Cindy Crawford´s Make up

Eins vorweg: ich hab das Buch geschenkt bekommen (von einer SR-Mitarbeiterin, die es nach erledigter Rezension schleunigst loswerden wollte…). Und ich bin heilfroh, daß ich schon Mitte 20 bin, vor zehn Jahren wär ich nach der Lektüre wohl nur noch mit Papiertüte überm Kopf aus dem Haus gegangen. (Komplexgeplagte Teenager: Finger weg von diesem Buch!)

Daß dieses Werk überhaupt besprochen wird, liegt natürlich nicht an seiner Thematik oder irgendwelchen bahnbrechend neuen Erkenntnissen in Sachen Schminken, sondern einfach am klangvollen Namen der Autorin. Cindy Crawford ist jetzt 30 und offenbar zu alt für Laufsteg und Fitneß-Videos. Der Catwalk war allerdings laut Expertenmeinung noch nie ihre Stärke, die liegt mehr in ihrer photographischen Präsenz und ihrem Symbolwert als Pop-Ikone. Und genau das macht das vorliegende Werk interessant (die Make up-Tips fungieren lediglich als Vehikel, um aus einem Cindy Crawford-Bildband ein Sachbuch zu machen, das sich auch Frauen kaufen). Und die Photos sind schon klasse, Cindy Crawford mag ungeschminkt meinetwegen wie ein All-American-Girl aussehen, aber garantiert immer noch phantastisch. Irgendwie hat sie es geschafft, als Überfigur aus der Model-Masse herauszuragen – wie, weiß ich auch nicht, da wirken wohl mehrere Faktoren zusammen. Das fängt beim Namen an, den man nicht besser hätte erfinden können, vielleicht spielt auch die an sich wenig glamouröse, von Klischees unbelastete braune Haarfarbe eine Rolle und sicherlich ihre ausgeklügelte Marketingstrategie, Cindy Crawford ist längst ein Produkt, eine Trademark – so wie ihr Markenzeichen, das Muttermal (von dem die Legende sagt, als junges Model sei Crawford von den Agenturen immer mit dem dem Rat abgewiesen worden, es sich entfernen zu lassen…).

Unübertroffen ist allerdings auch ihre Selbstironie: welches andere Super-Model berichtet so freimütig von überschminkten Pickeln und Bauch-Einziehen bei Photo-Shootings (das mag man glauben oder nicht…)! Um einen früheren Crawford-Ausspruch zu zitieren: „Viele Frauen träumen davon, so auszusehen wie wir. Was sie nicht wissen: wir sehen auch nicht so aus!“ Geschickt, Cindy: mit eben dieser Philosophie darf man dann auch ein Schminkbuch ´rausbringen, das suggeriert, mit dem richtigen Make up könne jede Frau so aussehen wie Du!

Sei es drum. Das Fundament des Crawford´schen Schmink-Kurses bildet eine dicke Schicht Understatement (vor ihrer Model-Karriere habe sie nie Make up benutzt, richtig eingeschüchtert sei sie ob der vielen Utensilien gewesen, und nur durch Beobachtung und die Hilfe anderer habe sie es schließlich erlernt, aber Expertin sei sie ja noch lange nicht bla bla…).

Kürzlich sei sie gar in der Kosmetikabteilung eines Kaufhauses gewesen, wo eine Verkäuferin zu ihr sagte: „Schätzchen, mit ein bißchen Make up könnten Sie echt hübsch aussehen!“

Ihr Image definiert sie als „das Mädchen von Nebenan“, und vor Verlassen des Sets schminkt sie sich immer gründlich ab und bindet ihre Haare zum Pferdeschwanz („Gute Frau!“ würde Johann Lafer sagen). „Natürlichkeit“ ist Crawfords Mantra, und in deren Zweck stellt sie auch ihre Kosmetik-Tips. Über mehr als hundert Seiten erstreckt sich ihr kleines Einmaleins der Kunst des Schminkens, mit erläuternden Zeichnungen versehen und gespickt mit Photos, die selbst einen Aschenbecher oder ein Glas Wasser nach Haute Couture aussehen lassen. Gemäß ihres Leitmotivs beginnt das Buch der Amerikanerin mit Kapiteln über Natürlichkeit (natürlich!) und die innere Einstellung. „Ich habe nie eine Gelegenheit zum Ausgehen verpaßt, nur weil mein Gesicht oder meine Haare nicht hergerichtet waren.“ Ihr Werk ist der „Schönheit in jeder Frau“ gewidmet, in übersichtliche Textblöcke gegliedert, ultramodern layouted und mit einer praktischen Ringbindung versehen (wer hat schon im Badezimmer eine Buchstütze à la Biolek-beim-Kochen?).

Also, wem´s wirklich ums Schminken geht, der fährt mit diesem Buch nicht schlecht, von Reinigung und Pflege bis hin zur Gestaltung der einzelnen Gesichtspartien ist alles enthalten, ergänzt durch jede Menge „Insider-Tips“ (z. B. bei kreidigem Make up einfach einen Hauch Wasser ins Gesicht sprühen…) – darum kauft man ja schließlich die Ergüsse eines Top-Models! Überhaupt hat man nach der Lektüre das Gefühl, auf Du und Du mit der Crawford zu sein, so persönlich ist der Ton der Texte, und das Thema Make up gehört ohnehin zum Intimsten, was man sich so „unter Frauen“ erzählt, oder? Und in dieser Hinsicht erfährt der Leser (wahrscheinlicher: die Leserin) auch von Cindy Crawford Unglaubliches: „Manchmal macht es mir nichts aus, mit Tränensäcken unter den Augen herumzulaufen, weil ich finde, daß sie weiblich und in gewisser Hinsicht sogar erotisch wirken“. Oder den Rat, nach dem Waschen von Puderpinseln nur im äußersten Notfall die Borsten zu stutzen, „sie wachsen nicht nach“! Genauso wertvoll: die Feststellung „Es gibt keine Toupets für Augenbrauen“, und „entfernte Härchen kann man nicht mehr ankleben“. Gipfelnd in einer rhetorischen Frage: „Betrachten Sie das Make up, das die (Make up-)Verkäuferin selbst trägt: Möchten Sie so aussehen?“

Interessant auch Crawfords einleitendes Resüme: „Dieses Buch gleicht einem Kochbuch“ (Hinter-Net! kocht mit Cindy Crawford?!! Man nehme 1 EL Mascara, 250 g Feuchtigkeitscreme und 1 Prise Puder…). Und der Verdacht, das Model sei eine unerkannte Hinter-Net!-Mitarbeiterin, erhärtet sich noch: „Die meisten von uns kennen die Frage, was man auf eine einsame Insel mitnehmen würde“, klar (siehe dazu auch unsere Inselplatten), es überrascht aber doch wenig, daß Miß Crawford lieber auf ihre Lieblings-CDs verzichtet statt auf Lipgloss und Abdeckstift.

Aber im Ernst: das Buch enthält einen einzigen Satz, für den allein sich die Anschaffung schon lohnt: „Wenn nichts mehr hilft, Lächeln!“. Nur – wozu dann überhaupt das Buch?

Cindy Crawford´s Make up. Profi-Tips für jeden Tag
Mosaik Verlag, München 1997

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