Wir sammeln hier keine Briefmarken – oder doch?

Wtd ist ein special-interest-Blog. Hier treffen sich Menschen mit einer Vorliebe für Kriminalliteratur – was angesichts der allgegenwärtigen Thrillermania nicht sehr special ist -, Menschen indes, denen an Aussagen wie „Geil, ich hab das Buch in drei Stunden durchgehabt“ oder „Inspektor Schlunz war mir megasymphatisch!“ wenig gelegen sein dürfte.

Nein, das Spezielle an wtd und seiner Leseschaft mag in der Herangehensweise an den Gegenstand und seine Ausweitung auf die Welt, in der Krimis produziert und konsumiert werden, zu suchen sein. So jedenfalls widmet sich der Blogger dem Thema. Für ihn ist Kriminalliteratur nicht vordringlich ein Phänomen spannenden Zeitvertreibs (aber auch das), er sieht in ihr vielmehr einen Schlüssel zur Welt. Wem ist Kriminalliteratur, die Verbrechen zum mal witzigen mal blutrünstigen, mal sinngeschwängerten mal völlig sinnlosen Zeitvertreib macht, von Nutzen? Ist sie („schlechte Krimis“) ein Abbild der Methoden, mit denen „das Leben“ medial portioniert und genießbar gemacht wird? Was erzählt sie uns über die Zeit, in der sie so wie sie war / ist, entstehen konnte? Was KÖNNTE sie sein?

Gelegentlich wird der Blogger mit dem Vorwurf konfrontiert, er verplempere seine Zeit mit dem Lesen von Kriminalliteratur, wo doch „da draußen“ weitaus Wichtigeres geschehe. Dem kann er nur entgegenhalten, dass er gerade das nicht tut. Dass er „Krimi“ in all seinen Aggregatzuständen als einen Maßstab für besagtes Wichtigeres zu lesen versucht und gelegentlich die Ereignisse als schlechte Krimis rezensiert beziehungsweise herauszufinden trachtet, warum „gute Krimis“ helfen können, eine andere, komplexere, immer auch verstörende SIcht auf die Welt zu eröffnen.
Das ist sein special interest. Es kommt nicht so harmlos daher wie das Sammeln von Briefmarken – obwohl: Vielleicht tut er jetzt den Briefmarkensammlern unrecht. Denen ganz bestimmt, für die bunte Klebebildchen auch ein überraschendes Tor zur Welt sind. Dass sie das sein können – kein Zweifel.

dpr

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