Manfred Wieninger: Das Dunkle und das Kalte

wieninger_kalt.jpg Auch Kriminalromane, die nicht unter dem Etikett des Regionalen ächzen, spielen irgendwo. An realen oder fiktiven Orten, manchmal sowohl als auch, wie die Marek-Miert-Krimis von Manfred Wieninger. Harland heißt das triste Provinzkaff im Niederösterreichischen (man kann sich kaum vorstellen, dass auch dort die Sonne einmal scheint), eine Kopfgeburt wohl, doch unverkennbar nach dem Vorbild von Wieningers Geburtsstadt St. Pölten geformt. So springt das Faktische ins Fiktive und wieder zurück, ein Vorgang, in dem sich immer schon die Dynamik von Literatur entfaltet hat und immer entfalten wird. Jetzt hat Wieninger die Maske des Literaten für einen Moment abgenommen und führt uns durch sein Harland, wenn es St. Pölten heißt. Dass er dabei weiterhin Literat bleibt – wen wundert’s?

„Das Dunkle und das Kalte: Reportagen aus den Tiefen Niederösterreichs“ heißt der Band, der sich bei aller Themenvielfalt doch immer am roten Faden der Vorurteile und der Niedertracht durch das Leben hangelt, uns mit Menschen bekannt macht, die kein Gewissen haben und solchen, die unter ihrem Gewissen leiden. Es beginnt mit der (nicht nur nieder-) österreichischen Fußballlegende Franz Binder, der sich den Spitznamen „Bimbo“ gefallen lassen musste, stellt uns „den ersten Gastarbeiter“ vor und schaut tief in den Abgrund des Rassismus, wenn er „Das Schweigen der Jenischen“ bricht. Es sind allesamt dunkle und kalte Geschichten – oder nein, es sind Geschichten über das Dunkle und das Kalte, mit jener Anteilnahme und manchmal auch Wut geschrieben, die wir von Marek Miert, dem „Diskontodetektiv“ kennen.

Auf wessen Seite Wieninger steht, ist von vornherein klar: Auf der Seite der Objekte für diese Dumpf- und Dummheit, auf der Seite der Opfer, auf der Seite der Mutigen auch. Besonders markant die Figur des Polizisten Winkler, der nach einem NS-Massaker zum Ende des Krieges unverdrossen seine Ermittlungen aufnimmt und zwischen alle Fronten gerät, auch zwischen die eigenen seelischen und moralischen. Diese Geschichte wird übrigens im Mittelpunkt von Wieningers nächstem Roman stehen, „223 oder Das Faustpfand: Ein Kriminalfall“, nein, diesmal kein Marek-Miert-Krimi, kein Harland, sondern schnöde Wirklichkeit als Literatur und umgekehrt.

Wer also Mierts Harland verlassen möchte, um es an seinen Wurzeln zu erkunden, dem sei dieser Band empfohlen. Man wird dann vielleicht die Krimis nicht „mit anderen Augen“ lesen, mit noch klarerem Blick aber doch.

dpr

Manfred Wieninger: 
Das Dunkle und das Kalte. Reportagen aus den Tiefen Niederösterreichs.
Edition Mokka 2011. 180 Seiten. 18,50 €

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