Jan Burke: Kidnapped

Im Zentrum von „Kidnapped“ von Jan Burke steht der Clan der Familie Fletcher. Die Großeltern und „Gründer“ des Clans, beide aus reichen Häusern stammend, konnten selber keine Kinder bekommen und adoptierten deshalb über die Zeit 21 Kinder. Diese sind nun erwachsen und haben selber (eigene oder adoptierte) Kinder. Eine Sippe mit einem ausgeprägten Corpsgeist und fast so verzweigt wie die Forsythes, der auch ein Kindergarten und sogar eine eigene Schule gehört.

Drum herum dreht sich alles im Buch um verschwundene Kinder. Irene Keller, Protagonistin und Icherzählerin ist Journalistin und hat für ihre Zeitung einen Artikel über Kinder geschrieben, die von nicht erziehungsberechtigten Eltern oder von Dritten verschleppt werden und wird anschließend von betroffenen Eltern bedrängt, über ihre Kinder zu schreiben. Richard Fletcher, eines der Kinder der ersten Generation der Fletchers, war vor fünf Jahren umgebracht worden. Zeitgleich verschwand auch seine kleine Tochter. Sein unehelicher Sohn wurde für den Mord verurteilt; und allein sein jüngerer Bruder ist fest von seiner Unschuld überzeugt. Und die Leiche eines Mannes wird gefunden, der vor zwei Jahren mit seinem Sohn untergetaucht sein soll.

Mit den verschiedenen Erzählsträngen wechselt auch die Perspektive. Hatte es mich im vorausgegangenen Buch, „Bloodlines“ (deutsch „Totenruhe“), noch etwas irritiert, dass da die Erzählung zwischen erster und dritter Person wechselte, habe ich mich nun anscheinend daran gewöhnt. Keller selber nimmt nur noch einen relativ kleinen Teil der Erzählung ein. Viel mehr sind wir bei den jeweils Handelnden, seien es Täter, Kinder oder Spurensucher. Im Verlauf bildet sich ein wahres Gestrüpp an Handlungssträngen, die natürlich, da sich am Ende ja alles auflösen soll, mehr und mehr zusammenwachsen. Dabei gelingen Burke immer wieder überraschende Wendungen und immer wenn man meint, dass sie an einer Stelle zu viel aufgelöst hätte, geht es woanders weiter.

Wie schon in „Bloodlines“ brilliert Jan Burke in „Kidnapped“ auch wieder mit einer komplexen, vielschichtigen Geschichte, die jederzeit spannend ist und unangestrengt vorgetragen wird. Angesichts des hohen Niveaus, auf dem sich die Autorin bewegt, ist mir die mangelnde Resonanz durch die deutsche Rezensentenkaste nicht ganz verständlich; den Lesern jedoch scheinen die Bücher zu gefallen, denn Jan Burke gehört zu den wenigen US-amerikanischen Autoren, deren Bücher recht zeitnah übersetzt vorliegen.

Wer Unterhaltung möchte, ohne vielleicht auch mal zurückblättern zu müssen (ein Vorwurf, den man über die Bücher Burkes gelegentlich lesen konnte), sollte besser seine Finger von diesen Büchern lassen, allen anderen bietet Burke intelligente Unterhaltung.

Jan Burke: Kidnapped.
Simon & Schuster 2007 , 400 Seiten. 8,45 €
(noch keine deutsche Übersetzung)

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