Und wieder sei ein Packen Zettel abgelegt. Wichtige und unwichtige Gedanken, ein bisschen Offtopic zum Luftablassen. Wie stets der Hinweis: Das kann man alles auch in Echtzeit auf Facebook verfolgen, auf der „Was ist Krimi?“-Seite. Der erste Packen liegt übrigens →hier. So, und jetzt die nächsten Zettel verfacebooken.
Zettel 11: Gerade einen Experten nach dem Urknall befragt. Antwort: Zuerst bläst sich alles auf und dann stürzt alles wieder in seinen Anfang zusammen. Aha. Also wie beim Krimi. Aus der Verbrechensliteratur kommerzialisiert sich die Kriminalliteratur, bis man ihr, der knalligen Luftballonin, die Luft raus lässt. Zurück auf Anfang. Moral, Politik, Spannung wird unspannend. Überhaupt: Das ganze Projekt als Kreislauf inszenieren. Die Krimikritik als Kreislaufkollaps.
Zettel 12: Jede Krimiströmung entspricht einer Geisteshaltung: Fürchte dich nicht vor der Welt, du kannst sie beherrschen! (Sherlock Holmes) Die Welt beherrscht dich, versuche zu überleben (Hardboiled). Du bist schon tot, wenn du auf die Welt kommst (Noir). Das Leben ist auch nur ein marketingmäßig lancierbares Produkt (all die unsäglichen Designerkrimis wie knirschende italienische Markenschlappen). Das Leben ist ein Krimi, such dir die Geschmacksrichtung aus („neue“ Krimis am Rande des Genres)
Zettel 13: Nach dem ersten, historisch-kritischen Teil sollte ein methodisch-kritischer den Gegenstand von seiner „technischen“ Seite beleuchten. Etwa: Die Rolle des Opfers. Vom reinen Objekt zur Spannungserzeugung („Irgendjemand muss halt sterben, sonst ist’s kein Krimi“) zum Identifikationszentrum (natürlich Raymond, aber eigentlich heißt die Quintessenz: DAS OPFER BIST DU!)
Zettel 14: Die Form: doppelseitig. Rechte Seite der Fließtext, Gedankenstrom. Linke Seite eine Sammlung von Zitaten, Querverweisen, Materialien, Nebengedanken, Weitergedanken. Es lebe der mitdenkende Leser! Noch nie war die Lust größer, so völlig am „Markt“ vorbeizuschreiben. Habe eindrucksvoll bewiesen, dass ich das kann.
Off-Topic-Zettel (har, har): Und nie war mir das Gebaren der hiesigen Krimikritik so zuwider wie heute. Eine perfekte Mischung aus Unwissenheit, eiskaltem Kalkül, Lüge und Verrat, zweckdienlichem Zynismus und, immer dominierend, verkniffener Kleingeistigkeit. Bürokratisches Mittelmaß, menschliche Unzulänglichkeit, tiefgründelnde Oberflächlichkeit. Über allem: der Scheinheiligenschein der Geldgeilheit. Und der Leser? Bekommt die Kritik, die er verdient. Alles zum Kotzen.
Off-Topic-Zettel (Forsetzung): „Komintern späte 30er Jahre“: Kommentar einer lieben Freundin. Wir warten auf die ersten Schauprozesse und Massenerschießungen. Konsequenz laut lieber Freundin: „Nüscht wie raus hier!“ Ja. Nein. Ich bin leider kein zivilisierter Sprössling der Mittelschicht, ich bin ein Kind der Unterschicht. Da bröckeln auch schon mal Nasenbeine. Denke komischerweise gerade an Frauen in der Menopause.
Zettel 15: Der Begriff „Genre“ ist ein rein markttechnischer und die eigentliche Erfindung bei der Entstehung von „Krimi“. Eine Art Schablone / Blaupause, die das serielle Herstellen und den effizienten Vertrieb von Krimis erst ermöglicht hat, analog zu Henry Fords Prinzipien der Massenfertigung von Automobilen („T-Modell“). Schöner Aspekt für das Vorwort.
Zettel 16: Hübsche Graphic Novel: „Das Fräulein von Scuderi“ (Edition Büchergilde). Noch hübscher die Behauptung im Klappentext, ETA Hoffmanns Novelle sei der „Ur-Krimi der Weltliteratur“. Sie scheitern schon an den Grundlagen. „Krimi“ ist ein Begriff aus den 50er Jahren des 20. Jh. und wurde von den Produzenten billiger Heftreihen erfunden. Siehe: Genre.
Zettel 17: Ein paar schnelle Stichwörter zu „Genre“: Standardisierung der Fertigungsprozesse, Steigerung der Kommunikationseffizienz, Corporate Identity, Win-Win-Situation, Synergieeffekte. Unbedingt noch mal reinschauen in Gustave LeBon, „Psychologie der Massen“
Zettel 18: Die ganze Strunzdummheit diverser (Krimi-)AutorInnen denunziert sich manchmal selbst in einem einzigen Satz: „Aber das wir Autoren mittlerweile vor Bloggern und dem, was sich dafür hält, buckeln müssen, kann doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein… ??? Das Ganze dann auf unsere – nicht nur finanziellen – Kosten.“ Korrigiere: In ZWEI Sätzen.
Zettel 19: Krimi, appelliere gefälligst an meine niederen Instinkte oder ich lese nur noch Henry Miller! – Spannungsstudien noch mal überarbeiten, überdenken.
Zettel 20: Wenn man, in einem vorwiegend „ländlichen Raum“, auf dem Weg zum Bäcker an ZWEI nagelneuen NAGELSTUDIOS vorbeikommt, ahnt man plötzlich, was das mit Krimi zu tun hat. Nichts Gutes.