Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 9

Vielleicht erinnert Ihr Euch noch, liebe Leser, ich war kürzlich in New York. Natürlich bin ich nicht allein gereist, außer meiner Mutter war auch noch mein Photoapparat mit dabei. Nun soll man ja in Manhattan zum Schutz vor Raubüberfällen nicht äußerlich als Tourist erkennbar rumlaufen und möglichst alles gut verstaut am Leib tragen. Also hab ich auch meinen Photoapparat nach Art eines Brustbeutels an einer Kordel um den Hals unterm T-Shirt getragen und mußte enorm viele Autogramme geben, da man mich fälschlicherweise für Eccentrica Gallumbits, die dreibrüstige Hure von Eroticon Sechs (eine Figur aus Douglas Adams´ „Per Anhalter durch die Galaxis“), hielt. Nein, war nur ein Scherz. Eigentlich wollte ich sagen: meine Photos sind jetzt entwickelt, und wißt Ihr, was nach der Brooklyn Bridge die zweitwichtigste Sehenswürdigkeit New Yorks ist? Mein Daumen!!! Steht in keinem Reiseführer, ist aber auf fast jedem Photo drauf!

Heute will ich zu Anfang des zweiten Absatzes meines „Nähkästchens“ mal eine Gretchenfrage stellen: Mickey oder Donald? Wen mögt Ihr lieber? Ich persönlich ziehe ganz klar Donald vor. Mickey ist zwar ästhetisch zum Symbol geronnen (ganz am Anfang, so vor hundert Jahren, war sie aber viel schöner, dünner und mit langem Schwanz, und ihre Lieblingsbeschäftigung war, Katzen zu ärgern und Knoten in deren Schwänze zu machen), heute ist sie nur noch selbstgefällig und von gedrungener Gestalt. Mickey ist immer im Recht, gut, verantwortungsvoll, tüchtig, erfolgreich und – langweilig. Donald dagegen ist auch nett anzusehen (vor allem natürlich aus der Feder von Meister Barks, echte Fans erkennen sowas mit verbundenen Augen, Bata kann hier allerdings wohl kaum mithalten), vor allem aber ist er richtig menschlich: cholerisch, faul, kein bißchen vertrauenswürdig, selbstsüchtig und chronisch versagend. Eine richtige Niete eben. Kann es Zufall sein, daß Donalds offizieller Geburtstag mit dem meinigen zusammenfällt? (Es gibt noch einen anderen, aber der ist erheblich inoffizieller…) Ich sehe mich zwar nicht unbedingt als Niete, finde aber in Donald ungleich mehr von mir wieder als in Mickey. Bei Mickey ist immer alles sehr ordentlich…

Ich muß schon sagen, diese Geburtstagsübereinstimmung erfüllt mich mit großem Stolz. Donald ist also Zwilling. Wir Zwillinge sind dialektische Wesen: himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Zwei Herzen wohnen, ach, in meiner Brust. (Ein von mir hochverehrter und promovierter Geisteswissenschaftler – auch ein Zwilling – entgegnete einmal bewundernd auf dieses Zitat: „Mensch Katja, wie Du so locker Goethe zitierst!“ Seitdem weiß ich, daß der Satz von Goethe ist.) Wir pendeln zwischen den Extremen, und einen Ausgleich gibts nur in unserer Gesamtheit, nicht im Einzelnen. So bin ich, und so ist Donald. Allerdings ist da wohl auch viel self-fullfilling-prophecy dabei. Wäre ich nach meiner Geburt im Krankenhaus vertauscht worden und man hätte mir gesagt, ich sei Waage, dann wäre ich heute sicherlich ein total ausgeglichener Mensch. Viele werden jetzt sagen: Hilfe! Bloß nicht! Bleib, wie Du bist!, aber so mancher Ex-Freund wird vielleicht denken: Doch, so´n bißchen ausgeglichener wäre nett gewesen. Ich kann aber beruhigen: bei Zwillingen schleift sich die Unausgeglichenheit mit dem Alter ab, und ab Mitte Zwanzig sind wir sogar sehr genießbar!

Das war der Werbeblock. Aber da wollte ich eigentlich gar nicht hin. Wie komm ich nur immer dazu, mein Seelenleben auf dem Seziertisch auszubreiten? Wir Zwillinge sind ein ziemlich narzistisches Völkchen. Und im Zeichen des Zwillings geborene Kolumnisten ganz besonders. (Neulich mußte ich auf einer Party bei einem Koffer-pack-Spiel mitmachen, und da hab einen Spiegel mit auf die Reise genommen. Ein Bekannter rief sogleich: „Narzissin!“ und lachte sardonisch.) Im Grunde wollte ich doch davon sprechen, daß ich viel lieber Donald-Comics gelesen hab als Mickey-Maus-Geschichten. Da war immer alles vorhersehbar. Am Ende hat sie jedesmal alle Probleme gelöst, Kater Karlos zur Strecke gebracht und trifft sich mit Minnie zum Candlelight-Dinner. Donald dagegen stand immer in einem Scherbenhaufen, und der war jedesmal anderer Gestalt! Oft haben mein Bruder und ich Comics gelesen, wenn wir uns nachmittags eine Zwischenmahlzeit bereiteten. Da ging das, denn dann hat unsere liebe Mutter nicht hingesehen, sonst hätte sie uns augenblicklich verboten, beim Essen zu lesen. Dabei fängt nämlich das Gehirn an zu brennen oder der Magen rollt sich auf und so´n Müll… Es soll aber stimmen, daß der Magen erst nach 20 min ans Gehirn meldet, wie hoch der Essenspegel ist. Also warum noch Rücksicht nehmen auf so´n Lahmarsch? Mein Bruder und ich, wir leben jedenfalls beide noch, sind auch ganz gesund, und was bei unseren Gehirnen weggebrannt ist, wurde eh nicht gebraucht! Jedenfalls erinnert sich mein Bruder noch daran, daß ich, wenn er uns zum Zwischenmahlzeit-Amüsement noch ein paar Comics aus seinem Fundus holen ging, immer gerufen hab: „Für mich nur Donald-Geschichten!“ Konnte er aber gut verstehen, er las zwar auch gern Mickey Maus-Stories, aber unterm Strich findet er Donald ebenfalls viel cooler.

Insgesamt mag ich die Geschichten aus den Heftchen lieber als die aus den „Lustigen Taschenbüchern“, denn da besteht der Löwenanteil der Handlung immer aus Abenteuern, und die mag ich nicht. Ich liebs eher im bürgerlichen Milieu, also zu Hause, im Garten oder höchstens noch in der Stadt. Aber nicht auf Verbrecherjagd in fremden Ländern oder gar im Weltraum. Das hat dazu geführt, daß ich von den Geschichten der „Lustigen Taschenbücher“ meist nur Anfang und Schluß kenn, den Rest hab ich überschlagen. Den Anfang mag ich, weil die meisten Aventüren eben in heimischen Gefilden ihren Ausgang nehmen, und irgendwann kommen die Figuren auch wieder da an, das ist dann der Schluß. Ich bin halt ein schlichtes Gemüt.

Wie gesagt, mit Donald verbindet mich eine Art Geistesverwandtschaft, meine allerliebsten Lieblingscomics aber sind die Peanuts! Das ist meines Wissens auch der einzige Comic, der genausogut als Zeichentrickversion funktioniert. Bei Disney klappt das zwar auch ganz gut (und bei den Schlümpfen), aber die Simpsons-Comics sind zum Beispiel einfach grauslich! Die sollte man sich wirklich nur im Fernsehen anschaun. Bei den Peanuts mag ich eigentlich alle Figuren, vor allem vielleicht aber noch Linus. Das mag daran liegen, daß auch mein kleiner Bruder einst daumenlutschend und mit einem Kuscheltuch aus einem Bettbezug-Fragment rumgelaufen ist; da ich weiß, daß er diese Kolumne liest, verrat ich natürlich nicht, daß er das bis in seine Grundschulzeit hinein getan hat… – überhaupt war das ziemlich unfair, denn um meinem Bruder das Daumenlutschen abzugewöhnen, wurde ihm von unseren Eltern ein Mickey Maus-Heft versprochen für jede Woche, in der er abstinent blieb; manchmal hab ich ihn erwischt und sofort verpetzt; das muß man aber auch verstehen: als Weder-Daumen-noch-Schnuller-Lutscherin gab es nichts, was mir abzugewöhnen war und folglich auch keine Belohnung für irgendwelche Unterlassungen; und wie zum Hohn war ich von uns beiden auch noch die einzige, die je eine feste Spange tragen mußte! aber nur zwei Jahre und nur unten, hat man kaum gesehen…

Also, ich mag Linus und natürlich Snoopy! (Und Woodstock!) Eine meiner Lieblingsszenen ist die, wo Snoopy nachts bei Charlie Brown an die Tür tritt und ihn aufweckt. Der öffnet die Tür, nimmt Snoopys Begehr entgegen, verschwindet kurz, kommt zurück und teilt seinem Hund mit: „Nein, tut mir leid, alle Schokoladenkekse schlafen noch.“ Dann trottet ein enttäuschter Snoopy zurück zu seiner Hütte… Ja, Charlie Brown ist nicht nur der ewige Versager, er kann auch streng und sogar richtig sarkastisch werden. In seiner chronisch loosenden Baseballmannschaft spielt Snoopy oft auf einer hinteren Position, und einmal ist er dabei im Stehen eingenickt und wacht erst etwas verwirrt und betreten auf, als ein Ball, den er hätte fangen sollen, vor ihm aufschlägt. Zu allem Übel kommt auch schon sein Herrchen und Mannschaftskapitän wie ein Berserker auf ihn zugestapft und giftet ihn an: „Oh, hat der böse, böse Ball dich aufgeweckt?!“ Diese Stelle mag ich sehr gern.

Ich hab übrigens noch ein ganz altes Mickey Maus-Buch, in dem auch eine Kuh und ein Pferd mitspielen. Die Kuh ist eine Freundin von Minnie und heißt im allgemeinen Klarabella, auf den Namen von dem Pferd komm ich nicht mehr, es tauchte nicht sehr oft in den Heftchen auf, aber wenn, dann heißt es ganz sicher nicht Pferdinand! So heißt es aber in meinem Buch, die Kuh heißt darin Kuhnigunde und Kater Karlo heißt Peter Schimmelpfennig!!! Ist das nicht rührend? Eine pflichtschuldigst eingedeutschte Fassung, um uns kleine Dummies vor amerikanischen Umtrieben zu schützen. Alle anderen Figuren heißen aber so wie immer.

Verrückte Katze

Was ich auch sehr empfehlen kann, ist ein echter Klassiker aus der Comic-Steinzeit namens „Krazy Kat“. Den hat sich sogar Picasso am Telefon von Gertrud Stein vorlesen lassen, wenn er keines New York Journals habhaft werden konnte. Die Grundgeschichte ist immer die gleiche: Krazy Kat ist eine androgyne anthropomorphe Katze, die in den Mäuserich Ignatz Maus verliebt ist und beständig um ihn wirbt. Daß dieser verheiratet und mehrfacher Familienvater ist, stört Krazy wenig. Auch daß der anarchistische Ignatz sie unablässig zur Zielscheibe seiner Untaten macht. In der Regel wirft er mit Ziegelsteinen, die er als Spezialanfertigung bei einer Ziegelsteinmanufaktur in Auftrag gibt. Nicht selten trifft er auch, doch das vergrößert Krazys Liebe nur. Der Dritte in dieser seltsamen ménage à trois ist Offissa Pup, ein Hund. Der Gesetzeshüter ist seinerseits in Krazy verliebt und hat so noch einen Grund mehr, Ignatz Maus mit schöner Regelmäßigkeit in Gefängnis zu stecken. Dies ist das Basisschema, in hunderten Strips von George Herriman variiert. Ein Wort noch zur Szenerie: „Krazy Kat“ spielt in Coconino Country, einer surrealistischen Phantasielandschaft mit mexikanischem Anstrich: Wüsten, eigenartige Topfpflanzen und bezaubernde kleine Fincas. Der Mond sieht aus wie eine Melonenscheibe und hängt an einer Schnur. Unmotivierte Tag-Nacht-Wechsel oder das komplette Umfrisieren des Interieurs von Bild zu Bild können schon mal vorkommen, und der Horizont kann unvermittelt zur Mauer werden, hinter der Ignatz Maus auftaucht, der sich wiederum auch einfach die Linie greifen kann, um Krazy darin einzuwickeln. Einfach strange!

Es ist wieder Zeit für eine Sparte, die im Grunde ein ebenso fester Nähkästchen-Bestandteil ist wie das „Warenkörbchen“ (das ausgerechnet heute fehlt, da Zeitmangel): die ZDF-Polemik! Ja, ich weiß, kein Mensch zwingt mich, den Mainzer Grusel-Kanal einzuschalten, aber ich hab nunmal nur drei Programme, und wenn das Lernhirn Pause macht, will es weder Knobel-Aufgaben lösen noch diffizile Leitartikel über das Bonner Steuer-Theater lesen, sondern sich einfach nur berieseln lassen (und, naja, ich geb´s zu – mir würd auch echt was fehlen, wenn ich mich nicht regelmäßig brüllend vor Lachen auf dem Boden wälzen oder mir vor Qual die Haare raufen dürfte – für beides ist das ZDF immer noch der beste Garant!). Mittlerweile geht mir schon wieder so die Galle hoch, daß ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, denn Haarsträubendes hat sich ereignet auf der Mattscheibe! Punkt eins: „Mensch Ohrner“. Talkshow-Moderationen sind der Sündenfall einer jeden Fernsehpersönlichkeit (es sei denn, man macht es so intelligent wie Alfred Biolek, Wieland Backes oder andere mehr, die einen vergessen lassen, daß es sich dabei ja um Talkshows handelt), aber es ist schön, zu sehen, wer heute noch blöd genug ist, sich eine Talkshow aufschwatzen zu lassen und sich einzubilden, er sei nicht überfordert damit, wirkliche menschliche Dramen im Rahmen einer Stunde öffentlich mit Würde abzuhandeln. Der einzige, der dafür geboren ist, heißt Jürgen Fliege, der Pfarrer im Schafspelz. (Frieden schaffen ohne Pfaffen!)

Ich wunder mich nun über zweierlei: wer kommt 1998 noch auf die Idee, eine tägliche Talkshow im Nachmittagsprogramm zu etablieren, wo es sowas ja praktisch sonst noch nirgendwo gibt, oder? Und wie darf ich verstehen, daß Tommy Ohrner sich angeblich jahrzehntelang abmüht, vom klebrigen Kinderstar-Image wegzukommen, sich dann tatsächlich einen Status als talentierter Show-Präsentator erarbeitet – und all dies aufs Spiel setzt für eine Sache, die peinlicher ist als Kinderstar-, Softporno- und Scheckbetrüger-Vergangenheit zusammen?!? Heute nachmittag ging es um ein absolutes Novum (Vorsicht: Ironie!) in Sachen Talkshow-Thema, nämlich „Liebe und Hiebe“ oder so ähnlich. Eingeladen war unter anderem eine Frau, die ich auch schon aus anderen Talkshows zu kennen meinte, deren eifersüchtiger Freund sie eines Tages mit Benzin überschüttet und angezündet hat. Von den Folgen erzählt ihr Gesicht eine gar traurige Geschichte. Mal abgesehen davon, daß die Frau auch nach der Tat noch fünf Jahre mit dem Mann zusammenblieb (und das als Mutter von drei Kindern! fast schon ein Fall für´s Jugendamt…) – das Verlangen, meinen Kopf gegen eine Mauer zu hauen, auf daß er verstünde, hatte ich vollends bei folgender Sequenz:
Ohrner: „Sag mal, hat sich diese Tat denn irgendwie angekündigt? War das nicht vorhersehbar?
Frau: „Nein. Nein. Überhaupt nicht. Ich mein, gut, der war schon manchmal – ja, der hat mich schon öfter mal zusammengeschlagen, aber sowas – nein!

Ohne Worte.

Bizarr auch eine Familie, die in derselben Sendung zu Gast war. Vater (58), Mutter (48), Tochter (18), zusammen: „Familie Asso“. Eltern leben in Scheidung, Mutter hatte was mit Kurschatten, Vater wohnt wieder mit Ex-Frau zusammen, beide unversöhnlich, Kind dazwischen und wohl loyaler der Mutter gegenüber, obwohl eine so doof wie der andere. Allein schon, daß man sowas im Fernsehn breittritt…! Was mich aber vielmehr interessieren würde: gibt es sowas wie eine „Zahlen-Neurose“? Die pathologische Eigenart, Mitmenschen mit der Nennung von Zahlen, Nummern, Daten zu belästigen, die man auf befremdliche Weise in Alltagskonversationen einflicht??? Konkret: „Vater Asso“ erwähnte in jedem zweiten Satz, daß ihm seine Frau am 16.8.1996 (in Worten: „am sechzehnten Achten Neunzehnhundertsechsundneunzig“) ihren Seitensprung beichtete, die Scheidung ist für den „zweiundzwanzigsten Ersten Neunzehnhundertneunundneunzig“ angesetzt. Das war allein schon strange genug, aber dann kam „Frau Asso“: Ja, den Seitensprung in der Kur habe sie sich geleistet, weil ihr Mann immer nur von „Vierzehn bis Achtzehn Uhr“ auf Besuch kam, nicht wie andere Männer von „Zehn bis Zweiundzwanzig Uhr“, manchmal hat sie zuhause angerufen, mal um „Acht Uhr“, mal um „Zweiundzwanzig Uhr“ – und nie war er da! – Jetzt die Frage: ist sowas erblich? Vermutlich, denn Zitat „Tochter Asso“: „Ja, und da ham sich meine Eltern mal so gestritten, daß ich den Notarzt angerufen hab – also, die „Einundzwanzig Einundzwanzig“ halt.“ – Verblüffend, oder?!

Punkt zwei: Johannes B. Kerner (fast schon ein topos meiner ZDF-Polemiken). Jaaa, so toll scheint das wohl nicht gelaufen zu sein mit den Quoten der ach so unterhaltsamen Johannes B. Kerner-Show. „Dschäi Bi Käi“ (haha)! Und alles mit eigener Produktionsfirma. Hätte nicht gedacht, daß es etwas gibt, was er noch schlechter kann als Fußballspiele kommentieren, immerhin, „Kein Geld der Welt“ ist absolut sehenswert, aber da ist auch das Konzept so gut, daß schon ein Wolfgang Lippert kommen müßte, um es kaputtzumoderieren. Nein, das behält sich Kerner für seine eigene Personality-Show donnerstagabends vor. Da schaltet man nichts Böses ahnend nach der Sommerpause wieder ein, und alles ist anders- und doch so vertraut, weil alles auf übelst plumpe Weise bei Schmidt geklaut. Zumindest alles, was sich klauen läßt: Schreibtisch, Deko und eingefügte Film-Sketche. Leider nicht mitgeklaut wurden: Originalität, Witz und die Kunst, intelligent zu interviewen. Das blöde Grinsen war schon vorher da, das hätte Schmidt nicht mal geschenkt haben mögen.

Nun, eine schlechte Personality-Show ist eine Sache, daran hatte ich mich auch schon vor der Sommerpause gewöhnt, aber so richtig peinlich wird´s erst, wenn man sich die Vergleichs-Folie gleich so unübersehbar in die Sendung reinimplantiert, daß man die Zuschauer förmlich zwingt, sich angewidert wegzudrehen. Und diese tödlich langweiligen Sketch-Filmchen – Lieber Herr Kerner, meine Fernsehzeitung berichtet alle Nase lang über die Existenz professioneller Witzschreiber, könnte es angehen, daß dies an Ihnen vorbeigegangen ist? Gut, sicher hat mein Chefredakteur recht mit der Feststellung, daß die besten schon bei Schmidt unter Vertrag stehen – aber die Kerner-Jokes sind so schlecht, als würde er sie selbst schreiben! So nach alter Firmentradition: hier macht der Chef noch alles selber. Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt…

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Gut, lassen wir das. Der Gipfel der ZDF´schen Geschmacklosigkeiten ist mit Abstand eine sonntagabendliche „“““Sitcom““““ (so viele Anführungszeichen kann ich gar nicht setzen, wie hier nötig wären) mit Anita Kupsch namens „Anitas Welt“. Ich habs nur ein einziges Mal nebenbei laufen lassen, als ich Geschirr gespült hab, aber ich weiß: es kann keine wirkliche Entschuldigung dafür geben. Ja, ich bin enttäuscht. Jahrelang war Anita Kupsch die sympathisch-spröde Gabi in „Praxis Bülowbogen“, immer um die Gunst Dr. Brockmanns ringend und irgendwie eine erfreulich „andere“ Schauspielerin, die auch in Interviews äußerst positiv rüberkam. Dann vor wenigen Wochen der Auftritt bei Kerner (zusammen mit Peter Hahne, dem als Nachrichtensprecher getarnten moralischen Zeigefinger des ZDF, und Herbert Grönemeyer, dem als Deutschrocker getarnten moralischen Zeigefinger der Musikbranche – man kann sich vorstellen, was ich gelitten hab…), im silbernen Glitzerfummel und, gelinde gesagt, hyperaktiv mit gräßlichen Zoten auf den Lippen und unerträglich kokett. Auf eben diesem Niveau bewegt sich auch ihre „“““““““““““““““Sitcom““““““““““““““““““: superblöde, primitive Zoten, einfallslose Verwechslungs-Handlungen und müde Wortspielchen – immer gekrönt von Applaus aus der Konserve. Beispiel gefällig? Also: Serien-Sohn Holger Handke befindet sich samt Serien-Kollegin hinter irgendeinem handwerklichen Aufbau, an dem irgendetwas zu richten ist, und um die Ecke steht ein älterer Kollege, der die beiden nicht sehen, aber hören kann. Er vernimmt mit hochrotem Kopf folgenden (aufs Wesentliche gekürzten) Dialog:
Serien-Sohn: „Oh, ich finde das Loch nicht.
Serien-Kollegin: „Sie müssen einfach nur den Stab reinstecken.

Aua aua, schnell wieder meine Wand zum Kopf-dran-schlagen…! Oder was soll man sonst machen angesichts einer superbiederen, platten Unterhaltungs-Serie, die sich nicht scheut, eine krebskranke Handlungsträgerin (Monika Peitsch) einzubauen, nur um Witze mit verrutschten Perücken einbauen zu können?!! Ich bin weit davon entfernt, hier mit political correctness zu argumentieren, ich finds einfach nur zum Heulen erbärmlich! Und was soll ich von Schauspieler/innen halten, die sich für sowas hergeben? Wie tief muß man gesunken sein, um bei sowas mitzumachen? Wie erpreßbar muß man sein, um zur Teilnahme an derartigen Machwerken gezwungen werden zu können? Oder muß ich davon ausgehen, daß die das wirklich witzig finden??? Wie auch immer: Von deutschem Boden soll nie wieder eine „Sitcom“ ausgehen!!! So wahr mir Gott helfe!

Schnitt. Zum Abschluß noch ein Mirakel: wie kommt es, daß in manch alter „Chicago Hope Hospital“-Folge, die man mir dankenswerterweise auf Video aufgenommen hat, zwar im Vorspann der Name meines Lieblingsschauspielers Mandy Patinkin (der spleenige Dr. Geiger) aufblinkt und ich mich schon freu, die Folge selbst allerdings bereits aus der Post-Patinkin-Ära stammt (als der spleenige Dr. Geiger längst von der Chirurgenzunft zur humanitären Vereinigung „Ärzteclowns retten Leben durch Lachen“ gewechselt ist und nicht mehr in der Serie erscheint)?! Wer macht sowas? Wer ist so grausam??? Oder hat sich Dr. Geiger vielleicht verkleidet? Spielt Mandy Patinkin hier etwa mal was anderes als einen spleenigen Doktor? Ist er die Frau an der Rezeption? Oder das Blaulicht auf dem Notarztwagen? Oder die Klemme im OP? Fragen über Fragen… Übrigens ist mir aufgefallen, daß fast alle Figuren in „Chicago Hope“ zumindest in der deutschen Fassung unglaublich hohe, dünne, heisere Fistelstimmen haben – ausgenommen vielleich der sympathische Dr. Shutt. Aber Dr. Kronk, Dr. Austin und Dr. Watters – alle nicht gerade angenehm anzuhören. Mit der deutschen Synchron-Stimme von George Clooney ist es das gleiche. Was ist hier los? Werden alle Figuren aus Kostengründen vom gleichen Sprecher gesprochen, ungeachtet, ob Männlein oder Weiblein? Oder gibt´s diese, ich nenn sie mal „Stimmen am seidenen Faden“ im Sechserpack billiger? Alle Sorgenkinder der Sprecherziehung zusammengeballt in der gleichen Synchro-Schicht? Sei´s drum, ich guck´s trotzdem gern.

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