Gil Adamson: The Outlander

Im Prinzip ist die Frage, ob oder ob nicht ein Buch als Krimi zu beurteilen ist, für mich nicht so wichtig. Aber ich will nicht verhehlen, dass es mich manchmal irritiert, mit welcher Selbstverständlichkeit Leser/Rezensenten die Bezeichnung übernehmen, ohne sie zu hinterfragen. In den letzten drei Jahren habe ich hier beim Hinternet einige Bücher besprochen, die eher nicht dem Krimi zuzurechnen sind – ohne dass ich das thematisiert hätte. Aber „The Outlander“ führt doch zur Frage, wer denn das festlegt, wer die Meinungsführerschaft hat ? Dem Umschlag des Buches oder der Vita der Autorin entnehme ich die Angabe Krimi nicht, die Besprechungen im englischsprachigen Raum liefern auch kaum einen Hinweis hierzu, diese beziehen sich allenfalls auf „suspense“, aber der wird ja nun in zahlreichen Büchern erzeugt, ohne dass diese als Krimi bezeichnet werden.

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Peter Robinson: Piece of my Heart

Es scheint so, als wenn Peter Robinson stillste Gebete erhört hätte. Rätselkrimis der gehobenen Qualitätskategorie sind mittlerweile ziemlich selten geworden. Thriller, psychologisch inspirierte Krimis und literarisch dominierte Bücher haben sich ziemlich breit gemacht auf dem Feld des Krimis. Nicht, dass es bei diesen Defizite bezüglich Qualität und Unterhaltung gäbe, aber ab und an dürfte es dennoch ein stimmiger und überzeugender rätselbetonter Krimi sein.

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Katie Estill: Dahlia’s Gone

Das Buch ist gewissermaßen Pflichtlektüre für alle diejenigen, die zu den üblichen sinnlosen Versuchen zu Abgrenzung von Büchern ein Beispiel suchen. Geschrieben von einer Frau, mit drei Frauen im Mittelpunkt, zudem Frauenthemen im Bibelgürtel bei den Rednecks, Genderliteratur also? Der grausige Mord an einer jungen Frau, sexuell aufgeladen, fast schon ritualisiert wirkend, die Frauen drumrum voller Angst und Sorge zurücklassend, Suspense also?

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Derek Nikitas: Pyres

„Coming of Age“ bezeichnet im englischsprachigen Raum Entwicklungsromane, in denen das Erwachsenwerden eines Menschen dargestellt wird. „Pyres“ erzählt die Geschichte von Lucia Moberg, geboren am 13.12., dem Tag der heiligen Lucia und nach dieser benannt. Sie ist die Tochter von Oscar, seines Zeichens Professor für englische Sprache am regionalen College, und ein mehr oder wenig gewöhnliches 15 jähriges Mädchen mit den üblichen Interessen, Sorgen, Problemen. Dann wird vor ihren Augen ihr Vater erschossen und später verliert ihre Mutter die Kontrolle über sich. Das Buch beschreibt, wie Lucia versucht, die Ordnung in ihrem Leben zu wahren und zu verstehen, was eigentlich nicht zu verstehen ist.

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Ken Bruen: Priest

„Priest“ ist vermutlich das bisher beste Buch der Jack Taylor Serie von Ken Bruen. Nicht nur, dass Taylors Geschichte, die immer auch als Leinwand dient, auf der sich die einzelnen Episoden abspielen, nahtlos ans Vorgängerbuch anschließt und dessen Geschichte logisch fortentwickelt, sondern die Geschichte, die Priest erzählt, ist, wenn auch nicht besonders komplex, so doch vom Detektivischen her stimmig.
Schon der Anfang des Buches enthält im Kern all das, was an Themen wieder vorkommen wird und ist darüber hinaus berührend, witzig und flott, wie es nur wenige erste Szenen sind. Taylor hat es nach den Erlebnisssen des letzten Bandes erwischt: Fünf Monate lang verbringt er in der Irrenanstalt und lebt in einem Stupor, aufrechterhalten im Zweifel auch durch Psychopharmaka, ohne Kontakt und Erinnerung, bis dann einem Mitinsassen die passende Ansprache gelingt.

Die innere Leere und Zerstörung Taylors ist immens. Müde und ausgebrannt kommt er aus der Anstalt nach Hause und gerät schneller wieder unter Druck, als ihm gut tun kann. Ridge, die ihn abholt, Tochter eines alten (natürlich verstorbenen) Freundes und selber bei der Polizei, entdeckt einen Stalker, der sie verfolgt und bittet Taylor um Hilfe. Gleichzeitig bittet ihn Malachy, gehasster Priester und ehemaliger Vertrauter von Taylors verstorbener und gehasster Mutter, den Tod eines dekapitierten Priester zu untersuchen. Und dann ist da noch ein alter Freund, der abgestürzte und verschwand, nachdem seine kleine Tochter verstorben war.

Bei all dem wechselt Taylors Gemüts- wie Geisteszustand häufig. Momente von Klarheit und fast Heiterkeit wechseln mit rabenschwarzen Empfindungen, bei denen Taylor der nächsten Kneipe schnurstracks zusteuert und man als Leser die Guinness oder sonst welche Reklame für Alkoholika verdammt, weil sie Taylor auf die Idee bringen, die Alkoholabstinenz zu beenden. Lichtblick seines Lebens ist Cody, ein junger Mann, der sich an ihn ‚ran schmeißt, mit ihm eine gemeinsame Detektei aufziehen möchte und für den Taylor fast väterliche Gefühle hegt.

Das Leben, eine Achterbahn also; die Aufgaben lösbar, sind sie doch Folgen emotionaler Zustände, die Taylor nur zu vertraut sind. Das Ganze bruchlos miteinander verknüpft und erzählt, so poetisch und witzig, dass man weinen möchte. Wie immer bei Bruen verankert in der Popkultur und klug beobachtet. Darüberhinaus beschäftigt Bruen, Taylor und den Leser der Einbruch der US-amerikanischen Kultur in den irischen Sprach- und Gesellschaftraum. Kaum eine Seite vergeht, auf der Taylor nicht von einem Beispiel des Bedürfnisses der Iren berichten kann, sich in der amerikanischen Kultur zu verlieren.

Wenn man denn möchte, könnte man aber auch feststellen, dass „Priest“ ein Buch über den Fluch der bösen Taten ist. Nichts, so zeigt es, währt länger als das Gedächtnis einer Verletzung.

Ken Bruen: Priest. 
St. Martin Minotaur 2008. 304 Seiten. 9,99 €
(noch keine deutsche Übersetzung)

Vicki Hendricks: Cruel Poetry

Renata ist eine Sonne: Nur wer aber den rechten Abstand wahrt, den wärmt sie, wer ihr aber zu nahe kommt, der verglüht. Die sorgenfreie und ausgeglichene Frau ist jung, sexy und setzt scheinbar den besonderen Stoff frei, der alle, Frauen wie Männer, in seinen Bahn schlägt. Und Sex, Lust empfinden, Vergnügen spenden und Geld verdienen, ist wiederum der Stoff, der sie antreibt. Nicht, dass sie eine Strassendirne wäre, aber der gelegentliche Lustexzess allein oder gemeinsam mit ihrem Lover mit ausgewählten einzelnen Kunden oder Pärchen darf’s schon sein.

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Kris Nelscott: Days of Rage

„Days of Rage“ spielt im Oktober 1969 in Chicago und beginnt just mit jenen „Tagen des Zorns“, initiiert von den Weathermen, einer militanten Bürgerrechtsbewegung, anlässlich einer Unrechtsgerichtsverhandlung gegen eine Gruppe linker, überwiegend weißer Aktivisten, die wegen der Anstiftung von Krawallen angeklagt wurden, die sich im Jahr zuvor, während des Präsidentschaftsnominierungskonventes der Demokraten im Zusammenhang mit anti-Vietnam Demonstrationen entwickelt hatten.

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Benjamin Black: Christine Falls

Benjamin Black ist das offene Pseudonym von John Banville, der 2005 den Man Booker Prize, den bedeutendsten Literaturpreis des Commenwealth und Irlands gewann. Groß war die Neugier, hoch die Spannung, ob der Romancier bei seinem Ausflug ins Genre den richtigen Ton trifft, oder ob hier wieder ein „seriöser“ Autor versucht, durch den Erfolg des Genres dazu zu verdienen – was John Banville wohl nicht unbedingt nötig hätte.

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Rolo Diez: Wüstenstaub

Mexiko-City. Die größte, schmutzigste und wildeste Stadt der Welt? Möglich. Auch wenn Rolo Diaz‘ Buch Wüstenstaub dort spielt, ganz so heftig kommt es nicht. Aber Diaz lässt uns jede Seite des Buches wissen, dass wir in Mexiko sind. Das Land, korrupt und prädemokratisch liefert nicht nur den Hintergrund, vor dem die Geschichte des Buches sich abspielt, sondern es ist Objekt der Gedanken von Carlos Hernandez.

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David Peace: Nineteen Seventy Seven

Die Lektüre ließ mich ein wenig ratlos zurück. Also habe ich getan, was ich sonst nie tue, bevor ich fertig mit dem Schreiben bin: Gelesen was andere schreiben. Hilft aber auch nicht weiter: Verunsicherung scheint vorzuherrschen. Allein Lars Schafft frönte der ungebremsten Euphorie, um, so scheint’s fast, im nächsten Werk auf den Boden der peace’schen Wirklichkeit zurückgeholt zu werden. Fast könnte man meinen, dass dpr’s kubistische anti-Kritik in der Struktur dem Wesen des Werkes Peace‘ am besten entspricht.

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Ann Cleeves: Raven Black

Die Shetlandinseln sind eine nördlich von Schottland in der Nordsee gelegene Inselgruppe. Klima und Landschaft sind nicht extrem, aber recht rau. Ann Cleeves Buch „Raven Black“ spielt auf der Hauptinsel, am Rande der Hauptstadt Lerwick. Eine junge Frau, eine Schülerin noch, wird erdrosselt aufgefunden. Für die lokale Bevölkerung scheint auch der Schuldige ausgemacht: Magnus Tait. Schließlich stand er auch in Verdacht, vor elf Jahren die junge Catriona Bruce umgebracht zu haben. Die Polizei allerdings, die lokale wie die hinzugezogene vom schottischen Festland, will es sich so einfach nicht machen.

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Louise Penny: Still Life

Three Pine ist ein kleiner geschaulicher Ort im Umland von Quebec, Kanada. Hier lebt man, weil man hier schon immer gelebt hat oder weil man sich zurückziehen möchte vom Lebenskampf der Großstadt. Jane Neal zum Beispiel. Sie ist im Ort geboren und hatte jahrelang in der örtlichen Schule unterrichtet, bis diese geschlossen wurde. Nun ist sie pensioniert, dilettiert als Malerin und ist Teil eines Freundeskreises von Künstlern und Kunstsinnigen.
Eines Tages wird Jane von einem Jagdpfeil getötet aufgefunden. Und während in der kleinen Ortschaft die Betroffenheit noch groß ist, rückt Chefinspektor Armand Gamache von der Surete du Quebec mit seinem Stab an und lässt sich im örtlichen Gasthaus nieder. Es entwickelt sich ein etwas eigenartiges Schauspiel. Während der Leser aufgrund der ganzen Anlage des Romanes (es handelt sich um einen Cozy) davon ausgehen dürfte, dass es sich bei dem Tod Janes um einen Mord handelt und dass der Täter im Freundeskreis zu suchen ist, scheint der gute Chefinspektor von einem Jagdunfall auszugehen und versucht den verantwortlichen Unglücksraben ausfindig zu machen.

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Joseph Wambaugh: Hollywood Station

Zehn Jahre sind seit Joseph Wambaughs letztem Buch vergangen. Stile und Leser haben sich in der Zeit gewandelt. „Hollywood Station“ ist also eine Art Comeback … und was für eins. Hier kommt alles zusammen, was ein gutes Buch ausmacht. In zahlreichen wechselnden Perspektiven erzählt Wambaugh den Alltag des Polizeireviers in Hollywood im Jahre 2006. Da wird nicht nur die Geschichte der Aufklärung eines Verbrechens erzählt, sondern das Leben der Polizisten und Verbrecher in kurzen Episoden und Anekdoten dargestellt. „Hollywood Station“ ist dabei so schonungslos wie witzig.

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Joseph Finder: Killer Instinct

„Killer Instinct“ ist ein weiterer der „Corporate Thrillers“, mit denen Josef Finder in den USA zur Zeit viel Erfolg hat. Es sind Bücher, die im gehobenen bis hohen Management von großen Firmen spielen und in denen die Helden mit genau den Gemeinheiten konfrontieren werden, von denen wir alle glauben, dass ihre realen Vorbilder mit ihnen tagtäglich zu tun haben. Darüber hinaus geraten sie aber in Situationen, die sie ganz anders bedrohen. Die, wie man so sagt, den ganzen Mann fordern.

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