„Es gibt eine Schwachstelle im System. Eine Vermischung von Politik und Sexualmoral, die neu auf dem Markt ist. … Der Fall in ihrem Institut, sexuelle Belästigung, feministischer Protest, Political Correctness. Das ist wie eine Kernfusion, die ganz neue Strahlungen freisetzt. Tödliche Strahlungen. Sie führt zu Krebs in der Politik und Krebs im Journalismus.“
Hanno Hackmann, der Protagonist des Romans und seines Zeichens angesehener Professor für Kultursoziologie hat eine kurze Affäre mit einer Studentin und gerät als Folge diverser Zufälle in einen Strudel von Verdächtigungen und Beschuldigungen und muß sich am Ende einem Schauprozeß wegen angeblicher Vergewaltigung stellen. Was ihn dahin bringt ist eine gewaltige Verschwörung, eine Verschwörung allerdings, die nicht geplant ist, sondern die Folge vieler kleiner Zufälle und einzelner Intrigen vieler Beteiligter, die alle nur auf ihren eigenen Vorteil hoffen.
Schwanitz holt in seinem Romandebüt zum großen Rundumschlag aus, gegen alles, was ihm in seiner Umgebung mißfällt. Der Professor für Englische Sprache und Kultur in Hamburg wettert gegen das verkommene Bildungssystem der Uni Hamburg, künstlich verbesserte Notenschnitte, Professoren und Dozenten, die mehr an Karriere und Politik als an ihrem Lehrauftrag interessiert sind, Studentinnen, die ihre Ignoranz durch feministischen Fundamentalismus zu übertünchen versuchen, etc…). Aber sein Zorn richtet sich nicht nur gegen die Zustände auf dem Campus, auch gegen SPD-CDU Machtfilz in Hamburg, Presse, TV-Krimiserien, etc…
Was in der Zusammenfassung klingt wie das Salbadern eines mit der Welt und sich selbst unzufriedenen, notorischen Meckerers liest sich fast durchgehend flott, unterhaltsam und sogar spannend. Lediglich an einigen Stellen wirken die Attacken im „Campus“ etwas aufgesetzt und zu sehr auf Abrechnung und Belehrung ausgerichtet. Wenn er sich z.B. eine Seite lang über Derrick/Tappert ausläßt so ist das ein paar Zeilen lang ebenso richtig wie unterhaltsam, aber in der ganz großen Packung und reichlich unmotiviert, wirken solche Passagen wie ein Fremdkörper. Aber über mehrere Absätze reichende Monologe seiner Figuren über die Schlechtigkeit des Fernsehprogramms oder des Bildungswesens bleiben glücklicherweise leicht zu überlesende Ausnahme.
Dietrich Schwanitz
Der Campus (Gebundene Ausgabe)
381 Seiten (1995)
Eichborn Vlg., Ffm.; ISBN: 3821803916