Franquin ist tot. Der Vater von Fantasio, Gaston und Marsupilami hat uns verlassen – und einen zweiten findst du nimmermehr. Keinen der so elegant die Tusche fließen läßt, keinen der so trefflich die Feder schwingt. Von wem hat man das noch gesagt: Meister der lebendigen Linie? Picasso? Ah der!
Wohl gibt es Adepten, Schüler… allein, das Wasser konnt ihm keiner reichen. Hier wirkt eine Faust zu sperrig, da eine vorwitzige Haarsträhne zu wenig vorwitzig, und die Knie schließlich in all ihrer elastischen Spannung hat schon gar keiner der zahllosen Nachmacher hingekriegt – und ich muß gestehen, auch ich war einst ein solcher.
Und das ist nicht alles, Geschichten hat er geschrieben, Geschichten mit Pointen, mit 1A-Pointen, die immer an der richtigen Stelle saßen. Er beherrschte die große Form, und auch die kleine Form, das 50-Seiten-Album genauso wie den Einzeiler und wenn ich zurückblicke, so fällt mir keines seiner Werke ein, das ich nicht mit Vergnügen gelesen hätte.
Sicher, Franquin war ein gottverdammter Moralist. In seinem Universum hetzte er fleischfressende Pflanzen auf Büroboten und sympatische Pelztiere auf Bürokraten und das alles, um zu zeigen, daß es das Böse nur gibt, um das Gute am Ende siegen zu lassen. Und auch in seinen „Schwarzen Gedanken“, der Gegenwelt, die er als Spätwerk schuf, und in der an allen Ecken und Enden Tod und Vernichtung triumphieren, geht es letztendlich nur darum, daß Hochmut vor dem Fall kommt.
Vielleicht ist das der Grund, warum Franquin für mich nie zu den Autoren gezählt hat, von denen ich sagen kann, sie haben mich nachhaltig beeinflusst. Wohl habe ich mit vierzehn die Geschichten um Gaston, für uns damals JoJo, verschlungen, entsprachen sie doch nur zu sehr meiner pubertären Seelenverfassung, und mit zwanzig war ich verzaubert von der anmutigen Unschuld des Urwaldfabelwesens Marsupilami. Dennoch, sonderlich bewegt hat mich Franquin niemals, angeregt schon, und so möchte ich die Stunden mit ihm nicht missen.
Wenn ich’s mir recht überlege, so spielte er für uns die Rolle eines junggebliebenen Onkels und Hagestolzes, der oben unter dem Dach in einer mit viktorianischem Krimskrams vollgestopften Kammer wohnt. Man besucht ihn regelmäßig nach der Schule, um sich Kartentricks und seltene Briefmarken zeigen zu lassen. Dann zieht man weg und Jahre später hört man, er sei jetzt gestorben und man fragt sich, ob einer die Briefmarkensammlung bekommen hat.
Nein, hat keiner und ich sehe keinen der uns Franquin ersetzen könnte. Franquin ist tot und er fehlt uns, wie ein Schmetterling, der ausgestorben ist.
(rw)