Interview: Liv Kristin

Hast du eine klassische Gesangsausbildung?

LK: Ich habe überhaupt keine Stimmausbildung. (lacht) Eigentlich habe ich immer schon gesungen. Als ich ganz klein war, habe ich in der Schule ein paar Auftritte gehabt, aber eine richtige Ausbildung habe ich nicht gemacht. Einmal hatte ich zwei Stunden Gesangsunterricht, weil ich dachte, daß es mir irgendwie helfen kann. Dem war aber gar nicht so. Deswegen habe ich das gelassen.

Wie fing denn Deine Gesangskarriere an?

LK: Angefangen hat es wie gesagt in der Schule, als ich als kleines Mädchen ein paar mal aufgetreten bin. Allerdings habe ich dann für ungefähr zehn Jahre gar nicht auf der Bühne gestanden, weil ich einmal etwas gesungen habe, das falsch war. Ich habe mich dafür so geschämt, daß ich dachte, ich würde nie wieder auf die Bühne gehen. Mit 18 Jahren habe ich „Theatre Of Tragedy“ entdeckt – oder sie mich -, und so hat es eigentlich angefangen. Mit ihnen bin ich dann auch wieder aufgetreten. Die ersten Shows waren ehrlich gesagt nicht so toll, weil man ein bißchen Bühnenerfahrung braucht, bevor man sich richtig sicher fühlen kann. Jetzt läuft es aber ohne Probleme, denn Schmetterlinge habe ich gar nicht mehr im Bauch.

Ist es nicht ein bißchen schade, kein Lampenfieber mehr zu haben?

LK: Vielleicht. Ab und zu vermisse ich es, daß man ein wenig nervös ist. Es hat ja auch etwas Positives neben dem Schwitzen und Zittern, was natürlich überhaupt nicht gut ist. Wenn man aber ein bißchen aufgeregt ist, macht man den Job doch noch etwas besser, finde ich.

Lastet Dich Deine Arbeit bei „Theatre Of Tragedy“ nicht richtig aus? Oder was war der Grund, ein Solo-Album aufzunehmen?

LK: Im letzten Sommer habe ich meinen Freund Alex im Studio besucht. Als ich dort ‚reinkam, hat er gesagt, ich sollte doch etwas machen oder ausprobieren. Herausgekommen bin ich dann mit fünf neuen Liedern. (lacht) Das hat mich auf die Idee gebracht, auch mal etwas anderes zu machen als „Theatre Of Tragedy“. Die Jungs sind ja in Norwegen, weswegen die Probemöglichkeiten nicht so großartig sind. Wir proben derzeit vielleicht an die vier, fünf Mal im Jahr. Ich muß mich aber irgendwie entwickeln und meine Stimme trainieren. Eine eigene Gothic Metal-Band würde da verständlicherweise für Ärger mit „Theatre Of Tragedy“ sorgen. Deshalb war die Idee mit einem Solo-Projekt die beste Lösung. Ich kann ja nicht einfach dasitzen und nichts tun. Also bin ich durch mein Label „Massacre Records“ mit Günther Illi in Kontakt getreten, der viel Filmmusik macht und alle Instrumente auf der Platte eingespielt hat. Er bat mich im Studio, etwas vorzusingen. Das hat ihm dann sehr gefallen, so wie mir auch seine Songs gefallen haben. Nach zehn Treffen im Studio ist das Album entstanden. Die Arbeit mit ihm war toll, und wir werden auf jeden Fall noch eine Scheibe zusammen machen.

Hat Deine Arbeit an Deinem Solo-Projekt auch Auswirkungen auf Deine Mitwirkung bei „Theatre Of Tragedy“?

LK: Ich hoffe es nicht. Zwar weiß ich nicht, ob sie meine Platte schon gehört haben. Ich denke aber, daß sie sie besser finden, als hätte ich ein Album mit einer anderen Gothic-Band aufgenommen. Außerdem müßte es ihnen auch wichtig sein, daß ich an meiner Stimme weiterarbeite, weil sonst irgendwann gar nichts mehr geht. Es gab ja vor Weihnachten ein paar Mißverständnisse zwischen uns, die jetzt zum Glück behoben sind. Damals hat man mich angeblich aus der Band gekickt, wovon ich allerdings gar nichts wußte! Das ganze beruhte auf einem Fax an mein Label und einem Gerücht im Internet. Natürlich bin ich sofort mit den Jungs in Kontakt getreten, die erstmal nichts dazu sagen wollten. Deshalb bin ich mit meiner Plattenfirma nach Norwegen geflogen und habe dort alles geklärt. Ich bin also weiterhin in der Band und habe die letzte Platte mit „Theatre Of Tragedy“ aufgenommen. Leider bin ich darauf weniger zu hören, als auf dem letzten Album. Als ich dazukam, hatten sie im Studio schon Verspätung. Ein paar von den Songs habe ich auch erst im Studio selbst gehört und die Texte gar nicht vorher zu sehen bekommen. Für mich war das zwar eine neue Situation, ich finde aber, daß unsere gemeinsamen Sachen trotzdem toll geworden sind.

Vor einiger Zeit hat Ritchie Blackmore ein Album herausgebracht („Blackmore’s Night“), das ja in eine ganz ähnliche Richtung wie Deines geht. Gibt es in der Metal-Szene einen neuen Trend hin zum klassisch angehauchten Popsong?

LK: Klassische Elemente wie Piano und weiblicher Gesang sind ja bereits seit der Entstehung von „Theatre Of Tragedy“ vor zwei Jahren populär. Jetzt treffen sich eben verschiedene Musiker und stürzen sich in alle möglichen Projekte. Ich denke, man kann damit sehr gut zeigen, daß man nicht so einseitig orientiert ist, sondern auch andere Sachen machen kann. Auch ich möchte gern beweisen, daß ich nicht nur für eine Art von Musik, nämlich Gothic Metal, stehe.

Ist die Metal-Szene im eigenen Genre denn momentan zum Stillstand gekommen?

LK: Das könnte schon sein. Zur Zeit treffen sich eben verschiedene Leute, um mal andere interessante Dinge zu machen.

Das Album macht insgesamt einen leicht ätherischen Eindruck. Interessierst Du Dich für spirituelle Dinge, wie es ja zur Zeit Mode ist?

LK: Auf jeden Fall! Yoga und solche Dinge habe ich noch nie probiert, aber ich habe jemanden auf meiner Tournée gefragt, der das regelmäßig macht. Solche Dinge interessieren mich zur Zeit sehr stark, auch wenn ich noch nicht so viel darüber weiß.

Wo hast Du eigentlich so gut deutsch gelernt? Du kommst doch aus Norwegen, oder?

LK: Ja, schon. Ich tue mein Bestes und kann immer noch viel lernen. Seit sechzehn Monaten bin ich jetzt in Deutschland und habe die ersten neun Monate nur englisch gesprochen. Dann habe ich mein Anglistik- und Germanistik-Studium angefangen. Da muß ich eben deutsch reden. Ich verstehe auch alles – sogar die Leute hier in Österreich, wo wir gerade auf Tour sind. Trotzdem muß ich noch viel lernen. (lacht)

Der Song „Portrait: Le Har Ei Tulle Med Ogne Bla“ ist ein norwegisches Volkslied. Wovon handelt es denn?

LK: Der Titel bedeutet: „Ich habe ein kleines Mädchen mit blauen Augen“. Es ist ein Kinderlied, das meine Oma mir immer vorgesungen hat. Ich hatte es immer im Kopf und dachte, daß ich irgendwann etwas damit machen muß. Das Problem war die norwegische Sprache, die ich ursprünglich übersetzen lassen wollte. Aber das hat nicht hingehauen. Günther Illi fand das Lied klasse, als ich es ihm vorsang. Er hat es gleich aufgenommen und einen Remix davon gemacht. Das Resultat gefällt mir wirklich gut. Es beinhaltet schließlich auch etwas von mir persönlich und reflektiert meine Kindheit, weil es mir sehr am Herzen liegt.

Wie sieht es ansonsten mit den Traditionen aus Norwegen aus? Bist Du jemand, der an solchen Dingen festhält?

LK: Früher habe ich immer gedacht, ich bräuchte das alles nicht. Jetzt, da ich in Deutschland wohne, denke ich aber immer öfter an Norwegen, die Natur dort und die Volkslieder. Ich habe all das nie vergessen können und weiß heute, daß es wichtig für mich ist, weil ich in einem anderen Land lebe.

Hast Du eigene Songs zum Album beigesteuert?

LK: Alle Songs sind von Günther Illi komponiert worden. Ich habe darauf gesungen und die Texte zu „In The Heart Of Juliet“ und „Deus ex Machina“ geschrieben. Die Zeit hat leider nicht gereicht, um alle Texte selbst schreiben zu können. Ich könnte aber die Zeilen anderer Leute nie so singen können, wenn ich mich damit nicht identifizieren könnte. Sie müssen mir schon etwas bedeuten.

Wie kam der Kontakt mit Nick Holmes von „Paradise Lost“ zustande, der mit Dir das Duett „3 am“ aufgenommen hat?

LK: Als ich das Lied von Günther Illi gehört hatte, wußte ich schon, daß ein männlicher Sänger dazukommen sollte. Eigentlich habe ich dann an meinen Freund Alex („Anthrosity“) gedacht. Da ich aber schon im Background auf seiner Platte zu hören war, glaubten wir, daß es zuviel werden würde. Also hat Alex Nick Holmes vorgeschlagen, weil der auch eine schöne, tiefe Stimme hat. „Paradise Lost“ waren gerade auf Deutschland-Tour. Wir haben ganz frech den Manager angerufen und ihn gefragt. Eine Woche später haben wir Nick in Ludwigsburg vom Hotel abgeholt, und nach zwei Stunden im Studio war der Song komplett fertig. Es ging wirklich schnell und ein guter Typ. Er ist korrekt, ehrlich und mit solchen Leuten kann ich gut zusammenarbeiten.

Wie bist Du auf den Album-Titel „Deus ex Machina“ gekommen? Was bedeutet er für Dich?

LK: Es ist wie bei einem Theaterstück, das ganz pessimistisch anfängt. Dann zeigt sich Gott oder irgendein Wesen und führt es zu einem schönen Ende. Trotz Trauer und Pessimismus am Anfang gibt es dann doch noch schöne Aussichten für die Zukunft. Für mich bedeutet diese Platte auch eine wunderbare Veränderung. Eigentlich wollte ich schon immer Songs wie auf diesem Album machen. Also dachte ich, daß endlich etwas passiert, was ich mir immer schon gewünscht hatte.

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