach – ja was eigentlich? Ein Bild der knallharten Medienlandschaft, wo nur die Quote zählt, der Chefredakteur ein karrieregeiler Hund, die jüngeren Kollegen handzahm und die älteren schon ziemlich desillusioniert sind? Ein Bild der Hausbesetzerszene, die so einheitlich auch nicht war und deren Protagonisten später entweder „im System angekommen“ sind oder immer noch ihren Träumen nachhängen? Ein Bild gar der frühen 80er mit ihren in Berlin florierenden Spionageaktivitäten?

Das alles hätte uns Hans Helmich gerne präsentiert, herausgekommen ist aber leider nur eine von hölzernen Figuren aufgeführte Inszenierung des Erwartbaren. Das nimmt man zur Kenntnis, was nicht für Spannung spricht, reden wir gar nicht erst von der Sprache, diesem großen monotonen Fluss, auf dem die Handlung dahinschwimmt. Schade ist vor allem, dass Helmich seinen größten Trumpf nicht ausspielt, die Person der „Rächerin“ nämlich. Sie bleibt ebenso farblos wie der Chefredakteur, der Spion, der Hauptdarsteller selbst, es ist recht eigentlich ein Roman aus lauter Nebenpersonal, der viele Themen anreißt, aber zu keinem wirklich etwas mitzuteilen hat, was über das hinausgeht, was wir schon wissen. Bisschen wenig, auch für ein Debüt.

Hans Helmich: Stadt der Spitzel. 
Pendragon 2011.

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