Die Verschwender

Vielleicht würde ich mir, wenn ich gerade den Lotto-Jackpot geknackt hätte, im ersten Überschwang der Gefühle die nächste Zigarette mit einem Fünfhunderter anzünden. Mag sein. Da ich jedoch mit meinen finanziellen Mitteln haushalten muss (und auch nicht im Lotto spiele), steht dieser unbedachte Akt vorerst nicht zu befürchten. Auch die deutsche Krimiszene müsste haushalten. Und pafft doch jeden schalen Rauch mit der Genugtuung dessen, der gerade einen Fünfhunderter verbrannt hat, in die Luft.

Denn, mal ehrlich, gar so verschwenderisch können die deutschen Krimiverlage wirklich nicht mit den Talenten umgehen. Um die wirklichen Könner zu zählen, genügen die Finger einer Hand. Die andere braucht man für diejenigen, deren Talent immer noch beachtlich ist, eine dritte und eine vierte Hand für die, deren Produktion man als über dem Durchschnitt kategorisieren kann. In etwa. Der große Rest reicht von biederer Konfektionsware bis zum schieren Buchstabenschrott. Dass angesichts dieser Verhältnisse irgendein Talent, und sei es auch noch so bescheiden, durch die Maschen der Lektoren und Literaturagenten rutschen könnte, erscheint ausgeschlossen.

Und doch ist es so. Obwohl ich mich nicht auf die Suche nach „verkannten Talenten“ begeben habe, laufen sie mir immer wieder über den Weg. Die beiden krassesten Fälle sind Peter J. Kraus, ein wunderbarer Erzähler, von dessen laid-back-Stil man hierzulande eine Menge lernen könnte, und, jüngst, Jens Luckwaldt, der seinen originellen „Criminalroman in Briefform“, „Tod in Arkadien“, nach deprimierender Verleger- und Agentenodyssee als book on demand unter das ahnungslose Volk gestreut hat.

Schön; das sind zwei Fälle. Und nicht jeder, der jetzt „Ich bin auch verkannt!“ schreit, ist es zu Unrecht. Aber schon diese beiden Fälle sind zwei zuviel. Zumal dann, wenn man, wie ich es leider tue, die aktuelle Produktion an deutschsprachigen Kriminalromanen sichtet und irgendwann auf den Gedanken kommt, mitten in einem Tollhaus zu sein, wo sich die funktionalen Analphabeten Schriftsteller nennen dürfen, die Verleger nicht entblöden, pure Scheiße zu Geld machen zu wollen, die Lektoren (falls es diesen Berufsstand überhaupt noch gibt) mit der Beachtung der neuen deutschen Rechtschreibung vollauf beschäftigt sind – und die LeserInnen so sehr der guten Kost entwöhnt (oder nie an sie gewöhnt worden), dass sie buchstäblich die blanke Druckerschwärze vom Papier lesen und sonst von einem Buch nichts verlangen.

Andererseits hören wir von Zeit zu Zeit furchtbares Gejammer. Die Rezensenten, allesamt böse, unpatriotische Buben und Mädels, loben alles Ausländische in den Himmel und verdammen alles Deutsche zu ewigem Fegefeuer. Sollte es solche KollegInnen tatsächlich geben (der Vorwurf kommt stets nur als Vorwurf; Belege werden nicht geliefert), nun, ich könnte sie so langsam verstehen, könnte ihren Unmut nachvollziehen, sich erst durch Berge von Mediokrem, Gespreiztem, schier Unerträglichem zu wühlen, um die seltenen Perlen zu entdecken, die es ja durchaus noch gibt.

Ich verstehe auch die Verleger, die – mit dem Zeigefinger auf die Leserschaft weisend – beteuern, sie lieferten nur das, was dem Volk gefällt. Gute Hirten, die sich danach richten, wohin das Lesevieh jahrein jahraus trabt. Okay. Aber wissen diese Leser tatsächlich, was sie wollen? Richten sie sich nicht ihrerseits nach dem ANGEBOT, haben längst die miese Qualität von vielem, was da als „Krimi“ daherkommt, verinnerlicht und zur Richtschnur ihres Geschmacks erhoben? –

Es gibt Beispiele, die das bestätigen und die auch hoffen lassen, ein besseres Angebot werde dankend angenommen. Andrea Maria Schenkels „Tannöd“ etwa. Bescheiden im gewiss nicht zu protzigen PR-Kampagnen fähigen Nautilus Verlag gestartet, von den KritikerInnen entdeckt und unisono euphorisch begrüßt, vom Publikum gekauft, was zwar nicht für Schafskrimistückzahlen reichte, aber die Risikobereitschaft des Verlages belohnte, ein Stück anspruchsvoller und origineller Kriminalliteratur in den Morast des Marktes zu setzen. Und siehe da: Es ist nicht untergegangen.

Ein Beispiel mit Happyend, wovon die erwähnten Herren Kraus und Luckwaldt nur träumen können. Der eine stapelt seine Manuskripte im Schrank (nachdem man ihm, man glaubt es nicht, beschieden hat, er sei „zu alt“!), der andere geht den dornigen Weg des Selbstverlages. Derweil die deutsche Krimiszene an ihrer Provinzialität zu ersticken droht, ihre peinlichen letzten Zuckungen als artistische Großleistungen verkauft, in unregelmäßigen Abständen eine Runde Selbstmitleid und Kritikerschelte einlegt, während man in deutschen Verlagsamtsstuben weiterhin das hohe Lied der Harmlosigkeit singt, den literarischen Bettler zum literarischen König erhebt, während das lesende Publikum alles zu goutieren scheint, was schlecht geschrieben, schlecht erdacht und von einer kaum noch zu überbietenden Langeweile ist – oder aber gleich zu den gehobeneren Produkten aus fremdsprachiger Feder greift.

Verdenken kann man es ihnen nicht. Ändern wird sich wohl so schnell auch nichts. Das Maschinchen dreht sich munter weiter, es ächzt und kracht, aber es dreht sich halt, Angebot und Nachfrage unterbieten sich gegenseitig, und wird der Teufelskreis einmal unterbrochen – siehe Schenkel -, dann schließt er sich schneller als man „Mist!“ sagen kann.

Wer in Deutschland garantiert einen Kriminalroman veröffentlichen will, der schreibe: so simpel wie möglich – so konventionell wie möglich – so fade witzig wie möglich – so stilistisch schludrig wie möglich. Die Literaturagenten werden ihm das Manuskript lippenleckend aus den Händen reißen, die Verlage die Erbärmlichkeit pressetexten zum Ereignis hochlügen. Wer gute Krimis schreiben will, der mache sich hingegen auf manche Enttäuschung gefasst.

Habe ich jetzt übertrieben? Möglich. Aber nur ein wenig.

6 Gedanken zu „Die Verschwender“

  1. Ein beispielhaftes Autorenleben

    Am Anfang schuf der HERR Himmel und Erde. Er zögerte kurz und mußte erschrocken feststellen: Die Erde war ja ganz leer! Und obendrein wüst. Wüst und leer. Eine leere Wüste. Nichts zu sehen, so weit das Auge reichte. Da setzte er sich trotz des Rauchverbotes auf einen Barhocker.
    Und bei der philosophischen Frage, was er wohl als nächstes erschaffen sollte, Feinstaub-Plakette, Ramadan oder die gußeiserne Thermoskanne, entschied er sich für das Paradies.
    Bzw. für die Deutschen Buchverlage.
    Denn der HERR war Schreiber mit unbändiger Passion. In jeder freien Minute schrieb er was das Zeug hielt. Und was er zu Papier brachte, war nicht uninteressant. Einige seiner Krimis waren derart spannend, daß die Beamten in ihren Büros bei der Lektüre regelmäßig ihre Pausen vergaßen – sowie den obligatorischen Ausflug zur Toilette. Was zur Folge hatte, daß sie noch weniger arbeiteten und ihre Vorgesetzten ihnen diese Krimis mit Gewalt entreißen mußten. Um sie selber zu lesen!
    Die Deutschen Verlage aber zeigten sich undankbar und renitent, indem sie männliche Autoren boykottierten. Jedesmal, wenn er ihnen eine seiner inzwischen zu beachtlicher Zahl angewachsenen Arbeiten zusandte, war ihre schriftliche Antwort die gleiche, ohne daß sie auch nur eine Zeile davon überflogen hätten: Leider paßt es nicht in unser Programm, stand auf den Briefen, entnommen aus den mit Abstand gewaltigsten Aktenschränken im ganzen Stadtviertel, die all jene stereotypen Antwortschreiben beherbergten, welche täglich zu Hunderten verschickt wurden; viele davon prophylaktisch. Nie hatte ein Lektor den Mut besessen, zu formulieren: Sie haben kein Talent, lassen Sie es sein! Niemals.
    Der HERR dachte schließlich, die Verlage läsen überhaupt keine Manuskripte! Ihre eigentliche Bestimmung läge im allmorgendlichen Kaffeetrinken und anschließendem Beraten, wen man als nächstes unbesehen ablehnen könne; das jedoch mochte er so nicht hinnehmen. Um sich selbst zu widerlegen, versiegelte er eines seiner Manuskripte mit unsichtbaren Klebestreifen und schickte es an einen der größten Verlage im Lande. Nach einigen Tagen kam es zurück mit dem Vermerk: Wir haben Ihr Manuskript ausgiebig gelesen, leider paßt es nicht in unser Programm! Die Klebestreifen waren unversehrt, das Skript nie geöffnet worden!
    Da sich ein Schriftsteller jedoch erst als ein nämlicher definiert, wenn er ein Buch veröffentlicht hat, hing der HERR mit seiner aktuellen Berufsbezeichnung noch etwas in der Schwebe. Wer er war, wußte er; ansatzweise. Was aber war er? Ein Schreibkundiger ohne Hände? Ein Sänger mit zugenähtem Mund oder ein zungenloser Dolmetscher? Ein Philosoph ohne Gedanken?
    Jahrelang hatte er vergeblich versucht, mit den von ihm und für ihn eigens erschaffenen Editionen in Kontakt zu treten, aber jene schwebten in unerreichbaren Höhen. Gelungen war ihm lediglich eine schüchterne Begegnung der Dritten Art: Auf der Frankfurter Buch-Messe hatte sein sehnsuchtsvoller Blick einen ihrer Stände erhaschen dürfen.
    Die Erkenntnis, daß die Mehrzahl der von Deutschen Verlagen publizierten Schriften aus der Feder weiblicher Autoren stammte, ausländischer zumeist, zwang ihn zu radikalem Umdenken, und der HERR grübelte 14 Tage intensiv. Derweilen ließ er alle Doku-Soaps im Vorabendprogramm sausen, konnte sich aber nicht erinnern, jemals das Weib erschaffen zu haben – das nie zuhört, weil es ständig Schuhe kauft.
    Im Anschluß nahm er – unter seinem Mädchennamen – an diversen Literaturwettbewerben teil und gelangte – zuweilen – in die engere Wahl! Was ihn erstaunte. Vielleicht hätten sich die Verlage doch einmal die Mühe machen und eines seiner Werke flüchtig beäugen sollen? Denn so miserabel, wie ihm von Verlagsseite suggeriert wurde, schienen die Arbeiten nicht zu sein. Er war ja schließlich nicht irgendwer! Drei Wettbewerbe hatte er sogar gewonnen!
    Gut, das mag daran gelegen haben, daß seine Schriften durchweg pornographischen Charakter aufwiesen, was die Juroren allerdings nicht am wiederholten Lesen, an der Vervielfältigung derselben und an der dezidierten Forderung um Nachschub gehindert hatte. Die Preise konnte er aus verständlichen Gründen nie persönlich entgegennehmen, ohne sich als Mann zu erkennen zu geben. Er stand zu seinem Geschlecht.
    Die Erzengel Dieter Bohlen und Bruce rieten ihm – zwischen zwei Talentwettbewerben – sich als Frau zu verkleiden, wollte er als Preisträger in Erscheinung treten. Aber zu gut war ihm der amerikanische Spielfilm Tootsie noch in Erinnerung, und der HERR wollte nicht Gefahr laufen, von einem der Abstimmungsmitglieder hinter die Bühne gezerrt und dort nach allen Regeln seiner eigenen Schriften vernascht zu werden. Seither galt er in jenen Kreisen als die begabte Unbekannte, die sich aufgrund ihres Genies rar macht.
    Monatelang hatte er daraufhin für die Zeitschrift EMMA unter seinem Pseudonym Aphrodite Artikel verfaßt, die eifrig gedruckt wurden. Bis es zum ersten Telefonat kam und man ihn an der Stimme entlarvte. Damit endete seine kurze Kariere als Journalistin.
    Eine Zeitlang befaßte sich der HERR danach mit dem Schreiben von Kochbüchern für Weight Watchers, was ihn aber intellektuell nicht zufriedenstellen konnte. Zu eintönig waren ihm die Rezepte, zu unglaubwürdig die Kalorientabellen.
    Da wechselte der HERR das literarische Revier, schrieb eine wissenschaftliche Abhandlung, in welcher er Albert Einstein und Isaak Newton verglich und nahm die Anekdote mit dem berühmten Apfel, der Newton auf den Kopf gefallen sein soll, während er unter einem Baum über die Gravitation sinnierte, zum Anlaß für eine lustige Geschichte. Die schicktet er an die Zeitung mit den großen Buchstaben. Tags darauf erhielt er eine Absage mit der Begründung:
    ,Einen Roman über Wilhelm Tell gibt es schon seit vielen Jahren.’ Dann nannte sie ihm noch den Autor. Ihrer Meinung nach war er von Karl May.
    Bei der anschließenden Lektüre von sogenannten Bestsellern machte sich in seinem Magen regelmäßig eine klammheimliche Leere bemerkbar, ein Literaturhunger gewissermaßen; sie entsprachen in den meisten Fällen nicht seiner Vorstellung. Da entdeckte er ein dickes, altertümliches Buch, welches in einer archaischen Schrift verfaßt war, schlug es auf und las es begierig.
    Aber auch jene Autoren wiesen eine gewöhnungsbedürftige Schreibweise auf. Sowohl Stil als auch Inhalt animierten ihn zu heftigem Kopfschütteln und wiederholten unkontrollierten Heiterkeitsausbrüchen. Es handelte sich um die Luthersche Bibel.
    Nachdem er sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte, besorgte er sich die Originalschriften, blätterte darin, laß aramäisch, hebräisch, griechisch und hatte eine neue Idee: Er setzte sich an seinen PC und machte sich mit Hilfe der Word-Datei an die Richtigstellung, was einige Zeit in Anspruch nahm, denn der HERR mußte beinahe alles umschreiben, aus dem Gedächtnis die zahlreichen Lücken füllen – und er war mit dem vertrackten Windows-System nicht vertraut. Dennoch schickte er das Resultat hoffnungsfroh an die Verlage und war erstaunt zu hören: Die korrekte Wiedergabe der sogenannten Heiligen Schriften, verfaßt von einem, der es wissen mußte, der zeitweilig dabei war, ein Augenzeuge quasi, paßte auch nicht in deren unendlich vielseitiges Programm. Es interessierte sie nicht!
    Daß gerade die Wahrheit für niemanden von Interesse war, stimmte ihn betrübt.
    Etwas mußte sich ändern, der HERR benötigte Haushaltsgeld; für Parkgebühren, Gitarrensaiten und Mohrenköpfe! Daher entschloß er sich, den Sprung in unbekanntes Terrain zu wagen. Unter Aufbietung aller seiner Kräfte und unter Berücksichtigung seiner unbegrenzten Fähigkeiten gelang es ihm, einen begehrten Posten zu ergattern:
    Er wurde als Empfänger von einer großen Behörde engagiert und trug seither den Namen: Hartz der IV. Mit einemmal standen ihm alle Türen offen.
    Doch dort hineinzugelangen erwies sich als außerordentlich schwierig, denn sobald er sich besagten Türen näherte und erklärte, wer sein Arbeitgeber war, wurden dieselben von unsichtbaren Händen vehement zugeschlagen. Jedwedes Läuten zeitigte keinen Erfolg.
    Sein Lohn als Empfänger reichte nicht einmal für das Allernötigste, daher versah er sich mit drei Pfund Zitronen und einem nassen Schwamm. Damit reinigte er an belebten Straßenkreuzungen die Frontscheiben der Autofahrer, was die meisten mit einem freundlichen Kopfnicken quittierten. Bis auf jene, die sich bitter beklagten und ihn aufforderten, gefälligst den ganzen Wagen zu gewaschen, einschließlich Leichtmetallfelgen und Dachspoiler und zu Hause stünde noch ein Wohnwagen usw. Nach vielen Stunden und zahllosen Windschutzscheiben bekam der HERR Kohldampf und wollte dies seinen Arbeitgeber wissen lassen. Dies jedoch war nicht so einfach.
    Denn Herr Hartz, schwerreicher Manager und Erfinder der Empfänger, hatte sich gerade wegen irgendwelcher Nichtigkeiten in ein Gebäude begeben, dessen dicke Gemäuer ihn davon abhielten, beliebig Besucher zu empfangen. Um sich durch die Gitterstäbe zu zwängen, war Herr Hartz zu füllig. Er bekam schließlich täglich drei volle Mahlzeiten. Ergo erschien ihm der HERR im Traum.
    Er ließ ihn über einen Bürgersteig wandeln, stellte sich vor ihn und begann beschaulich von seinen Problemen als Empfänger zu plaudern. Aber Herr Hartz hörte nicht zu. Statt dessen wandte er sich ab und beschäftigte sich mit den Parkuhren, indem er die Münzen darin herausschüttelte, um sie sich in die Taschen zu stopfen. Für nächtliche Bordellbesuche.
    So wurde der HERR zusehends dünner und ähnelte in seinem Erscheinungsbild immer mehr einem dieser an Bulimie leidenden Topmodels, wodurch er zwangsläufig einen neuen Einfall bekam. Er verdingte sich als Mannequin, trug die schönsten Kleider zur Schau, quittierte aber bald wieder den Dienst, weil die seichten Gespräche mit seinen Kolleginnen in den Umkleidekabinen nicht zu ertragen waren.
    Als ihm die Mittel gänzlich auszugehen drohten, und er in zunehmendem Maße bei der Essensausgabe der Heilsarmee gesichtet wurde, beschloß er, jenem Verlag einen persönlichen Besuch abzustatten, der aufgrund der Vielzahl seiner qualifizierten Absagen bereits seit langem im Guinness-Buch der Rekorde zu finden war.
    Als der HERR, modern gekleidet, beim Pförtner vorstellig wurde, sagte, wer er sei und was er wünschte, wurde er auf eine Besuchercouch gelotst. Nach kurzer Wartezeit bat man ihn in das oberste Stockwerk, in ein Büro, das von feinstem Geschmack zeugte. Dort endlich wurde er von einem freundlichen Verlagsangestellten per Handschlag herzlich begrüßt.
    Und gleich darauf vom Sicherheitsdienst aus dem Fenster geworfen. Er hatte das winzige Schild am Eingang übersehen, das darauf hinwies: Autoren unerwünscht! Wieder war es ihm nicht gelungen, einen Lektor von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Das war jammerschade.
    Voll der Resignation erhob er sich vom schmutzigen Trottoir, schlich hinter die Hecke, die das Verlagsgebäude mit ihrem grünen Kragen vor ungebetenen Gästen abschirmte, versteckte sich dort und weinte bitterlich. Der HERR schämte sich. Ein Nichtsnutz war er, ein Niemand, eine Unperson. Selbst Diogenes im alten Griechenland wurde seinerzeit mehr Aufmerksamkeit zuteil.
    Von keinem beachtet saß er dort tagelang, in Gedanken versunken. Nur einmal hatte ein struppiger Hund Mitleid, beschnüffelte ihn vorsichtig, bevor er sich abwandte, ein Bein zu heben.
    Als der Hund tags darauf erneut bei ihm vorbeischaute, war der HERR verhungert. Übriggeblieben waren nur einige Klamotten neuester Machart und ein paar unbedeutende Schriften.
    Die entdeckte ein emsiger Lektor, der im übersprühenden Arbeitseifer beim Polieren der Blätter seines Gummibaumes aus dem Fenster schaute, las sie und war begeistert. Nicht nur, daß da ein kleines Genie aufgespürt worden war, nein, aufgrund seines frühen Dahinscheidens mußte der Verlag auch keine Tantiemen an ihn bezahlen – was am erfreulichsten war. Die Schriften des HERRN wurden Welterfolge und verhalfen dem Verlag zu einer Blüte ohnegleichen!
    Als das Leserpublikum jedoch irgendwann den Autor sehen, ihn fragen, ihn verehren wollte, mußte der Verlag kleinlaut einräumen, auf welche Weise er in den Besitz dieser Literatur gelangt war. Das brach ihm das Genick. Die Kunden blieben aus, Schmähschriften wurden verfaßt, man zeigte mit Fingern auf ihn.
    Kurze Zeit später verhungerten die ersten Mitarbeiter dieses Verlages.

    Francesco Lupo

    Francesco.lupo@t-online.de

  2. Ja, doch, interessant, lieber Herr Lupo. Indes vermag ich der These von der Vorherrschaft des Weibes auf dem deutschen Büchermarkt nicht zu folgen. Im Produzieren von Schrott jedenfalls nehmen sich Damen wie Herren nichts, wie ich Pi mal Daumen behaupten möchte. Und die meisten der besten deutschen Krimis der letzten Jahre stammen von einer Frau. Ich sag jetzt aber nicht, wie sie heißt.

    bye
    dpr

  3. Die Mär vom Wolf ist nicht schlüssig:

    Wieso hat sich der HERR kein auf ein WEIB hindeutendes Pseudonym zugelegt? Reichte die Phantasie nicht? Hätte sich z. B. „EVA“ nennen können, um der Wahrheit willen ergänzt um ein nachgestelltes „(Her)Mann“.

    Haben schon ganz andere gemacht. Hatten sogar (kommerziellen) Erfolg damit. Diese HERREN gehören zur Gruppe der „Ghost“. Gibts zudem umsonst, die Pseudonyme. Eine vorhergehende kostspielige Geschlechtsumwandlung ist keineswegs erforderlich!!!

    Sollte der Verlag ein persönliches Treffen fordern, wird sich ein vorzugsweise blondiertes WEIB zum Vorzeigen schon finden. Einfach mal beim Arbeitsamt vorbeischauen.

  4. Beispiel: Henrike „Fippy“ Heiland. Eigentlich Henrik Heiland, bucht für Publikumsauftritte (u.a. gestern in Leipzig – Superperformance!)eine kleine rothaarige Studentin mit kräftiger Vorlesestimme. Mit Erfolg! Die Anthologie „Hell’s Bells“, von Christian(e) Geldmacher im Poetenladen Verlag herausgegeben, verkauft sich wie geschnitten Brot.

    bye
    dpr

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