Jeffrey Eugenides: Middlesex

Die Warnung zu Beginn des Buches ist ganz schön kühn: der Erzähler schickt entschuldigend voran, er könne manchmal ganz schön homerisch werden. Die bevorstehende Geschichte habe also etwas vom wohl berühmtesten griechischen Epos. Klingt vermessen. Aber um´s kurz zu machen: er darf das. „Middlesex“ gehört zu den besten Geschichten, die man sich überhaupt ins Bücherregal stellen kann.
Auch die andere Pointe gibt der Erzähler gleich zu Anfang preis: er ist Hermaphrodit. Als Mädchen geboren und erzogen. Aber in Wahrheit ein Junge. Als der er später gewissermaßen zum zweiten Mal geboren wird.

Aufgehängt an diesem Detail rollt der Erzähler nun seine komplette Familiengeschichte auf. Beginnend im jungen 20. Jahrhundert im griechischen Teil der Türkei – mit der unerhörten Geschichte seiner Großeltern, die später nach Amerika auswandern. Es wird eine verrückte, üppige und rasante Story um eine Einwandererfamilie. Mit all deren Eigenarten und Skurrilitäten. Nebenbei ist es aber auch eine Geschichte Amerikas im 20. Jahrhundert. Mit Rassenunruhen und Mondlandung, den neuesten Cadillac-Modellen und einem Haus im Stil von Frank Lloyd Wright… Und die Geschichte eines Teenagers, der scheinbar ganz normale Pubertätswirren durchlebt. Und doch irgendwie anders ist…

Auf über 700 Seiten leidet und lacht man mit der Familie. Man schüttelt den Kopf, gruselt sich und lässt verblüfft den Mund offen stehen. Während der Erzähler sein raffiniertes erzählerisches Füllhorn ausschüttet. In wahnwitziger Geschwindigkeit und packend bis zum letzten Buchstaben. Witzig und exzellent geschrieben. Sinnlich, aber nie kitschig. Wie gesagt: eine der besten Geschichten, die man sich ins Bücherregal stellen kann. Nachdem man sie gelesen hat, natürlich.

Jeffrey Eugenides
Middlesex
Rowohlt Tb.
VÖ: 1.11.2004

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