Robert Hültner: Fluch der wilden Jahre

Ein Geschlagener ist er, der Ex-Kripomann Türk, der jetzt bei der Münchner Schutzpolizei Dienst tun muss. Degradiert, misstrauisch beäugt, gegen die Oberen grantig dickköpfig stur, wie einst der Glausersche Wachtmeister Studer fast, den sie wegen einer „Bankenaffaire“ geschasst hatten.

Und das Leben und der Krimi lassen dem Türk keine Ruhe: Wo er ist, ist Mord, wo Mord ist, verfolgen die ehemaligen Kollegen falsche Spuren und nur der Türk sieht, dass sie falsch sind. So, als der Baulöwe von fremder Hand in die Tiefe gestoßen wird und gleich ein leicht weltfremder Antiquar, der um sein Geschäft und sein Zuhause bangen muss, als Täter parat steht. Da kann der Türk nicht tatenlos zusehen und macht sich also ans Aufklären.

Das pittoreske München, die kleinen Leute, die hübschen Häuschen, nach denen der Profit gierig seine Pranken ausstreckt: Robert Hültner hätte keine bessere Topografie für den „Fluch der wilden Jahre“ finden können. Dieses ist der zweite Fall für Türk, den Ex, davor war Hültner mit seinem Inspektor Kajetan erfolgreich gewesen. Jetzt geht es, wie schon der Kollege anlässlich des →ersten Falls geschrieben hat, sprachlich und geschichtlich etwas gemütlicher zu, obwohl: Mit der Geschichte, diesmal der jüngeren, hat er’s halt, der Autor.

„Fluch der wilden Jahre“: Das sind die Jugendsünden der sogenannten 68er, ihre Flucht vor der Jugend oder ihr anachronistisches Verbleiben in derselben. Der Baulöwe und sein Kompagnon, der Antiquar und sein schreinernder Nachbar, der Anwalt – irgendwie auch ein bisschen der Türk: Sie alle waren einmal alternativ und links und anders. Einige haben die Ideale verraten – wie nicht anders zu erwarten. Und hier, liegt eine eklatante Schwäche des Buchs: zu konstruiert. Wie überhaupt: ein wenig zu zufallsschwanger kommt es daher, vielleicht nicht mehr als in anderen Krimis auch, aber hier, wo Hültner wirklich erzählerisch schöne Miniaturen des Milieus gelingen, wirken sie eine Spur zu fremd, zu gewollt, zu schematisch halt. Man spürt, dass es da Abgründe gibt, nur: Man kann nicht hineinschauen. Für einen guten Krimi reicht das allemal, was Hültner auffährt, ein sehr guter hätte zu differenzieren gehabt, auch auf die „Gefahr“, das Manuskript um 50 Seiten zu verstärken.

Der Roman liest sich flüssig, hat seinen eigenen, leicht bayernden Ton, der aber erkennbar Kunstsprache ist und nicht die schlechteste. Wieder ein „Wer-wars“, bei dem es nicht darauf ankommt, wer’s denn nun am Ende war. Sprachlich also über dem Durchschnitt, atmosphärisch ansprechend – bloß dass Robert Hültner thematisch ein wenig verschenkt, obwohl man ihm mehr zutraut, trübt die Freude ein wenig.


Robert Hültner: Fluch der wilden Jahre. Btb 2005. 9 €

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