Zapfenstreich

Trommelwirbel in Nahaufnahme, der Dirigent lächelt, eine Deutschlandflagge weht im Wind. Eine Kamera umkreist mehrfach einen Solotrompeter. Andere fangen Fackelwiderschein im Stahlhelm ein und ernste, junge Gesichter. Das Wetter steuert Dramatik bei: Starker Wind weht Funken quer durchs Bild und rauscht im Mikrofon des Kommentators Ulrich Deppendorf. Dieser erklärt dem Zuschauer recht knapp, was gerade zu sehen ist. Gut zwanzig Kilometer Kabel hat die ARD für das – in Neudeutsch – TV-Event ausgerollt, zehn Kameras setzen die düstere Stimmung in Szene.1

Wie man die ganze Sache deutlich billiger und dem Anlass angemessener hätte über die Bühne bringen können sieht man hier: Weiterlesen

gemein 020

Die Sehnsucht nach dem schönen Schein ist nicht nur eine Sehnsucht der kleinen Leute, zu deren Sprecher sich die Bild-Zeitung immer wieder zu machen versucht. Es ist auch eine Sehnsucht derer, die sich früher die besseren Stände nannten und die heute bisweilen von besseren Zeiten träumen. Auch diese Sehnsucht hat ein Organ: Die Zeit, das wurde in den Guttenberg-Wochen deutlich, ist eine Bild-Zeitung der Gebildeten.

Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung: ↑Die Sehnsucht nach dem Gesalbten

Potemkin lässt grüssen

Die ganze Figur Guttenberg entpuppte sich nach und nach als politisches potemkinsches Dorf. Jede dieser Zuschreibungen war eine glänzende Fassade. Nun kennt man die Rückseite jeder dieser Fassaden, jede für sich barg eine Illusion.

Jetzt noch auf Guttenbergs politisches Talent zu verweisen, ist gleichbedeutend damit, das potemkinsche Dorf als Ganzes zu trennen von seinen einzelnen Fassaden: Ja, kein Haus hier ist echt, mag sein, aber das Dorf ist es! Seht doch seine Pracht!

Jonas Schaible: zu Guttenberg: Ein Talent verselbständigt sich