München, Muffathalle, 29.12.1997
Neuzeitlicher Krach statt mittelalterlicher Mystik
Der Narrengeiger hat die Zeitmaschine entdeckt. Still und leise ist er in der Gegenwart gelandet. BBreuler nennt er sich. Auch seine Kumpels haben ähnlich spaßige Namen wie Kokulorus Mitnichten oder BDeutung.
Und dann erst dieser unaussprechliche Bandname – „The Inchtabo…. was?“ Die Berliner Band hat seit ihrer Gründung 1991 und dem Erstling „Inchtomanie“ nicht nur mit sprachlichen Witzchen auf sich aufmerksam gemacht. Ihr ganz spezieller Mix aus Geigen, Celli und einer Prise Punk hat eine breite Welle losgeschlagen.
Es fiedelt und hopst allerorts, mal mehr überzeugend, mal weniger. Als die Welle auf den Strand zusteuerte, wendeten sich die „Inch“ mit der CD „Quiet“ ab und setzten mehr und mehr auf noisige Klanggebilde, auf eine gesunde Härte, wie es BBreuler nennt.
Das umjubelte Konzert in München – Abschluß der 34tägigen Tournee – zeigte, daß die Fans den Stilwechsel durchaus akzeptieren, klar wurde aber auch, daß die „Inch“ eine schwierigen musikalischen Balanceakt vor sich haben. Der Set setzte sich nahezu auschließlich aus Songs vom ersten Album „Inchtomanie“ und von der jüngsten CD „Quiet“ zusammen. Ein geschickter Schachzug. Klassiker wie „Three Gypsies“ oder „Pod Vecem“, nicht zu vergessen der „Tomatenfisch“ versöhnten die Fans der ersten Stunde, Kracher wie „Die Taube“ oder „Übertrieben“ bliesen dem Publikum gehörig den Marsch.
Klar zu hören war, daß die Folk-Elemente, die Geigen-Melodienbögen und das tänzerische der früheren Inchtabokatables wohl für immer der Vergangenheit angehören. Ob sich die Band damit einen Gefallen getan hat, oder, wie viele befürchten, demnächst in der Schublade „Krachmacher für den gehobenen Geschmack“ verschwindet? Für die „Inchtabokatables“ sprechen die Live-Qualitäten, die anarchistische Lebensfreude und, ja, trotz allem, die mittelalterlichen Wurzeln. Krach machen viele, aber nur eine Band versüßt die Brutalität mit magisch-hypnotischen Geigen.