Der Exzentriker, Lyriker und Popmusiker Morrissey zeigt sich mal wieder von seiner besten, das heißt leidvollsten Seite. „Maladjusted“, unangepaßt, entfremdet – der Titel ist Programm. Morrissey aus dem grauen Manchester bringt es auf seinem sechsten regulären Sololongplayer fertig – wie immer in seinen guten Momenten – Pathos mit Leidenschaft, Zynismus mit Humor und Intelligenz mit Unterhaltung zu verknüpfen. Sei es die mit Ironie hoch drei gewürzte Geschichte eines scharfen Fensterputzers („Roy’s Keen“), sei es ein gefällig-abgründiges Seele/Leib-Drama (die Single-Auskopplung „Alma Matters“) – der homoerotisch-asketisch-neurotische Morrissey findet diesmal fast immer die richtigen Ausgänge aus seinen Wahnvorstellungen.
Erleichternd hinzu kommt der satte Sound seiner Musiker. Morrissey selbst singt ja nur, klimpert ab und zu mal auf einem Klavier und ist ansonsten für die Texte zuständig. Die Musik lieferten in der Morrissey-Historie immer schon Musiker der klassischen Britpop-Schule – also des Sounds der frühen Beatles und der Who, der Small Faces und der Kinks. Die Morrissey-Story beginnt 1982 mit den Smiths, der erfolgreichsten britischen Gitarrenpopband der 80er Jahre. Vor genau zehn Jahren hat die sich aufgelöst, Komponist damals war Johnny Marr, heutiger Haupt-Musikwegbegleiter Morrisseys ist Alain Whyte, ehemals unter anderem bei Memphis Sinner gitarregreifend und komponierend tätig.
Morrissey ist – trotz seines ständig herausgekehrten Patriotismus – ein Exot. Seine Gewaltphantasien, sein Sarkasmus, sein Philosophentum machen ihn zum perfekten Antipoden all dessen, was politisch korrekt, tausendmal gedacht und – vor allem – langweilig ist. Und die Musik? Die ist auf altmodische Art gediegen. Ein Grund mehr, sie sich anzuhören.