Eleanor Taylor Bland: Fatal Remains

Marty MacAlister, Protagonistin der Bücher Eleanor Taylor Blands, verfügt über etwas, das im Allgemeinen in Krimis keine nennenswerte Rolle spielt: Über ein intaktes Familienleben. Nach dem gewaltsamen Tod ihres Mannes hat sie wieder häuslichen Frieden gefunden und kann, wenn auch die polizeiliche Arbeit ihr dieses nicht leicht macht, ihrer Verantwortung als Mutter gerecht werden.

Wenn auch das der Stoff ist, aus dem romantisierende Krimi gemacht werden, fallt es Bland leicht, derartiges zu vermeiden. So sind die Erfahrungen der Kinder in der Schule eine weitere Möglichkeit, neben den Erlebnissen im Berufsalltag als Polizistin, die sozialen Umstände zu beleuchten. Und so zeigt die Autorin auch mit „Fatal Remains“, dass sie das soziale Gewissen des amerikanischen Krimis ist.

Erst ein Schädel, dann das ganze Skelett eines „native American“ wird gefunden. Während Marty MacAlister und ihr Partner versuchen, mit Hilfe einer Computerrekonstruktion des Schädels den Toten zu identifizieren, werden sie plötzlich zu einer archäologischen Grabungsstelle auf einem Privatgrundstück gerufen. Die Grabungsleiterin, eine Studentin noch, ist von Geröll erschlagen worden; ein Unfall könnt’s wohl gewesen sein, aber zu viele Unfälle sind auf diesem Anwesen, welches auf einen der ersten weißen Siedler der Region zurückreicht, schon passiert.

Im weiteren Verlauf vermeidet Bland sowohl die Albernheit dem Leser gegenüber so zu tun, als hätten die Toten nichts miteinander zu schaffen, als auch die Versuchung, die beiden Leichen und deren Geschichten zu eng mit einander zu verknüpfen. Im Prolog sieht der Leser, wie vor langer Zeit eine junge indianische Frau einer jungen Schwarzen half. Und während der Leser rätselt, wie diese Szene mit den Toten der Gegenwart zusammenpasst, findet MacAlister eine unterirdische Höhle und fragt sich, ob hier, so weit im Norden, wohl ein Fluchtpunkt für schwarze Sklaven aus dem Süden war (1).

„Fatal Remains“ ist ein spannendes Buch, gut erzählt, nicht ohne Humor, voll mit Zeichen kluger Beobachtungsgabe und mit gekonnter Strukturierung der Erzählung – wie überhaupt die Tatsache, dass Bland den Aufbau ihrer Bücher immer leicht variiert, zeigt, wie sorgsam und bewusst sie ihre Bücher konstruiert. Der Leser, der aufgrund der unterschiedlichen Erzählperspektiven manches ahnt, aber nichts sicher weiß, kann Marty und ihrem polnisch-stämmigen Partner zusehen, wie sie, auch unter Lebensgefahr, die Vergangenheit „wiederbeleben“. Geschickt verknüpft die Autorin die ganz unterschiedlichen Vergangenheiten von weißen Siedlern, Potawatomi-Indianern und Afroamerikanern, und erzählt uns dabei auch etwas über die unterschiedlichen Arten, mit denen unterschiedliche ethnische Gruppen von der eigenen Historie Kenntnis haben, sich mit dieser beschäftigen oder nach ihr forschen.

Unaufdringlich, ohne zu platt zu wirken, erzählt Eleanor Taylor Bland eine Geschichte, die nicht moralinsauer aufgeladen ist und doch Moral einfordert.

(1) Zahlreiche Helfer waren notwendig um schwarze Sklaven zur Flucht in den „sicheren“ Norden zu verhelfen. Diese Fluchthilfe war wie eine Eisenbahn organisiert, mit „Bahnhöfen“ als festgelegte Übergabepunke und „Stationsvorstehern“ als Helfern und wird deshalb auch „Underground Railway“ genannt. Eine sehr informative Darstellung zu dem Thema ist unter http://www.pbs.org/wgbh/aia/part4/4p2944.html zu finden.

Eleanor Taylor Bland: Fatal Remains. 
St. Martin’s Minotaur 2003. 272 Seiten. 22,06 €
(noch keine deutsche Übersetzung)

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