Kleiner Unterschied

Ja, verstanden. Dass man ein Buch mit dem Originaltitel „Thirty-three Teeth“ in Deutsch „Dr. Siri sieht Gespenster“ nennt, ist okay. Warum ein Krimi „Verblendung“ heißt, wenn der schwedische Originaltitel „Männer, die Frauen hassen“ zu übersetzen ist, mag ebenfalls gute Gründe haben. Aus Reginald Hills „Good Morning, Midnight“ „Welch langen Weg die Toten gehen“ zu machen oder aus Lisa Jacksons „Absolute Fear“ das hübsch bilinguale „Cry – meine Rache ist der Tod“ – nun, das werden die Titelgeber einst vor ihrem Schöpfer verantworten müssen.

Nun muss man zweierlei wissen. Erstens: Auch abroad werden die Romantitel selten von den Autorinnen entschieden. Zweitens: Zumindest in Deutschland entscheiden über den Titel – die Verlagsvertreter. Sie müssen schließlich die Werke in den Buchhandlungen an Mann und Frau bringen, und anscheinend sind sich Vertreter und Buchhandel wenigstens in diesem Punkte einig: Je dümmlich-reißerischer, plakativ-mysteriöser ein Titel, dessen ausgeprägter der Kaufreflex. Das muss nicht stimmen. Vielleicht gibt es Leserinnen und Leser, die schon bei Zurkenntnisnahme eines Titels (z.B. „Denn rein soll deine Seele sein“ von Faye Kellerman, Original: „The Ritual Bath“) das dazugehörige Buch angewidert ins Regal zurückstellen, obwohl dieses Buch nun wirklich nichts dafür kann. Doch allein die Praxis, möglichst sinnentleerte, in ihrer Attitüteligkeit peinliche Titel zu wählen, gibt zu denken. Anderswo, keine Frage, gibt es auch solche Titel. In Deutschland jedoch sind sie bei Übersetzungen häufig die Regel (mit Ausnahmen, die man bezeichnenderweise und überwiegend bei Klein- und Kleinstverlagen findet), während die Originaltitel dagegen oft wohltuend sachlich daherkommen.

Was steckt nun hinter der Annahme, ein möglichst hirnrissiger Titel beflügele Leser zum Ankauf des Buches? Möglicherweise die Einschätzung, man könne das Niveau gar nicht tief genug ansetzen, um Krimikonsumenten zu erreichen und zu manipulieren. Sollte es so sein, wäre dies nur ein weiteres Argument für eine andere Krimikultur.

4 Gedanken zu „Kleiner Unterschied“

  1. „Denn rein soll deine Seele sein“?

    * stellt das Buch zurück

    Schön ist auch: „Vernimm mein Flehen“ (Ann-Marie Macdonald. Originaltitel: „Fall On Your Knees“) Trotzdem gutes Buch, wenn ich mich recht erinnere.

    Die Titel von Faye Kellerman sind, glaube ich, allesamt Anspielungen, wenn nicht teilweise sogar Zitate aus der Bibel. Passenderweise, weil das Privatleben der Protagonisten sehr von der Religion bestimmt wird. Hat sich vielleicht doch jemand was bei gedacht.

  2. auf meiner Hitparade immer noch oben: Alexander McCall-Smith
    „The right attitude to rain“. Deutsch: „Schottische Katzen kennen den Weg.“ Vor allem, weil der Originaltitel so schön ist.
    Oder Val Mc Dermid.
    „A darker Domain“ Deutsch: „Nacht unter Tag“
    Auch, weil der englische Titel so schön ist. Und ich es einfach nicht schaffe, die Hintersinnigkeit des deutschen auf mich wirken zu lassen.
    Erklärung dafür, warum wir so komische Titel bekommen, ist die Vermutung, uns fehle der Schönheitssinn und dass wir nur Bücher lesen wollen, bei denen, wie auf anderen Produkten auch,außen drauf steht, was Krimileser erwarten: Also nur kriminell wirkende Ortsbezeichnungen, Handlungen etc. Am besten schon eine kleine, alle möglichen Krimiinstinkte weckende Inhaltsangabe. Je nach Feinsinnsseismographie der vermuteten Leser. Dann fallen schonmal viele angloamerikanische Titel weg. Patricia Highsmiths Titel wurden ziemlich wörtlich übersetzt, aber ob „Der Geschichtenerzähler“ heute noch durchgehen würden? „Tiefe Wasser“ eher, ein geschickter Titel.

  3. Bei den DVD’s fällt auf, dass immer mehr englische Titel von den Marketing-Leuten gewählt werden. Vielleicht setzt sich das irgendwann im Buch-Bereich fort.

  4. gerade habe ich mir die Mühe gemacht nachzugoogeln, wie Ian Rankins „Doors Open“ auf Deutsch heißt. Das Buch ist nach meiner Ansicht bestenfalls durchschnittlich und trotzdem lesenswert. Sowas habe ich noch nie erlebt (Ian Rankin=Genie). Das Beste aber ist der Titel: Doors Open, da schwingt alles mögliche mit und, ehrlich gesagt, erst als Rankin es mir in seinem Buch erklärte, ging mir auf, dass es sich um den profanen Tag der offenen Tür handelt. Ich ahnte schon, dass die Übersetzung nach dem üblichen, sehr simplen aber folgenschweren Muster geschieht, bin jetzt aber doch geschockt: Der Mackenzie Coup.

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