Man schätzt Ross Thomas nicht geringer, wenn man das Debüt von 1966 nicht unter die Top 3 seiner Kriminalromane wählt. Sie möchten keine ausführlichen Rezensionen, sondern lieber einen intelligenten Spionagethriller lesen? Sofort aufhören und „Kälter als der kalte Krieg“ kaufen. Denn hier keimt schon alles, was in den späteren Arbeiten erblühen wird: die Stilsicherheit, der punktgenaue Witz, die Rasanz der Handlung, immer wieder zum richtigen Zeitpunkt verlangsamt und beschleunigt, die genau skizzierte Zeit, in der die Geschichte spielt.
Bonn, Mitte der sechziger Jahre. McCorkle und Padillo, zwei Amerikaner, betreiben eine Kneipe in der Bundeshauptstadt. Eigentlich ein unfreiwilliges Gespann, denn Padillo hat sich die Teilhaberschaft mit sanftem Nachdruck erpresst, braucht er doch eine Tarnung für seinen eigentlichen Job als Geheimagent. Ein Metier, das McCorkle nicht fremd ist, auch er wurde einst vom Geheimdienst ausgebildet und eingesetzt. Den Ereignissen ist es geschuldet, dass McCorkles Fähigkeiten bald wieder gefragt sind. Ein Mann wird in der Bar erschossen, Padillo macht sich auf zu einer neuen Aktion hinter dem Eisernen Vorhang, doch dabei geht etwas gründlich schief. McCorkle fliegt nach Berlin, um seinem Freund zu helfen, trifft eine Reihe mehr oder weniger zwielichtiger Gestalten und findet sich in Ostberlin wieder, wo Padillos Zwangslage eskaliert. Er ist Jäger und Gejagter, die Fronten sind unklar, einige der Gegner haben noch kein Gesicht. Man versucht in den Westen zu gelangen, was selbst für ausgebuffte Profis kein Leichtes ist. Ein actionreiche Geschichte also, deren Finale wieder am Rhein stattfindet.
„Kälter als der kalte Krieg“ ist ein Spionageroman wie aus dem Bilderbuch, was man wörtlich nehmen kann, denn er lebt von den sattsam bekannten Visualisierungen des Genres, dieser Mixtur aus Intrige und Gegenintrige, deren Auflösung den Leser ein wenig ins Schlingern bringt, weil das Sinnhafte jeder Aktion im Nachhinein erläutert werden muss. Andererseits jedoch schafft es Thomas, gerade in diesem Sinnhaften die ganze Sinnlosigkeit zu entlarven. Denn um was geht es eigentlich? Letztlich um nichts. Der kalte Krieg generiert seine eigene Dramatik, unnütz gewordenes Personal wird nach Gebrauch entsorgt, ausgetauscht, zwischen den Fronten verschoben. Es sind Aktivitäten für die Galerie, sie zeitigen keinen Nutzen, eine Beschäftigungstherapie für „die Dienste“.
So austauschbar wie die Aktionen ist auch das Personal selbst. Sogar die Protagonisten McCorkle und Padillo besitzen wenig Kontur, ihre Männerfreundschaft bleibt letztlich ein Geheimnis, sie agieren mechanisch in einem Umfeld aus eher blassen Figuren. Das könnte man als eine Schwäche des Romans bezeichnen, wenn einem nicht nach und nach aufginge, dass genau diese Vagheit zu dem passt, was da erzählt wird. Es wird sich in der weiteren Karriere des Autors Ross Thomas als eine seiner großen Stärken erweisen, das Uhrwerk der historischen Zeit mit dem der biografischen Zeit seines Personals zu synchronisieren. Der kalte Krieg, diese eigentlich selbstreferenzielle Veranstaltung, spiegelt sich in Kleinen in seinen Akteuren wider, ihren instinktiven Handlungen, ihrem ständigen Lavieren zwischen den Ideologien, die längst beliebig geworden sind. Diese Stärke des Autors wird sich mit jedem Buch weiter festigen. „Kälter als der kalte Krieg“ ist der lesenswerte erste Anlauf.
dpr
Ross Thomas: Kälter als der kalte Krieg.
Alexander Verlag 2011
(The Cold War Swap. 1966. Deutsch von Wilm W. Elwenspoek,
durchgesehen und überarbeitet von Gisbert Haefs und Anja Franzen.
Mit einem Vorwort von Dominik Graf). 265 Seiten. 14,90 €