Unser Bild vom zweiten Weltkrieg in Europa wird zumeist vom Kampf zweier gigantischer Kolosse um das weitere Schicksal des Kontinents dominiert – letztlich natürlich zurecht. Es ist das Verdienst von Autoren wie Eric Ambler oder Alan Furst, dass wir die mühsamen Versuche der kleineren Länder Europas, ihr Überleben zu sichern, nicht aus den Augen verlieren.
Graham arbeitet als Ingenieur bei einem Rüstungskonzern. Der zweite Weltkrieg ist gerade 3 Monate alt. England und die Türkei haben einen Pakt geschlossen und Graham wird in die Türkei geschickt, um die waffentechnische Aufrüstung türkischer Schiffe vorzubereiten. Am letzten Abend seines Aufenthaltes wird er Opfer eines Überfalls und dabei fast erschossen.
Graham ist ein für Ambler typischer Protagonist. Eigentlich ist er kein Held, kein Typ der sich im Kugelhagel wohlfühlt und den Umgang mit zwielichtigen Gestalten pflegt. Nein, er ist ein versonnener Mensch, Kanonen sind für ihn die Lösung einer Abfolge mathematischer Formeln, die es einem ermöglicht, auf Knopfdruck ein Projektil über eine größere Entfernung in Ziel zu bringen. Er liest gerne und freut sich daran, dass seine Frau populär ist. Und nun das … natürlich war der Überfall nicht von einem ungeschickten Einbrecher verübt worden … er findet sich plötzlich auf einem Schiff im Mittelmeer und fragt sich, was als nächstes passiert.
Plötzlich ist Graham wichtig. Der deutsche Geheimdienst will ihn und sein Wissen aus dem Weg schaffen und der türkische Geheimdienst, dass er sicher nach England kommt. Helden, so die Botschaft Eric Amblers, werden nicht geboren, sie entspringen dem Zufall.
„Journey into Fear“ ist kein Whodunit klassisch britischer Prägung und nur bedingt ein moderner Thriller. Heutige Autoren würden das alles etwas rasanter erzählen. Sie würden vielleicht nicht so wie Ambler Spannung nebenher schaffen, sondern mit atemstockender Gründlichkeit. Sie würden die verschiedenen Personen des Buches vollpumpen mit Konflikten, dass der Plot nahezu berstet, und sehr wahrscheinlich würden sie nicht so gelungen die Personen darstellen und dem Buch eine Dimension geben, die aus dem Krimigeschehen herausführt.
Das Buch beschreibt schließlich Ereignisse, die eine Zäsur im Leben Grahams darstellen. Aus so einem Abenteuer, wenn man es denn überlebt, geht man nicht unverändert heraus. Seine Personen haben Tiefe und die Szenerien Plastizität, Ambler ist ein erstklassiger Schriftsteller, der sehr nüchtern schreibt. So dass immer ein wenig die Gefahr besteht, seine Qualität zu „überlesen“.
Wie in den anderen Büchern seiner frühen Periode ist es auch ein Buch, in dem sehr stark politisiert wird. Man kann sich gut vorstellen, dass Ambler für die Art und Weise, wie die Eigentümer von Rüstungsfirmen in diesem Buch wegkommen, zum Zeitpunkt als es auf dem Markt kam (Sommer 1940), mächtige Kritik erhielt. So ist dann der Titel des Buches sowohl eine Ankündigung der Seefahrt Grahams und dessen, was da auf ihn zukommt, als auch eine Metapher für das, was in Europa passieren wird. Ein unterhaltsames und lesenswertes Buch.
Eric Ambler: Journey into fear. Vintage Books USA 2002. 288 Seiten, 11,50 € (deutsch als "Die Angst reist mit". Diogenes 1996. 298 Seiten, 9,90 €)