Die Kaltblütigen – Spring Haven

Die Kaltblütigen kommen ins Schwitzen

Wer es bedauert, daß „Taxi Driver“ nach zwei Stunden bereits zuende war und daß „Pulp Fiction“ nicht zur 378teiligen Vorabendserie avanciert ist, hat es heute schwer mit den Ersatzdrogen, vor allem seit Micky Spillane weich geworden ist und James Ellroy vor lauter Größenwahn unter Mordblockade leidet. Einziges probates Mittel ist derzeit DIE KALTBLÜTIGEN, ein Comic-Epos, das eine wunderschöne Mischung aus Hardboiled, Film Noir, Road Movie und Gangsta bringt.
Frisch auf den Ladentheken gibt es jetzt den zweiten Band, der die Flucht des Auftragskillers Hamlet, des Juniorhysterikers Huevo und der gekidnappten Wendy durch die amerikanische Wüste erzählt. Die Vorgeschichte dazu liefert der erste Band.

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Die Kaltblütigen

Hard boiled und haute cuisine

Es ist doch immer wieder erstaunlich was man alles aus Tomaten und Nudeln zaubern kann. Die Spannbreite reicht da von Genialität bis zum Mülleimer. Es sind halt nicht die Zutaten selbst, sondern der Umgang damit, die über das Gelingen oder Scheitern eines Essens entscheiden. Bei Comics ist das ganz ähnlich. Hä?! Na ja, wenn man hingeht und bekannte Motive zusammenwurschtelt, kann halt etwas herauskommen, was ungenießbar ist, oder etwas, das einen in höchste Verzückungen versetzt.

Bei DIE KALTBLÜTIGEN trifft das letztere zu: Ein junger durchgeknallter Latino verliert bei einem Deal die Nerven, legt ein Mitglied einer anderen Streetgang um und klaut ihm ein Kilo feinsten Stoff. Sein Leben ist fortan keinen Pfifferling mehr wert. Schnitt. Ein ruhiger, seriös gekleideter Mann anfang dreißig läßt sich mit einem Taxi in ein ruhiges Wohnviertel chauffieren, gibt ein ansehnliches Trinkgeld, hinterläßt eine Zeitbombe und exekutiert eine Familie. Allerdings unterläuft ihm ein gravierender Fehler. Er übersieht eine Zeugin. Davon sind seine Auftraggeber gar nicht erbaut und fortan ist auch sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Beide, der Killer mit dem Künstlernamen ‚Hamlet‘ und der leicht erregbare Latino müssen zusehen, daß sie ihre Haut retten. Hamlet, indem er die Zeugin beseitigt und herauskriegt, wer seine Auftraggeber sind, der Latino, indem er die Gang auslöscht, die hinter ihm her ist. In dem Moment, wo die beiden unterschiedlichen Charaktere aufeinander treffen setzt die Handlung aus – bis zum nächsten Band.

David Chauvel, der dieses Szenario geschrieben hat, bedient sich mühelos aus der Fundgrube des Kinos, bringt die EXPLOSION DES SCHWEIGENS zusammen mit Elementen aus Oliver Stones NATURAL BORN KILLERS, Tarrantinos PULP FICTION und einem guten Schuß Gangsta. Man sollte vermuten, daß daraus nichts anderes entstehen kann, als ein kruder Brei mit halbverdauten Inkredienzien. Falsch gedacht, Frankreichs Köche haben bekanntermaßen ein glückliches Händchen, Frankreichs Szenaristen ebenfalls. David Chauvel, Jahrgang 1969, gehört zu der nachrückenden Comic-Autoren-Generation und gleich mit seinem Erstling DIE KALTBLÜTIGEN ist ihm ein großer Wurf gelungen.

Umgesetzt wurde die Story von Erwan Le Saec der hierzulande noch recht unbekannt ist. Sein Stil orientiert sich an Zeichnern wie Tibet und Dodier. Bestechend ist die Souveränität, mit der er Chauvels Szenario ins Bild gesetzt hat. Der zweite Band SPRING HAVEN ist für August angekündigt. Alle, die jetzt Blut geleckt haben, sollten einen Blick in die zweite Reihe aus David Chauvels Feder werfen. DIE SCHIENENMENSCHEN sind ebenfalls diesen Monat erschienen. Die Zeichnungen stammen allerdings von Fred Simon.

Chauvel/Le Saec
DIE KALTBLÜTIGEN
BD. 1 IN DIE ENGE GETRIEBEN
Carlsen Verlag 19,90 DM
ISBN 3-551-72711-2