Absteiger 2009

Sie wissen nicht, was 2009 auf Sie zu kommt? An schlechten Nachrichten, schlechtem Cannabis und schlechten Krimis? Nun, was die letzteren betrifft, hat wtd wie immer seine Fühler weit in die Zukunft gestreckt und ist in der Lage, Ihnen die drei Absteiger des Jahres 2009 zu präsentieren. Machen Sie sich auf gruselige Momente deutschen Krimischaffens gefasst…

Eine furchtbare Enttäuschung erwartet uns im April, wenn Horst Eckerts neuer Polizeithriller „Rote Berge“ auf den Markt geworfen wird. Der Roman spielt im idyllischen oberbayrischen Wintersportort Zipflhausn, wo gerade die Weltelite des Biathlonsports gastiert. Auch der Düsseldorfer Haupt- und Staatskommissar Bruno Bissig weilt dort zu Urlaubszwecken. Und prompt geschehen schreckliche Dinge. Biathleten werden mit ihren eigenen Waffen erschossen oder von Schneebällen tödlich verletzt. Warum hängt der Physiotherapeut der deutschen Mannschaft an einem Seil im Fels? Und warum ist dieses Seil um seinen Hals geknüpft? Fragen über Fragen. In unendlich mühseliger Kleinarbeit kommt Bissig schließlich dem Täter auf die Spur: ein schneeweißer Orang-Utan wars! „Mein Beitrag zum Poe-Jahr“, begründet Eckert seinen allzu durchsichtigen Plot. Das reicht für die Bestenliste, aber sonst…?

Überraschendes von Anne Chaplet. Mit „Panzerkreuzer Lia Wöhr“ wagt sie sich erstmals an den historischen Krimi und lehnt sich politisch weit aus dem Fenster. Zur Story: Wir schreiben das Jahr 1917. Berufsrevolutionär Lenin ist soeben per Sonderzug durch Deutschland nach Russland befördert worden, als dort eine mysteriöse Mordserie beginnt. Untadelige Bolschewiki werden bei Nacht und Nebel massakriert, selbst die Zarenfamilie erwischt es, auch Lenin gerät in Gefahr. Ein Fall für Leo Trotzki, den billigen St. Petersburger Privatdetektiv. An Bord des Panzerkreuzers „Lia Wöhr“ (benannt nach der schon damals legendären Äppelwoi-Wirtin aus dem „Blauen Bock“) kommt Trotzki schließlich der Wahrheit auf die Spur – ein atemberaubend länglicher Showdown aus Bembelzeremonie und Marx-Zitaten. Routiniert erzählt und ebenso geplottet, ABER: Politisch zu weit links, historisch zu flüchtig (Lenin soll angeblich gehäkelt und Schäferhunde gezüchtet haben). Ein Bestseller in den unzähligen K-Gruppen dieses Landes, ansonsten…

Eindeutigster Absteiger jedoch: Heinrich Steinfest. Der fidele Österreicher begibt sich mit „Monoton. Eine Monolog“ in die Gefilde des – nomen est omen – monotonen kriminalliterarischen Sprechgesangs. Sein Held Sebastian Amadeus Wurzel, Komponist, kommt in seiner Kunst mit einer einzigen Note – dem dreifach gestrichenen G – aus – Steinfest selbst variert auf 374 Seiten den Satz „Meine Mutter presst frischen Orangensaft und füttert die Hühner.“ Das ist zunächst sehr nett und experimentell: „Mein Orangensaft füttert die Mutter und presst die frischen Hühner. Hühner frischen die meine Mutter und Orangensaft presst die.“ Und so weiter. Nach wenigen Seiten kommt es indes zu ersten Redundanzen, der eigentliche Fall wird nicht ersichtlich, ja, kein Verbrechen weit und breit, von denen an der deutschen Sprache und der Geduld des Lesers abgesehen. „Ich werde damit endlich den Deutschen Krimipreis gewinnen!“ hofft Steinfest. „Das ist innovativ, das ist völlig unverständlich, diesmal müsste es also klappen!“ Wir wünschen gutes Gelingen, können unsere Zweifel aber nicht unterdrücken…

12 Gedanken zu „Absteiger 2009“

  1. Und die Aufsteiger?

    dpr gründet seinen eigenen Verlag (Wichtiger Teutscher Detekivroman Verlag) und veröffentlicht erstmal vier eigene Krimis, die sofort als Tatortse verfilmt werden. Drehbuch und Beratung: Dieter Paul Rudolph. Drehorte: Dommräpp.

    Anobella arbeitet weiter an ihrem Winzerkrimi und bekommt den Deutschen Krimipreis für das längste Überarbeiten.

    Dr. h.c. Ludger Menke enttarnt Astrid Paprottas Pseudonym Oliver Bottini und besteigt den ersten Lehrstuhl für Angewandte Kriminalliteratur.

  2. Nee, dann schon Detekivroman. Haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, findet man uns auch besser beim Googeln. Aber woher wusstest du, dass Astrid Oliver Bottini ist? War doch das bestgehütete Geheimnis der Branche…

    bye
    dpr

  3. Angeber! Da wärst du aber der EINZIGSTE, der das wüsste! Nicht mal die Autorin selbst weiß es! Und jetzt gehe hin und lies, wie Edgar Poe den Kriminalroman erfunden hat… in seinem Geheimlabor… ein Spritzerchen Suspense ins Reagenzglas, ein wenig Mord dazu und das Ganze dann über den Bunsenbrenner gehalten… päng!

    bye
    dpr

  4. „Rote Berge“ reicht nicht nur für die Bestenliste, sondern endlich auch für die Bestsellerliste! Poe und Biathlon – gibt es eine erfolgversprechendere Verbindung? Aber ich gebe zu, ich hätte lieber den Trotzki-Roman geschrieben. Glückwunsch, Anne!

  5. Bestsellerliste? Tut mir leid, mein Lieber, hab ich für dieses Jahr bereits selber abonniert. Aber das Thema Biathlon ist wirklich nicht schlecht… Biathlon und Obama. Und ein kleiner Hund als Ermittler. Ich schreib mal schnell ein Exposé.

    be
    dpr

  6. Ich vermute viel eher, dass Thorsten Schäfer-Gümbel eine Erfindung von Heinrich Steinfest ist. Denn der Versuch, eine Wahl im Internet zu gewinnen, könnte von Steinfest sein. Wenn sich die SPD in der Wirklichkeit auflöst, kann sie wenigstens noch virtuell weiterbestehen. Ich hatte ohnehin vermutet, dass „Mariaschwarz“ ein etwas simples Pseudonym für Petra Roth ist.

  7. Wobei ein Buch mit dem Namen „Petraroth“ nie und nimmer auf der Bestenliste reüssiert hätte. Und, nein: Schäfer-Gümbel ist keine Erfindung Steinfests. Hätte der einen Doppelnamen gewählt? Kaum. Das machen nur die Autoren, die furchtbar witzig sein wollen. Steinfest hat, schon vor vielen Jahren, KOCH kreiert. Einen tief- und abgründigen Charakter, dessen Wortwitz darin besteht, genauso zu heißen wie das, was er macht: Kochen. Vor allem sein eigenes Süppchen.

    bye
    dpr

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