Silvia Kaffke: Blutleer

Blutleer, liebe Silvia, ist dein neuer Krimi nicht. Da sei schon mal beruhigt. Er lässt mich auch nicht totenstill zurück, sondern fordert zur messerscharfen Kritik heraus, die zwar nicht euphorisch geraten wird, aber doch herzensgut gemeint ist.

Beginnen wir mit der Krimistory, die ja das Wesentliche bei einem Krimi sein sollte, aber nicht immer ist. Ein Frührentner bezichtigt sich des sechsfachen Mordes, wodurch er die entlang einer S-Bahn-Strecke durchs Ruhrgebiet verübten Gewalttaten erst zu dem werden lässt, was heutzutage alle Krimischaffenden freut: zum Serienmord.

Dass dieses Geständnis ein falsches ist – der routinierte Leser weiß es natürlich von Anfang an. Wie du nun den Fall entwickelst, das ist solide und nachvollziehbar, die Fäden werden sauber miteinander verknüpft – ein Polizeiroman eben, der die Ermittlungstätigkeiten in den Vordergrund rückt, wohldosierte Action, ein bisschen Psychologie – alles völlig in Ordnung, jedem, der diese Art des Kriminalromans bevorzugt, zu empfehlen.

Im Mittelpunkt von „Blutleer“ steht die Polizeiberaterin Barbara Pross, die Serienheldin zum Serienmord sozusagen, mit dem Universitätsprofessor Thomas verheiratet, der eine Herztransplantation hinter sich hat und nun wieder erstaunlich munter über die Piste schleicht, sprich eine labile Studentin bespringt, was Barbara erfährt und was für alle Beteiligten ziemlich schlecht ist, für Barbara und Thomas, für die Studentin, für den Fall – und, leider, auch für die Leser.

Nein, ich habe nichts dagegen, wenn das Privatleben der Protagonistin thematisiert wird, so lange sich das in die eigentliche Kriminalhandlung integrieren lässt und nicht zu einer Parallelgeschichte, die den Lauf der Dinge hemmt, auswächst. Das gelingt dir auch nicht schlecht. Barbaras labiler Zustand wirkt sich auf ihre Arbeit aus, zumal mit einem neuen Kollegen auch gleich noch eine neue erotische Komponente ins Spiel kommt. Schon der Name des Neuen – Ruben Jakubian – macht Frauen schwach, und zwei Meter durchtrainierter Körper bringen dann wohl gleich alle Dämme zum Brechen.

Ist in Ordnung. Ich bräuchte das ganze Hin und Her zwar nicht – zumal, unter uns, dieser Thomas ein selten blödes Weichei ist, das frau am besten schleunigst zu Muttern heim schicken sollte – aber ich kann damit leben.

Nur: Die Sprache, die du gerade für diese Kapitel zur Verfügung hast, sie ist nicht optimal. Immer wenn Barbara über den desolaten Zustand ihrer Ehe räsoniert, fühlt man sich in eine Broschüre der Eheberatungsstelle versetzt oder auf die Ratgeberseite einer Frauenzeitschrift katapultiert. Dieses Erklärende, das über Trivialitäten nicht hinauskommt, hättest du dir sparen können, es hätte dem Buch gut getan. Warum nicht einfach beschreiben, was in dieser Ehe gerade schiefläuft und die Wertung dem Leser überlassen?

Okay, ich bin da vielleicht überempfindlich. Wenn ich nämlich eins nicht ausstehen kann, dann AutorInnen, die mir beim Lesen helfend und erklärend über die Schultern blicken. Das spricht dafür, dass man der Kraft des eigenen Textes misstraut und sie durch tiefsinnige Erläuterungen stärken möchte. Da stehst du auf der nach oben offenen Chaplet-Skala an einem Punkt, der kritisch werden und das eigentlich gelungene Krimibauwerk „Blutleer“ zum Einsturz bringen könnte. Das wankt, fällt aber (noch) nicht.

Fazit: Du hast mit „Blutleer“ gezeigt, dass du eine originelle Grundidee wirklich gut durchziehen kannst. Das ist dein Talent, nicht das Kramen in Beziehungskisten. Bin mal gespannt, wie’s weitergeht.

Silvia Kaffke: Blutleer. 
kbv 2006. 310 Seiten. 9,50 €

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