Folge 1: Das Interregionale

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Kurz vor dem Offenbarungseid? Mehr Krimis gelesen als Georges Simenon geschrieben hat? Stets bereit, die Tinte aus der Feder sprudeln zu lassen, bevor die Ideen aus dem Hirn fontänen? Mit einem Wort: Skrupellos genug, ein(e) deutsche(r) Kriminalschaffende(r) zu werden? Nun denn, wohlan. In unserer neuen kleinen Sommerreihe erklären wir dir, wie du es schaffst, ein Erfolgskrimiautor zu werden und nach 300 Seiten die ersten Millionen an die Pforte deiner Sparkasse klopfen zu hören. Wir geben dir die ultimativen Ratschläge, wie du wenigstens vier Millionen Krimileser erreichst. Das ist wissenschaftlich bewiesen! Und wie du somit, bei einem durchschnittlichen Honorar von zwei Euro pro Buch (gebunden, Schutzumschlag) 8 Millionen Euro vor Steuern einsacken kannst. Denn vier Millionen mal 2 macht acht Millionen. Das ist mathematisch bewiesen! Beginnen wir mit dem Wichtigsten: den Tatorten.

Jeder Krimi spielt „irgendwo“. Manche Örtlichkeiten sind rein fiktiv, manche aber sind „authentisch“. Manche von letzteren sind sogar so authentisch, dass sie schon fast fremdenverkehrsauthentisch sind und heißen daher Regionalkrimis, weil sie grundsätzlich nur in der Region, in der sie spielen, verkauft werden können. Aber: Dort WERDEN sie auch verkauft.

Unsere erste Überlegung muss also die sein: Wie können wir einen Krimi schreiben, der zugleich Regionalkrimi ist und BUNDESWEIT verkauft werden kann? Die Antwort ist so genial einfach wie der Verfasser dieser Ratschläge einfach genial ist: Schaffe viele Regionen!

Ein Beispiel: Unser Krimi beginnt auf der Insel Rügen, einem beliebten Urlaubsort, wo man Jahr für Jahr Hunderttausende an den Kreidefelsen vorbeiwinkt, die von Caspar David Friedrich gemalt wurden. Merke dir diesen Namen gut, denn er ist Teil des Erfolgssegments „Bildung“ („Da hab ich wieder was gelernt!“), mit dem wir uns in einer späteren Folge beschäftigen wollen.

Auf Rügen also beginnt alles. Aber mit wem? Mit unserem Protagonisten selbstverständlich, der aus Schweden stammt. Aus Schweden? Natürlich! Damit greifen wir ca. 750.000 Schwedenkrimiliebhaber, deren psychische Befindlichkeit wir voll bedienen, indem wir unseren Helden – er könnte Lars Bergström heißen – von Seite 1 bis Seite 300 über Politik und Gesellschaft mosern lassen. Am besten über ein Thema, das allen „unter den Nägeln brennt“, die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Beispiel plus ein Exkurs in die Rechtschreibreform, den genmanipulierten Weizen und das Innenleben eines schmarotzenden Arbeitslosenhilfeempfängers, an dem wir quasi 60 Jahre Sozialstaat kritisch aufrollen, abklopfen und an der Teppichstange aufhängen. Der Leser wird all das kopfnickend zur Kenntnis nehmen, gemütlich in seinem Fernsehsessel sitzend, und sämtliche Kritiker von Rang sowie der Herr Expapst Wörtche werden das Buch lobend rezensieren.

Schon an diesem kleinen Exempel erkennen wir, dass die Wahl des „settings“ inhaltliche Konsequenzen mit sich bringt. Dieses Phänomen wird uns immer wieder begegnen, zum Beispiel jetzt, wo wir uns fragen wollen: Rügen? Na und?

Rügen. Dort beginnt es. Lars Bergström, Privatdetektiv, wird in einen „Fall“ verwickelt, der uns hier aber noch nicht beschäftigen soll. Dieser Fall wird ihn nun – und das ist der geniale Trick – durch GANZ DEUTSCHLAND führen. Ganz Deutschland? Nun, etwas übertrieben. Von einer lukrativen Regionalkrimilocation zur nächsten, das heißt: Wir müssen ermitteln, welche deutschen Regionen beliebt und bevölkert genug sind, um unseren Masterplan der mindestens acht Millionen Euro (ohne Verwertungsrechte!) erfüllen zu können.

Von Rügen könnte es schnurstracks nach Hamburg gehen, einer ziemlichen Großstadt, in der es eine einzige Sehenswürdigkeit gibt: die Reeperbahn. Das ist gut, das ist sehr gut. Denn Reeperbahn heißt: Prostitution. Prostitution wiederum bedeutet: Eine Nutte, die das Herz auf dem rechten Fleck hat, sich in Lars Bergström verliebt, aber sterben muss, bevor Lars Bergström Hamburg verlässt, um zum nächsten lukrativen Ort zu gelangen. Kalkuliere wenigstens 10 Seiten Bordell ein und lass es dabei krachen. Vergiss Mutti zu Hause, vergiss die Missionarsstellung. Mach es eklig, mach es davidpeacig, denk an die Leser zu Hause im Fernsehsessel oder bei der Bettlektüre, sie haben einen schweren Arbeitstag hinter sich und wollen – SCHMUTZIGEN SEX!

Dazu später mehr. Verlassen wir Hamburg und fahren wir – ins Ruhrgebiet. Ruhrgebiet! Alles liegt nah beieinander, Dortmund, Essen, Duisburg, Wanne-Eickel, jeder Ort eine Region für sich. Besorge dir eine ordentliche Straßenkarte, such dir die längsten Straßen aus und glaube mir: Jeder, der in diesen Straßen wohnt, wird deinen Krimi kaufen. Im Ruhrgebiet trifft Bergström auf einen Kioskbesitzer, der ebenfalls das Herz auf dem rechten Fleck hat, sowie einen Zechenbaron, der natürlich nur den Profit will. Er hat eine Tochter, die zwischen den Stühlen sitzt, was sie psychologisch interessant macht, aber auch dazu kommen wir später.

Weiter im Text, weiter auf unserer Reise durch auflagenstarke deutsche Landschaften. Eifel. Okay, die Eifel ist abgegrast, wo der Berndorf hinhaut, wächst kein Bestseller mehr. Aber ein paar Tausend Eifelsüchtige wirst du dennoch abgreifen, und Kleinleservieh macht auch Mist.

Nach dieser Zwischenstation nähern wir uns jetzt: dem Schwarzwald. Jau! Schwarzwald, glaube mir, ist besser als Rhein-Main-Gebiet und Heidelberg zusammen. Eine irre Location, Schwarz + Wald, das hat was, das kennt jeder, das ist so dezent wie der Lärm einer Kuckucksuhr. Im Schwarzwald lernt Bergström Ida kennen. Ida hat das Herz auf dem rechten Fleck, ist keine Nutte, aber eine Frau, in die sich Bergström verliebt. Ida wird nicht sterben – wenn Bergströms Abenteuer ein „Standalone“ bleiben soll. Intendierst du indes eine SERIE, d.h. kriegst du den Hals nicht voll, sind dir die acht Millionen nicht genug – dann allerdings muss Ida sterben, denn der Held darf keine Heldin länger als 100 Seiten neben sich dulden.

Nachdem Ida gestorben ist (wars der Zechenbaron? Unwichtig.) reist Bergström weiter – in die Alpen! Bayern! Da brauchst du sonst gar nichts zu tun, einfach Bayern sagen und schon ist das ganze Lokalkolorit da! In München (auch eine ziemliche Großstadt) lernt Bergström Vera kennen, die das Herz auf dem rechten Fleck hat. Vera ist – Berlinerin. Vera verschwindet plötzlich. Bergström reist ihr nach. Berlin! Eine verdammt ziemliche Großstadt! Lass einen Berliner auftreten, der „Icke lass mir in Scheibn schneidn, wa?“ sagt, und schon schmelzen alle Berliner dahin und ihre Geldbeutel öffnen sich wie Sesambrötchen.

So weit. In der nächsten Folge widmen wir uns der spannenden Frage: Serienmord oder Sexualdelikt? Wie dir die richtige Art des Tötens die Taler in den Kasten hüpfen lässt.

3 Gedanken zu „Folge 1: Das Interregionale“

  1. Ab in die Wortspielhölle, SIE PATZER SIE! Und wie war das mit dem Kommentierverbot? Unmöglich, dass jemand für ein Land sein kann, das wie ein Stiefel aussieht, in dem die Nudeln nicht schön durch sind und dessen alkoholisches Nationalgetränk sich auf Zappa reimt.

    bye
    dpr

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