Die Eifel. Der Krimi. Berndorf. Und dazwischen immer mal wieder ein Abstecher in die hohe Politik (das unfassbar schwache „Eine Reise nach Genf“ um den Barschel-Fall) und den Dreck der Geheimdienste. Nun bin ich weder ein „Fan“ von Eifel-Berndorf (obwohl er einer der erträglichsten Schreiber von Regionalkrimis ist) noch generell von Polit-Spionage-Thrillern. Der Verriss von „Requiem für einen Henker“ scheint also vorprogrammiert.
Ein älteres Werk (1990) des Autors ist das, dies vorweg, ebenso wie „Der letzte Agent“, das der kbv-Verlag voriges Jahr veröffentlichte. Aktzeit also: Ende der Achtziger Jahre, die Welt ist im Umbruch, doch die Geheimdienste haben davon noch reichlich wenig mitbekommen. Siggi Baumeister sitzt in seinem Eifelkaff, seine Katze ist schwanger, er entsprechend nervös. Dann ein kleiner schmutziger Auftrag, das Privatleben eines Bonner Politikers soll an den Pranger, Baumeister macht sich auf ins Bundesdorf, geht, nachdem sich alles als Windei entpuppt hat, noch ein wenig im Regierungsviertel spazieren und stolpert über eine Leiche. Ein Penner, erschlagen. Ein Penner? Natürlich nicht. Ein mysteriöser Typ, Nähe zu Ministerien, Nähe zum Geheimdienst. Und ehe er sichs versieht, steckt Baumeister in einem sensationellen Fall, der tendentiell geeignet scheint, die Fundamente der Republik zu erschüttern…
Mal ganz grundsätzlich: Ich habe keine Ahnung, wie Geheimdienste „funktionieren“. Ein bisschen Zeitunglesen und Fernsehen sagen mir jedoch, dass es weder so propper abgeht wie in James-Bond-Filmen noch so kalkuliert wie bei John Le Carré. Jedenfalls heute nicht mehr. Vielleicht ist wirklich alles so, wie es Berndorf fabuliert: Man muss nur die Hinterbliebenen der Opfer kontaktieren, die sind sämtlich mitteilungsbereit, man braucht ein bisschen Glück und eine taffe Frau, „die Gräfin“, an seiner Seite, und schon hat man die Staatsgeheimnisse geknackt. Irgendwo rennen Killer herum, die wie Killer agieren. Eiskalt, durchtrainiert, skrupellos. Und russische Agenten, die „Rasputin“ heißen und vielleicht für die Gegenseite arbeiten. Und doofe Staatsanwälte und Polizisten, die einem alles erzählen, was man wissen will.
Eigentlich könnte man diesem Buch das vorwerfen, was man allen Eifel-Krimis Berndorfs vorwerfen könnte: Etwas zu viel des Zufalls, die Menschen zu offen, zu redselig, die Intuition des Detektivs entschieden zu übermenschlich. Na gut. Aber dann müsste man auch die unbestrittenen Vorzüge des Autors Berndorf nennen: Er kann schreiben. Sein Siggi Baumeister ist ein Mann mit Charakter, vielleicht nicht „lebensecht“, aber das ist in Romanen nie jemand wirklich, Hauptsache, die Personen funktionieren im Text und lassen sich mit ein wenig Phantasie in die Wirklichkeit heben, ohne dort gleich an Blutarmut zu krepieren.
Überhaupt: Jenseits aller Bedenken funktioniert „Requiem für einen Henker“ als Kriminalroman gut. Warum aber? Beginnen wir beim Personal. Es ist, ich sagte es schon, auf den Roman zugeschnitten und erfüllt seine Rollen. „Die Gräfin“ etwa oder die Witwe des getöteten Polizisten oder die Freundin des ermordeten Journalisten. Im Roman agieren sie logisch, in der freien Wildbahn des Lebens dürfte man solche Typen selten treffen, aber, auch das wurde schon erwähnt, macht ja nichts.
Dann Berndorfs Stil: Klar, bei diesem ungeheuerlichen Fall, den Baumeister da aufrollt, wird er gelegentlich moralisch, ja, politisch-moralisch. Aber es passt. Es fügt sich in die Diktion des Textes und wirkt nicht, wie bei so vielen anderen, einfach aus irgendeiner Zeitung ausgeschnitten und lieblos in den Roman gepappt. Man merkt, dass Berndorf alias Preute vom wirklich professionellen Journalismus herkommt, alte Schule, da schrieb man noch pointiert und ließ das Chichi Chichi bleiben.
Schließlich die Dramaturgie. Berndorf vermag es, die Spannung zu steigern, durch immer neue Verwicklungen, die aber so klar rüberkommen, dass sie das Leserhirn nicht heillos verwirren. Gut, manchmal wirkt das ein wenig arg konstruiert, etwa wenn Baumeister die Pressestelle der Dortmunder Polizei betritt und schnurstracks jener Person in die Arme läuft, die ihm die entscheidenden Informationen geben kann. Oder unter all den Bonner Pennern zielstrebig den herausgreift, der erhellende Hinweise gibt. So geht’s halt zu in Romanen, die den Gesetzen des Genres folgen müssen.
Und so geht denn alles seinen spannenden und kurzweiligen Gang: Baumeister und die Gräfin mischen Bonn und abstecherweise auch Ibiza auf, zwischendurch immer mal wieder ins Eifel-Refugium, wo die Katze inzwischen Mutter geworden ist und auch der große Showdown stattfindet. Der nun eben nicht die völlige Klarheit harmlos-netter Kriminalromane bringt und alle Bösen in Handschellen legt. Wir befinden uns hier schließlich mitten in der Hochpolitik, also jenseits von gut und böse, und da wäre ein vollkommenes Happyend der kapitalste Fehler von allen.
Jacques Berndorf: Requiem für einen Henker.
Kbv 2006. 309 Seiten. 9,50 €
Hallo dpr,
ich habe vor kurzem „Ein guter Mann“ von Berndorf gelesen. Ein Großteil deiner Aussagen lässt sich 1 zu 1 auf dieses Buch übertragen; es könnte fast meine Rezension zu diesem Buch sein (wenn ich so schön formulieren könnte wie du, schleim 🙂
Bei Autoren wie Berndorf ist es (fast) völlig egal, was sie schreiben, allein die Art ihres Erzählens ist ein Genuss.
Wobei „Ein guter Mann“ mir von der Arbeit der Geheimdienste im hier und jetzt einen Eindruck verschafft hat, der mir hilft, vieles, was ich als politisch interessierter Mensch zur Kenntnis nehme , einzuordnen. Geheimdienste sind ja ständig ein Thema, ein politischer Faktor.
Gruß
thomas
Hallo,
wobei ich mich etwas gewundert habe, dass „Ein guter Mann“ (das ich selbst nicht gelesen habe) wenig rezensiert wurde. Oder täusche ich mich? Kam mir jedenfalls so vor. Berndorf ist das Paradebeispiel für die Wichtigkeit eines abgeklärten und disziplinierten Schreibstils.
bye
dpr