Buchmesse 2009

Die wichtigste Frage gleich vorweg: Was trägt die Buchmessebesucherin heuer mit Vorliebe? Erschütternde Antwort: Strickwaren (besonders schwarze Strumpfhosen) und Stiefel. Aber kommen wir zum angenehmen Teil unseres diesjährigen Aufenthaltes im Schlaraffenland der Bücher…

Ein Novum gleich am Eingang. „Bitte Arme ausbreiten, damit ich Sie scannen kann!“ Während allerhand verdächtiges Volk (Buchhändlerinnen, Schulklassen, Verleger) in die Hallen strömt, halten mich zwei strenge Herren dezent, aber bestimmt an. Ich breite die Arme aus – und werde gescannt. Einer hält freundlicherweise mein Täschchen mit dem Plastiksprengstoff, der andere erkundet mit einem Metalldetektor meinen potentiell gefährlichen Körper. Es piepst. „Was haben Sie im linken Knie?“ „Einen Nagel. Seit 42 Jahren. Noch nie explodiert.“ Der Kontrolleur nickt. Das genügt. Ich darf mich endlich ins Getümmel stürzen.

Stand des Conte Verlags, Halle 4.1, G138. Die Mann- und Frauschaft ist vollständig zur Promotion des guten Buches angetreten. Man reicht dem Neuankömmling ohne Umstände ein aus Lyoner, Weck und Dibbelabbes bestehendes saarländisches Frühstück, mit Original Ur-Pils nachzuspülen. Wer aber ist der junge Mann, der da sein Frühstück jauchzend über die Auslegeware des Nachbarstandes erbricht? Krimiportalpapst Lars Schafft! Kein Saarländer, sondern aus Essen und daher an saarländisches Essen nicht gewöhnt. Ich gönne ihm zehn Minuten der Erholung, bevor wir uns zum Stehkaffee zurückziehen.

Lars, noch immer bleich im Gesicht, hat viel Neues zu erzählen. Tolle Projekte stehen vor der Tür. Zum Beispiel das „Krimi-Bett“, in dem sich ab November erotische Krimis austoben sollen. Ebenfalls geplant: „Der Krimi-Stuhl“ für besonders besch… Werke der Genreliteratur. Garantierte Selbstläufer, lallt Lars und hält sich an der Wand fest. Ich bestelle einen Krankenwagen und verabschiede mich eilig.

Zurück zu Conte. Creative Art Director Markus überreicht mir ein am Mittwoch vom Kollegen Georg zurückgelassenes Geschenk: ein angebissenes Spinat/Joghurt-Sandwich. DAS hätte man Lars anbieten sollen! Jetzt wird auch Markus grün im Gesicht, schreit „Ich krieg die Gelbsucht!“ und kotzt, bis er schwarz wird. Eine Hommage an die saarländische Jamaika-Koalition, wie ich nicht ohne Rührung feststelle.

Meine Anwesenheitsstunde beginnt. Ob überhaupt jemand auftauchen wird? Wahrscheinlich nicht. Oder doch? Tatsächlich! Das ist… Else Laudan! Rührige Verlegerin der Ariadne Krimis! Mir kommen die Tränen. Wir bieten uns spontan das Du an. Ob ich nicht einen Frauenkrimi schreiben möchte? „Natürlich unter weiblichem Pseudonym. Mit einer weiblichen Protagonistin. Und statt eines Ohres wie in den ARMEN LEUTEN sollte wenigstens EIN Gemächt abgesäbelt werden.“ Kein Problem! Wir organisieren einen Bierdeckel und formulieren den Vorvertrag. Freuen Sie sich also auf den Herbst 2010 und das Debüt von Samantha Übelreiter…

Kaum ist Else gegangen (nicht ohne mich zu einer Lesung von Christine Lehmann um 14 Uhr im Cafe Cosmopolitan, Hauptbahnhof, gegenüber den Gleisen 3 und 4, erster Stock einzuladen), erscheint ein weiteres bekanntes Gesicht. Willi Voss! Einige Jahre war es still um den Veteran gewesen, jetzt startet er mit „Pforte des Todes“ mächtig durch. Schock: Ich habe noch kein Rezensionsexemplar! Sofort eilt Willi zum Pendragonstand und kommt – kaum 20 Sekunden später – mit einem handsignierten und persönlich zugeeigneten Büchlein zurück. Man darf gespannt sein…

So. Gleich 12 Uhr. Kommt wohl niemand mehr*. Denkste. Wer drückt mich plötzlich fest an sich? Es ist keine Geringere als Anobella. Fluchtversuche zwecklos. Ich setze mich still aufs Bänkchen und lausche ihren guten Ratschlägen. Nicht jedes Jahr einen neuen Krimi veröffentlichen, das mögen die Leser nicht! Mehr Winzerkrimis besprechen, das ist der neue Trend! Endlich mal ein paar neue Jeans kaufen, die Schuhe finden auch keine Gnade, zu bürgerlich. Und sonst? Ja, ihr Debütkrimi laufe prima. Wenn er so weiter laufe, sei mit einer Veröffentlichung noch vor dem vollständigen Wegschmelzen des antarktischen Festlandseises zu rechnen. Ob wir einen Kaffee trinken sollen? Aber gerne! Ich verabschiede mich von den lieben Contes (Anobella greift 70 Postkarten mit dem Arme-Leute-Motiv ab) und wir setzen uns auf eine Treppenstufe, um coffee to go (nämlich auf die Hose) zu trinken. Anobella sieht blendend aus wie immer. Ich spendiere ihr Georgs angebissenes Spinat/Joghurt – Sandwich (der Spinat entpuppt sich als Brokkoli, der Joghurt als undefinierbare Mixtur aus Erdbeeren, belgischer Markenbutter und X). Nächstes Jahr wieder bei Conte? Aber nur, wenn ich mir endlich neue Klamotten und Schuhe zulege. Wird gemacht…

Früher als sonst entferne ich mich von der Messe. Auf zu Christine Lehmanns Lesung. „Mit Teufelsg’walt“ heißt ihr neuestes Werk, sie hat – mit An- und Abmoderation – gerade einmal 45 Minuten Zeit, dann kommt schon der nächste Lesewillige. „22 Stunden Literatur“ nennt sich die Marathonveranstaltung. Aber die 45 Minuten reichen, um auf das Buch neugierig zu machen. Es geht um die Gebaren von Jugendämtern, ein Baby, eine tote Familienrichterin und natürlich Lisa Nerz, die schnoddrige Protagonistin. „Noch Fragen?“ Ob die Jugendämter bei ihr nicht zu schlecht wegkämen? Muss man wirklich alles so überspitzt darstellen? Warum nicht ausgewogener? Christine Lehmann weist darauf hin, dass sie durchaus das Dilemma der Jugendämter anerkenne und auch thematisiere. Es sei eben schwierig, das alles. Trotzdem. Warum so negativ? Eine schöne Gelegenheit, wieder einmal über die Aufgabe der Literatur nachzudenken, die kaum darin bestehen kann, „ausgewogen“ zu sein. Jedoch: Keine Zeit. Mein Zug nach Hause kündigt sich an.

Fazit: Es war wieder schön in Frankfurt. Schön voll, schön laut, schön übel (der Espresso), schön lieb (alle Leute, die ich getroffen habe). Nächstes Jahr wieder? Nein! Ja!

*leider blieb zu wenig Zeit für die Besucher Kirsten Reimers und Frank Nowatzki. Aber das holen wir nächstes Jahr nach…

9 Gedanken zu „Buchmesse 2009“

  1. Single Malt? Meinst du das halbleere Fläschlein „Karlsruher Witwentröster 79% Hagebuttenschnaps“? Das haben wir vorbeiziehenden Rezensenten verabreicht.

    bye
    dpr

  2. Nee, nee, ich meine den Paprotta Auslese. Den eigentlich nur Spitzenautoren und -kritiker bekommen. Ich dachte, ich gönn dir den auch mal…

  3. Ja, im gute-Ratschläge-erteilen bin ich groß. Auf 1 Problem kommen 4 Ratschläge … Der z e n t r a l e Ratschlag war natürlich, mit dem Rauchen aufzuhören. Oder, wahlweise, eine neue Lunge bestellen, damits später keine Engpässe gibt.

    **Mehr Ratschläge?

  4. Genau. „Seit ich jeden Tag zwei Flaschen Rüdesheimer Rachenputzer trinke, brauch ich nicht mehr zu rauchen.“ Hältst du das wirklich für einen guten Ratschlag? Ich weiß nicht…

    bye
    dpr

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