So ist das. Zwei Jungs haben eine Geschäftsidee, dann kommt ein Krimiautor und macht sie zunichte. Nicht irgendein Krimiautor, sondern Tom Torn. Sein Freund Guido Rohm berichtet wahrheitsgemäß, was da geschah. Die Botschaften vorweg: Schriftsteller sind Idioten, es lebe der Neoliberalismus, die Presse ist sensationsgeil und Guido Rohm veröffentlicht bald einen neuen Erzählband, →„Die Sorgen der Killer“, den nicht zu erwerben ein krimiwürdiges Verbrechen ist.
Wir wünschen gute und anregende Unterhaltung, nein, falsch, wir garantieren dafür…
(für Ludger Menke)
Immer wieder kamen Journalisten ins Gefängnis, um Frank und Ralph zu interviewen. Den beiden gefiel das ausgenommen gut. Sie spielten die Rolle der Schwerverbrecher perfekt. Wenn man sie fotografierte, machten sie grimmige Gesichter. Eigentlich lief alles prima. Man hatte sie in einer gemeinsamen Zelle untergebracht.
„Ist dir auch aufgefallen, dass es hier nie regnet?“
„Das liegt an der Gegend.“
„Früher waren wir auch in solchen Gegenden, aber es hat meistens geregnet.“
„Vielleicht haben wir unseren Götterstatus verloren.“
„Daran könnte es liegen.“
Sie lagen nachdenklich auf ihren Pritschen und träumten von der Vergangenheit.
Auszug aus dem letzten Interview mit Ed Harlan:
Frank Fallon: In den 60er Jahren waren Sie eine Berühmtheit. Sie haben mit ihren Romanen frischen Wind in die Science-Fiction gebracht.
Ed Harlan: Schon richtig. Aber heute kennt mich niemand mehr. Haben Sie Wodka besorgt?
Frank Fallon: Natürlich. Hier ist er. Sie haben Autoren wie Stanislav Lem und Philip K. Dick noch persönlich gekannt. Wie waren die so?
Ed Harlan: Lem hat immer nur genörgelt. Und Dick litt unter Verfolgungswahn. Zum Glück sind die beiden tot. Die konnten einem ganz schön auf die Eier gehen.
Frank Fallon: Stimmt es, dass Sie ihren letzten Roman „Die Rache der Alten“ für nur noch einen Dollar an ihren damaligen Hausverlag loswerden konnten?
Ed Harlan: Ich denke, wir brechen diese Scheiße hier ab. Ihr seht mir aus wie ein paar schwule Arschlöcher. Verpisst euch. Die Flasche bleibt hier.
In der Nacht nach dem Interview brachen sie in Harlans Wohnung ein. Alles war so, wie sie es zuvor gesehen hatten. Die Zimmer waren vollgestopft mit Büchern und allem möglichen Kram. Es roch muffig. Danach waren sie froh, dass sie wieder draußen waren. Auf ihren löchrigen Socken schlichen sie die knarrende Treppe zu seiner Dachwohnung empor. Von dort hatte man einen herrlichen Blick auf das nächtliche Paris. Der Eifelturm leuchtete wie eine Rakete vor dem Start. An einer der Dachluken hielten sie kurz inne und sogen die warme Nachtluft ein. Es roch nach Autoabgasen und einem Hauch von Pizzagewürz. Sie grinsten sich an und schlichen dann weiter. Sie tasteten sich an der Wand entlang wie Blinde, damit sie nichts umwarfen, keinen Lärm machten. Wahrscheinlich lag er schon volltrunken im Bett. Aber man konnte nie wissen.
„Sieh dir das an“, flüsterte Frank und zeigte auf unzählige verschimmelte Teller, die sich in der Küche stapelten. Sie standen auf der Spüle, auf dem Tisch, dem Boden. Dazwischen immer wieder Bücher. Die meisten waren Ausgaben seiner früheren Erfolge.
„Umso besser“, zischte Ralph. „Da wird wenigstens keiner nachfragen.“
Frank hielt sein Feuerzeug hoch. Dann erlosch es plötzlich.
„Was ist mit dem beschissenen Feuerzeug?“
Frank schüttelte das Feuerzeug. „Leer“, sagte er.
„Was soll das heißen?“
„Leer heißt leer. Nichts mehr drin. Ende. Aus. Jetzt kapiert?“
„Du Idiot!“
„Hab dich nicht so. Ich habe noch Streichhölzer.“
Zum Glück hatten sich ihre Augen bereits an die Dunkelheit gewöhnt. Sie packten den mitgebrachten Benzinkanister aus und besprenkelten die Bücher.
Gärtner des Schreckens, ja, das sind wir, dachte Ralph.
Frank kramte die Streichholzschachtel aus seiner Hosentasche. Mit zitternden Händen nahm er eines heraus und versuchte, es zu entzünden. Es erlosch sofort wieder. Er atmete zu heftig ein und aus.
„Gib her“, fuhr Ralph ihn an.
„Leise!“, zischte Frank zurück.
Ralph nahm ihm die Streichhölzer ab.
„Na also.“ Das Streichholz brannte. Die Flamme zuckte aufgeregt und in ihrem Schein sahen sie sich für einen kurzen Augenblick an.
Dann legten sie den Brand und verschwanden. Wie aufgeregte Kinder rannten sie auf ihren Socken die Treppe hinunter. Sie begegneten niemandem.
Niemand hat uns gesehen, dachten sie und kicherten den ganzen Weg bis zum Hotel.
Die Wohnung brannte komplett aus. Und mit ihr verbrannten Ed Harlans Bücher und mit ihnen Ed Harlan selbst. Er war vollkommen verkohlt.
Einige Wochen später erschien das letzte Interview mit Ed Harlan in einem Wochenmagazin. Ein letztes Mal huldigte man einem der ganz großen Autoren der Phantastik.
Natürlich ermittelte die Polizei wegen Brandstiftung. Man verhörte auch die Journalisten, die dieses letzte Interview geführt hatten. Aber die französische Polizei schöpfte keinen Verdacht. Sie grinsten die beiden nur an. Man hielt sie für ein Paar.
Frank und Ralph wären vielleicht nervös geworden, wenn sie gewusst hätten, dass Detektive Carl Land aus New York die Verhörprotokolle angefordert hatte.
Als die Nachricht rausging, der ehemals berühmte Autor Ed Harlan sei in seiner Wohnung verbrannt, saßen Frank und Ralph bei einem Espresso. Sie hatten die ganze Nacht gefeiert und waren verkatert. Sie konnten sich nicht mehr an alles erinnern.
„Wie haben wir das wieder gemacht?“ Frank lehnte sich behaglich zurück und zündete sich eine Zigarette an. „Jetzt warten wir noch ein paar Stunden und dann verkaufen wir unser letztes Interview mit diesem Ed Harlan an den Höchstbietenden. Glaube mir, sie werden sich darum reißen. Wie immer.“
„Das werden sie!“ Ralph nickte eifrig.
„Wenn man bedenkt, dass der fast nichts von unserem Geschreibsel wirklich gesagt hat. Aber wer will das schon wissen. Sie werden sich darum balgen. Sie sind doch wie die Hyänen. Tote haben sich schon immer gut verkauft. Wer ein berühmter Künstler werden will, sollte so schnell wie möglich sterben.“ Er überlegt kurz. „Und dann machen wir Urlaub, einen langen Urlaub. Drei letzte Interviews reichen fürs erste. Eigentlich sollten sie uns dankbar sein. Wir holen doch nur diese Wracks aus der Versenkung. Harlan war doch nur noch ein versoffenes Stück Dreck.“
„Und wohin soll unsere Reise gehen?“
„Ich dachte an eine schöne Insel. Vielleicht eine Schatzinsel.“
„Wir könnten auch einfach hierbleiben. Unser Verschwinden könnte Aufsehen erregen.“
„Quatsch. So bekannt sind wir auch wieder nicht. Sie werden uns sowieso vernehmen. Aber, was können wir dafür, wenn die alle abkratzen.“
Sie schwiegen und nippten an ihren Espressos.
„Einen hätte ich noch …“, sagte Ralph.
„So?“ Frank grinste ihn breit an. „Man kann sich an diese letzten Interviews gewöhnen, was?“
„Sagen wir mal so, man gewöhnt sich schnell daran, den natürlichen Lauf der Dinge etwas zu beschleunigen.“
Sie strahlten sich an.
„An wen hast du gedacht?“
„Tom Torn. Ein amerikanischer Krimiautor. Seine großen Erfolge liegen schon eine Zeitlang zurück. Er raucht zu viel, trinkt zu viel. Niemand würde sich wirklich wundern, wenn so einer plötzlich stirbt. Ein Raubüberfall mit Todesfolge würde sich gut machen.“
Frank dachte darüber nach.
„Vielleicht hast du recht“, sagte Frank. „So ein allerletztes Interview würde uns endgültig sanieren.“
„Ja, das würde es.“
Dann schwiegen sie wieder. Sie liebten ihr Schweigen. Es gab Abende, da sprachen sie überhaupt nichts.
Frank winkte dem Kellner. Der winkte zurück. Eigentlich hatte er nur bezahlen wollen.
Was für ein idiotisches Land, dachte er. Wir hätten hier noch mehr letzte Interviews führen sollen.
Draußen mussten sie durch den Regen zu ihrem Hotel laufen. Das war nicht romantisch. Das war einfach nur Paris im Spätsommer.
An einem verregneten Morgen kamen sie mit dem Taxi in Brooklyn an. Der Taxifahrer fluchte die ganze Fahrt unaufhörlich über die Stadt und ihre Einwohner. Er kam ursprünglich aus Pakistan. So wie er schimpfte, schien er wirklich alles sehr zu hassen: seinen Job, die Stadt und vor allem die Arschlöcher, die er ständig irgendwohin transportieren musste. „Ich bin Künstler!“, schrie er nach hinten. „Verstehen Sie. Kein Taxifahrer.“ So fuhr er auch.
Sie mieteten sich in einer billigen Absteige ein. Der Typ an der Rezeption hockte in einem Gartenstuhl und sah sich ein Pornoheft an. Sie brachten ihre Sachen aufs Zimmer und erkundeten die Gegend.
„Da drüben wohnt er.“ Frank bog die Äste eines Baumes auseinander und zeigte auf ein heruntergekommenes Backsteinhaus. „Er haust da mit seinen Katzen. Nach meinen Recherchen wohnt er allein. Keine Frau oder Freundin. Kaum Freunde. Nur einen schwulen Verleger, der hin und wieder vorbeikommt.“
„Vielleicht läuft da was“, kicherte Ralph.
„Bei diesen Typen weiß man doch nie“, sagte Frank.
„Hat in dem Haus nicht John Lennon gewohnt?“
„Nein!“
„Sieht aber so aus.“
„Ist aber nicht das Haus.“
„Du weißt, ich mag John Lennon. Ich würde ungern jemanden töten, der in dem Haus wohnt, in dem auch Lennon gelebt hat.“
„Der hat da nicht gewohnt. Nerv jetzt nicht.“
„Bist du sicher?“
„Gott …“
Sie schlenderten zur Pension zurück und schliefen einige Stunden. Sie besorgten sich eine Waffe. Das war gar nicht so einfach, klappte aber schließlich doch. Sie bekamen die Waffe über den Freund eines Freundes, der wiederum jemanden kannte, der einen Freund hatte, der gewisse Dinge anbot. Sie mussten mit dem Zug nach White Plains rausfahren, um sich mit dem „Freund“ zu treffen.
„Kein Mensch verkauft in einer solchen Gegend illegale Waffen“, sagte Frank zu dem „Freund“.
„Ich schon“, sagte der „Freund“.
„Und warum?“, fragte Frank.
„Vielleicht wohne ich hier, du Genie“, schnauzte ihn der „Freund“ an.
Später diskutierten sie lange auf dem Zimmer miteinander. Jetzt mussten sie noch an das Interview kommen. Sie legten sich hin, um sich auszuruhen. Als sie aufwachten, war es Abend geworden. Es regnete.
„Warum regnet es eigentlich überall, wo wir sind?“, fragte Ralph.
„Vielleicht sind wir verdammte Regengötter.“
„Ich hasse Regen.“
„Ich auch.“
Sie nickten einander zu.
„Die verfluchte Zeitumstellung bringt mich irgendwann noch um“, sagte Frank. Er sah Ralph beim Anziehen zu.
„Starr mich nicht so an, du Schwuchtel“, sagte Ralph.
„Selber Schwuchtel.“ Frank warf ein Kissen nach Ralph. Der fing es lachend auf und warf es mit aller Wucht zurück. Ein paar Sekunden später lieferten sie sich die wildeste Kissenschlacht. Sie waren ein prima Team. Niemand konnte sie stoppen. Sie würden die Welt mit letzten Interviews überziehen.
„Im Grunde …“, sagte Frank.
„Im Grunde?“
„Na ja, wir machen diese ganzen Bastarde erst berühmt. Sie müssten uns eigentlich dankbar sein.“
„Frank?“
„Ja?“
„Wie sollten sie uns dankbar sein? Sie sind tot. Und wir haben sie umgebracht.“
„Du solltest dich nicht immer in solchen Details verlieren.“
„Ihr seht aus wie zwei Tunten.“
Tom Torn stand breitbeinig und nur mit Unterhose und Unterhemd bekleidet in der Tür.
Fehlt nur noch, dass er sich im Schritt kratzt, dachte Ralph.
Torn kratzte sich im Schritt. Ralph und Frank starrten ihn erstaunt an.
„Ihr wollt also ein Interview? Also rein mit euch“, grunzte Torn.
Sie schlichen an ihm vorbei und warteten. Es roch seltsam.
„Dorthin. In die Küche.“ Torn zündete sich eine Zigarette an. Er wirkte angetrunken.
„Es freut uns, dass Sie bereit sind, uns ein Interview zu geben.“
Torn zuckte mit den Schultern.
Sie gingen voran in die Küche. Mit diesem Torn im Rücken fühlten sie sich unwohl. Der Kerl erschien ihnen nicht geheuer. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Natürlich hatten sie von seinen Wutausbrüchen gelesen, aber diesen Berg von einem Mann tatsächlich vor sich zu haben, war etwas ganz anderes. Was, wenn er durchdrehte. Diese ehemaligen Berühmtheiten hatten meistens psychische Probleme. Torn würde da keine Ausnahme bilden.
In der Küche deutete Torn auf zwei Barhocker. Sie schwangen sich darauf und warteten.
„Dürfen wir Fotos von Ihnen machen“, fragte Frank schließlich.
„Keine Fotos“, knurrte Torn. „Will euch doch nicht umlegen müssen.“ Er grinste sie an. Dann lachte er laut auf.
Frank und Ralph sahen sich kurz an. Das hier lief überhaupt nicht nach ihren Vorstellungen. Sie würden die Fotos brauchen. Sonst würde dieses letzte Interview kaum etwas Wert sein.
„Also, die Fragen …“ Torn schnippte Asche auf einen Teller mit angetrockneten Nudelresten.
Was sie beruhigte, war der Umstand, dass es hier genauso aussah wie bei all den anderen. Ralph kramte sein Diktiergerät heraus.
„Pack das wieder weg, Kleiner“, sagte Torn. „Du kannst dir Notizen machen. Mehr nicht.“
Sie sahen sich erneut an.
„Läuft da was zwischen euch?“, fragte Torn plötzlich. Er drückte die Zigarette im Teller aus und zündete sich sofort die nächste an.
„Hören Sie mal …“
Torn lachte glucksend. „Wartet hier. Ich komme gleich wieder.“ Er wankte aus der Küche.
„Der Typ ist betrunken“, flüsterte Frank.
„Na und? Das waren sie doch alle. Abgewrackte Typen, die ihr Leben nicht mehr im Griff haben. Deshalb haben wir sie doch ausgesucht.“
„Schon. Aber der hier ist irgendwie …“
Torn tauchte wieder auf. In seiner rechten Hand hielt er einen Revolver, ein mächtiges Ding, das irgendwie antik aussah.
„Ach ja, Sie sammeln Waffen. Das habe ich gelesen.“ Frank versuchte, so ruhig wie möglich zu wirken. Trotzdem zitterte seine Stimme leicht.
„Hast du gelesen?“ Torn lachte sie an. „So, ihr zwei Tunten werdet euch jetzt ausziehen.“
Frank und Ralph starrten ihn an.
„Lassen Sie die Späße.“
„Kein Spaß“, sagte Torn. Er drückte die halbgerauchte Zigarette im Teller aus.
Ralph und Frank konnten es nicht glauben. Sie waren tatsächlich an einen Irren geraten.
„Sie werden Ärger bekommen.“ Ralphs Stimme klang leise.
„Passt mal auf. Ihr zieht euch jetzt aus. Dann schiebt ihr euch eure Zungen in die Hälse und ich fotografiere diese kleine Liebelei. Dann verschwindet ihr und bringt ein schmeichelhaftes Interview über den großen und einzigartigen Tom Torn. Und wenn mir das Interview gefällt, dann braucht ihr keine Angst zu haben, dass diese Bilder in die falschen Hände geraten. Hab ich euch eigentlich schon erzählt, dass John Lennon in diesem Haus gewohnt hat?“
„Nein, haben Sie nicht!“ schrie Frank.
„Gut“, sagte Torn selbstzufrieden. „Erst ausziehen, dann erzähle ich euch die Geschichte.“
Frank und Ralph saßen in der Pension auf ihren Betten und starrten stumm vor sich hin. Sie beobachteten die abblätternde Tapete. Seit Stunden hatten sie nicht mehr geredet. Hin und wieder rannten sie ins Bad und kotzten.
„Und? Was machen wir jetzt?“ Frank bürstete sich mit dem Zeigefinger die Zähne.
„Keine Ahnung. Besser wir lassen den in Ruhe. Der ist vollkommen irre.“
„Und das Interview?“
„Wir sollten es schreiben und verkaufen. Der wird die Bilder tatsächlich veröffentlichen.“
„Wir könnten bei ihm einbrechen und versuchen, an die Fotos zu kommen.“
„Wer weiß, wo er die hat.“
„Hm!“
„Hm!“
Sie schwiegen wieder und starrten vor sich hin. Dann sprang Frank auf und rannte rüber zur Kloschüssel.
Ralph hörte eine Weile zu, dann stürmte er hinterher. Da knieten sie einträchtig neben der Schüssel und übergaben sich.
Dieses verfluchte Interview hat alles verändert, dachte Frank. Er fühlte sich schon lange zu Ralph hingezogen. Er verscheuchte den Gedanken und übergab sich erneut. Plötzlich spürte er Ralphs Hand in seinem Nacken. Ralph hielt ihm den Kopf.
„Danke“, sagte Frank.
„Wir sind doch Freunde.“
Kein Blatt wollte das Interview drucken. Niemand hatte Interesse an Tom Torn. Sie versuchten es überall. Keine Chance.
„Mit wem?“
„Tom Torn. Der amerikanische Krimiautor. Hat früher mal mit Norman Mailer gesoffen.“
„Sie haben ein Interview mit Norman Mailer?“
Es war zum Verzweifeln.
„Scheißegal“, sagte Frank schließlich.
„Genau“, sagte Ralph.
Frank nahm Ralph in den Arm. „Wir sollten ihm dankbar sein.“
„Das sollten wir.“ Ralph beugte sein Gesicht zu Frank hinunter und gab ihm einen Kuss.
„Wir sollten ihm eine Karte schreiben.“
„Eine Karte?“
„Ja. Soll er doch die Fotos veröffentlichen. Die können uns inzwischen mehr nutzen als schaden.“
„Ja. Schreiben wir ihm eine Karte.“
„Wie läuft es mit Carter?“
„Sehr gut. Er hat sich richtig in mich verknallt.“
„Hast du schon gefragt?“
„Ja.“ Ralph griff nach den Zigaretten. „Er wird uns das Interview geben.“
Frank kicherte. „Sein letztes Interview meinst du …“
„Das wird es wohl sein.“
„Du sollst doch nicht im Bett rauchen.“
„Tut mir leid.“ Ralph drückte die Zigarette aus und beugte sich über Frank. Sie lachten beide und dann verschwand Ralphs Kopf unter der Bettdecke. Frank streckte sich nach der Nachttischlampe und schaltete das Licht aus. Er lächelte sanft. Vor ihnen lag eine herrliche Zukunft. Sie würden vielleicht heiraten. Es gab Länder, wo das ging.
„Schon verrückt …“
„Wenn dieser Torn nicht gewesen wäre …“
„Gott segne Tom Torn.“
„Oh ja.“
Kurz nach Weihnachten erhielt Tom Torn eine Postkarte. Er arbeitete gerade an einem Band mit Kurzgeschichten.
Wieder ein Buch mehr, das niemand lesen wird, dachte er.
Die Postkarte kam aus Sankt Moritz. Er saß in Unterhose und Unterhemd vor seinem Computer, kratzte sich versonnen im Schritt, und las die Karte.
Lieber Tom,
vielen Dank für den schönen Aufenthalt bei Ihnen. Sollten Sie die Fotos noch veröffentlichen wollen, dann tun Sie das. Sie haben uns Glück gebracht.
Winterliche Grüße von Frank und Ralph.
Torn musste eine Zeitlang überlegen. Er kratzte sich eine Weile, dann fiel es ihm wieder ein. Er war damals ziemlich betrunken gewesen. In der Kamera hatte sich nicht mal ein Film befunden und im Grunde schämte er sich für die Sache. Aber sie schienen es ihm nicht nachzutragen. Umso besser. Trotzdem tat es ihm leid. Er sollte sich bei den beiden entschuldigen. Hatte er ihnen nicht auch noch einen Haufen Lügen über John Lennon aufgetischt?
Scheiß drauf, dachte er schließlich. Sie hätten wenigstens ein Interview bringen können.
Nichts.
Er war schon lange nicht mehr interviewt worden. Sein letztes lag Jahre zurück.
Interviews bringen einen voran, dachte er.
Das Gleiche dachten Ralph und Frank in Sankt Moritz. Immerhin hatten sie gerade für teures Geld das letzte Interview mit dem ehemals berühmten Modedesigner Carter Williamson verkauft. Die Magazine rissen sich darum.
„Und wen knöpfen wir uns als nächstes vor?“
„Niemanden!“
„Niemanden?“
„Jetzt wird erst mal geheiratet. Außerdem will ich nicht nur andere berühmt machen, ich will selber berühmt sein.“
Sie stießen gerade mit Champagner darauf an, als es an die Tür klopfte.
„Erwartest du jemanden?“
„Nein.“
Ralph stellte das Glas ab und ging nachsehen. Es dauerte eine Weile, bis er zurückkam. Als er schließlich wieder auftauchte, grinste er über das ganze Gesicht, dessen Röte dem Sonnenuntergang draußen Konkurrenz machen konnte.
„Frank, mein Schatz. Darf ich vorstellen.“ Ralph stellte sich seitlich. „Das ist Detektive Carl Land. Er hätte einige Fragen an uns.“
„Endlich!“, rief Frank. „Endlich werden wir mal interviewt.“
Er rieb seine feuchten Hände aneinander und setzte sich erwartungsvoll auf. Seine Wünsche waren schneller in Erfüllung gegangen, als er erwartet hatte.
Cool, Mensch, wo gräbst du nur alle diese Sachen aus?
Spysoftware – Herr Rohm schützt seinen Computer nur sehr unzureichend.