Der letzte Huelsenbeck

An allem ist zu zweifeln.“ Noch bevor die Story beginnt, wird schon mal gewarnt. Dem kuscheligen Gefühl, Bescheid zu wissen, soll’s hier an den Kragen gehen. Und in diesem Punkt werden Leser und Protagonisten im selben Boot sitzen. „Der letzte Huelsenbeck“, der Debüt-Roman von Christian Y. Schmidt, ist die Geschichte eines circa 60jährigen Mannes, der sich an eine Episode seiner Jugend erinnert: die Amerikareise 1978 mit einer Gruppe von Freunden, genannt „Die Huelsenbecks“, wobei: Freunde? Eher eine Clique oder Gang.

Der „Held“ hat eigentlich ein interessantes Leben: Reisejournalist, kommt rum in der Welt, heiratet eine Chinesin – obwohl er keine Ambitionen hat, ein bürgerliches Leben zu führen – , hat sogar Geld,  ist aber trotzdem kaputt und unglücklich. Und kann einfach nicht von seiner Vergangenheit lassen, den „Huelsenbecks“, die wild wie die Dadaisten sein wollten. Die Erinnerungen des Erzählers sind es definitiv. Vor allem entwickeln sie sich ganz anders, als man denkt. Sehr spannend, sehr unterhaltsam. Ein turbulenter Ritt, gewürzt mit trockenem Humor. Ein Schelmenroman, allerdings ein über weite Strecken sehr trauriger.

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Pattie Boyd: Wonderful tonight

Nein, die Single, die ihm seine Freundin damals zusammen mit ihrer WG-Genossin in der kleinen Bude vorspielte, mochte er nicht. „We played him „My boy Lollipop“ by the Jamaican artist Millie Small, which we both thought was great. He couldn´t believe we liked such an awful song.“ Der Mann hatte Geschmack. Er hieß George Harrison.

Und sie war die Frau an seiner Seite, seine erste Ehefrau. Viel wusste man nicht über sie. Aber cooler konnte ein Leben doch nicht sein: Sixties-Model im Swinging London, Beatle-Gattin, Clapton-Gattin, Adressatin wundervoller Liebeslieder wie „Something“, „Layla“ und „Wonderful tonight“.

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2raumwohnung: 36 Grad

Es muss da so eine Kiste geben, und wenn sie geöffnet wird, steigen lauter schöne Dinge daraus empor. Kleine, bunte Schmetterlinge. Blüten. Sterne. Petits fours. Aber auch mal manch graue Wolke. Wunderschöne allerdings nur, natürlich. So stell ich mir das vor, wenn 2raumwohnung mit ihren Ideen für ein neues Album ins Studio gehen.

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Zweiraumwohnung: Besser gehts nicht

Das Lied kommt unspektakulär daher, ist aber mal wieder das, was Zweiraumwohnung am besten können: der perfekte Popsong.
Zugegeben, „Nimm mich mit“ war spektakulärer, „Elaine“ origineller, „Wolken ziehen vorbei“ magischer. Am ehesten kommt „Besser geht´s nicht“ noch „Wir trafen uns in einem Garten“ nahe. Schrammelige Gitarren, dezente Elektronik, die im Laufe des Songs immer mal wieder stärker auftaucht. Wie der Froschkönig, der die goldene Kugel vom Grund des Brunnens hochbringt. Und wieder abtaucht. Viel Understatement und Nonchalance – der Song wirkt so dahingesungen, fast wie nebenbei. „Hingeworfen“, mit ein, zwei Federstrichen, würde man in der Malerei sagen. Eine Skizze von einem Lied: leicht, luftig, aber trotzdem erdig.

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Grimms Märchen

Was mussten die armen Grimms Märchen nicht schon alles mitmachen?! Das Schlimmste waren wohl ihre Übersetzungen in „total krasse“ Jugendsprech. Oder die Verfilmungen mit Otto und jüngst den Comedynasen eines Privatsenders… Nun gut, als Bilderbücher gibt´s es sie auch zuhauf. Und das, obwohl Märchen doch traditionelles Erzählgut sind. Also was für die Ohren.

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Dirty Pretty Things: Waterloo to anywhere

Jetzt sind Punk und Pop versöhnt, wenn nicht gar verheiratet. Wahnsinn, tönte es Anfang der 90er. Als Nirvanas „Nevermind“ erschien. Aber was noch viel wahnsinniger ist: Punk und Pop sind schon wieder miteinander im Bett gelandet. Und diesmal klingt es ganz anders. Das Quartett aus England, um das es hier geht, wird von Carl Barat angeführt. Und der spielte einst mit Pete Doherty bei den Libertines. Genau wie der Drummer der Band. Und der Gitarrist hat ebenfalls Libertines-Meriten: er ersetzte Doherty nach dessen Weggang.

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Kaiser Chiefs: Employment

Für eine Nähmaschine sind die Kaiser Chiefs ganz schön musikalisch! Zackig, mit der Präzision und Geschwindigkeit der ratternden Nadel feuern sie ihre Akkorde und Silben ab, dass die einem nur so um die Ohren fliegen. Und obwohl ihre Songs sound-technische Gesamtkunstwerke sind – fett und funkelnd, mal geschmeidig, mal scharfkantig -, schaffen sie´s, so einfach und struppig wie der Straßenköter von der nächsten Ecke rüberzukommen.

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1978. Ein Jahr und seine 20 Songs

Wie hieß der Chic-Hit „Le Freak“ ursprünglich? Und wem war er gewidmet? Wo hat sich John Travolta den Tanzstil für „Saturday Night Fever“ abgeguckt? Wer sang „I will survive“ auf Deutsch? Wie war Patti Smith beim Rockpalast-Auftritt drauf? Und wer hat ein ganzes Synthiepop-Album mit Rockklassikern eingespielt?All dies: Wissen zur Musik des Jahres 1978 – mitgeteilt in einem stylischen Büchlein mit minimalistischem Cover. Die CD zum Jahr steckt auf der letzten Seite. Und wer auf das „Lied der Schlümpfe“, Boney M. oder Amanda Lear hofft, der wartet vergebens. Die Schlagworte heißen zwar unter anderem Disco und Pop – aber eben auch Punk, Latin, Soul und Independent. Singer-Songwriter haben hier ihren Platz. Selbst afrikanischer Highlife ist drauf.

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Autofocus

Comedystar ist sexsüchtig, verliert seine bürgerliche Fassade und wird am Ende umgebracht. Alles echt passiert, nämlich Robert Crane aus „Ein Käfig voller Helden“. Paul Schrader hat´s verfilmt – und man muss es nicht mögen. Man kann sogar über mangelnde psychologische Entwicklung klagen (zu Recht, übrigens). Aber wer Retro-Ausstattungsfilme liebt, so wie ich, der sollte sich „Autofocus“ unbedingt anschauen.

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Jeffrey Eugenides: Middlesex

Die Warnung zu Beginn des Buches ist ganz schön kühn: der Erzähler schickt entschuldigend voran, er könne manchmal ganz schön homerisch werden. Die bevorstehende Geschichte habe also etwas vom wohl berühmtesten griechischen Epos. Klingt vermessen. Aber um´s kurz zu machen: er darf das. „Middlesex“ gehört zu den besten Geschichten, die man sich überhaupt ins Bücherregal stellen kann.
Auch die andere Pointe gibt der Erzähler gleich zu Anfang preis: er ist Hermaphrodit. Als Mädchen geboren und erzogen. Aber in Wahrheit ein Junge. Als der er später gewissermaßen zum zweiten Mal geboren wird.

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Christian Bruhn

Was hat dieser Mann nicht alles komponiert: Schlager wie Marmor, Stein und Eisen bricht, Zwei Kleine Italiener, Liebeskummer lohnt sich nicht, Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, oder Ein bisschen Spaß muß sein; TV-Musiken wie Heidi, Timm Thaler, Hey, Hey Wickie oder Captain Future ja selbst Werbemelodien wie die von Milkas zartester Versuchung.

Professor Christian Bruhn wird heute 70 Jahre alt. Ein schöner Anlass für ein kleines Interview. Damm damm:

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La Linea 2

Ja, das kleine Strichmännchen ist wieder da. Noch mehr des ewig schimpfenden, plappernden und manchmal schadenfroh lachenden Männchens auf und aus der Linie.Wieder hat es seinen Zeichner fest im Griff. Wenn´s auf den Roller regnet, muss es zeichnerisch zum Auto aufgestockt werden. Und wenn das über zu holprigen Untergrund rattert, kriegt es Rotoren und Heckflosse und wird zum Hubschrauber. Aber Vorsicht – nicht jeden überstehenden Zipfel der Linie darf man einfach abschneiden. Manchmal ribbelt sich dann die gesamte Linie weg. Auch die Kontur des Männchens…

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La Linea 1

Ich hab gestern abend fast zwei Stunden lang eine Linie angeguckt. Hör ich da schon die Pfleger, die mich gleich abholen kommen? Ja, wahrscheinlich. Denn dieser Abend war auch ein Selbstversuch: wie lange ertrage ich einen bewegten Strich, der cholerische Ausbrüche kriegt, wenn irgendwas nicht nach seinem Gusto läuft?

Ziemlich lange. Und es geht mir wunderbar dabei. Denn die Linie ist natürlich La Linea. Das kleine Knollenmännchen, das nur aus einem weißen Umriss besteht. Jeder kennt es: es schlendert immer auf einer weißen Linie entlang, die eigentlich eine Fortsetzung von ihm selbst ist. Im Hintergrund wechseln die Farben, es klimpert lustige Jazzmusik, und aus der Linie wachsen die unmöglichsten und überraschendsten Dinge: eine Treppe, ein Fernseher, Tiere, Frauen, Wellen, Gitter und – Löcher! Ende Gelände. Dann kann das Strichmännchen nicht weiter, denn ohne Linie kein La Linea! Und schon geht das wütende Gezetere los. Geduld ist nicht die Sache des Männchens. Erst wenn die Hand des Zeichners erscheint und die Linie verlängert, kehrt wieder Ruhe ein.

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Herr Rossi träumt

So wie Herr Rossi müsste man leben. Sicheren Büro-Job, dazu einen treu sorgenden Hund und wann immer möglich: Abtauchen in exotische Welten. Abenteuer erleben in poppigen Farbräuschen und psychedelischen Paralleluniversen, mit rasanten Actionszenen, surrealen Mini-Opern, steppenden Tierballetten, betrunkenen Raketen, geklonten Prinzessinnen, rasierten Dschungeltieren und – Entschuldigung. Es ging mit mir durch.

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Dieter Bohlen – Hinter den Kulissen

Na, das wollen doch alle: hinter die Kulissen schauen. Und – soviel ist klar: hier wird hinter die Kulissen geschaut. Lauter Geschichten aus dem Showbiz, von Schönen und Reichen. Von Sternchen und Ludern, von Schlagerstars und Hollywood-Diven, von Musikproduzenten und Wirtschaftsbossen… Ach, es ist eine Fundgrube für Klatsch-Fans. So, wie man´s erwarten durfte.

Das Wichtigste wissen wir eh schon: Thomas Anders ist böse, Hartmut Engler nervig, die Superstars intrigant. Und wenn nicht, hätten wir´s uns eh gedacht. Oder glauben´s auch jetzt nicht.

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