Frl. Katjas Nähkästchen, Folge 11

Hallohallo, könnt Ihr mich verstehen? Ich war sehr erkältet, die Stimme ist noch nicht wieder ganz da, und ein bißchen verschnupft kling ich auch noch, aber ich denk, es wird gehen. Ja, mich hatte es richtig erwischt, denn ich war so doof, mich direkt an den ersten schönen Tagen (die berühmte „Übergangszeit“) zu dünn anzuziehen, und zack – schon war´s passiert. Das waren diese herrlich warmen Sonnentage vor circa zwei Wochen, wo mir Oskar so leid tat, denn hier in Saarbrücken war´s wochenlang eklig verregnet und naßkalt, und dann gibt´s endlich mal gutes Wetter, und man ist auch grad beruflich weniger eingespannt – und darf trotzdem nicht raus oder höchstens in den Garten, weil vorne die ganzen Journalisten lauern…! Naja, nu isser ja weg, und in der Saarbrücker Zeitung war ein klasse Photo, wie sich Familie Lafontaine aus dem Staub macht: sie vorne (ungeschminkt!) in diesem kuriosen uralt-Benz, angestrengt übers Lenkrad gebeugt, daneben der Sohn mit der gruseligen Prinz-Eisenherz-Frisur, und er hinten (im „Fond“), auf der Rückbank, einen Arm nach vorne gestreckt und auf irgendwas deutend, jedenfalls in klassischer Pascha-Pose (Fahr da rechts! Siehst du das Schild da?! Da lang! oder so…).

Jaja, ich war gar krank. Ich war so krank, daß ich einen Tag und eine Nacht lang überhaupt nicht aus dem Bett konnte und mir den ganzen Tag Talkshows bei den Privaten anschauen mußte. Jetzt krieg ich ja mehr als drei Pogramme, nicht mehr wie früher… Und wenn man vor Schmerz und Pein nicht schlafen kann, höchstens mal ein bißchen dösen, dann sind Serien, Sitcoms oder eben Talkshows das Beste, was einem passieren kann. Hilft auch, wenn man sich mutwillig mit zuviel Gummibärchen den Magen verdorben hat. Und zwischendurch kommt dann mal der Chefredakteur vorbei und überläßt einem gegen einen immer noch geringen Obulus eine Erasure-Hit-Compilation, für die der professionelle CD-Kunde im Wohnzimmer nur 50 Pfennig zu geben bereit ist. Cool! Hab ich mir gleich am nächsten Morgen mit Kopfhörern reingezogen und dabei festgestellt, daß es mir wieder ganz gut geht. Nur mit dem Kaffee hab ich noch ein bißchen gewartet, mit dem Ergebnis, daß ich gar nichts mehr gewöhnt war und die ersten Tassen „danach“ alle wie Überdosen gewirkt haben. Mittlerweile geht´s mir wieder so gut, daß meine Tassen-Anzahl von Tag zu Tag steigt, ohne daß noch irgendein Effekt einträte. Vorhin hab ich mit einer ebenfalls bös erkälteten Freundin telefoniert, die sich aus purer Not heute früh Zimt (!) in den Kaffee geschüttet hat, damit er wenigstens nach irgendwas schmeckt! Nein, so macht Kaffee-Trinken wirklich keinen Spaß. Auf Milch hat meine Freundin zur Zeit gar keine Lust, denn da „verschleimt man nur noch mehr“. Wie wahr. Nun, zurück zu den Talkshows. Am liebsten guck ich ja Birte Karalus, nachdem mich Kalkofe darauf aufmerksam und sozusagen auf den Geschmack gebracht hat. Birte steht in der Hackordnung noch ein bißchen weit unten und hat auch noch keine eigene Produktionsfirma, deshalb kriegt sie als Gäste nur den Ausschmuß, die Ober-Assos halt. Das ist so, wie den älteren Spielern die Taschen von der Kabine zum Bus tragen zu müssen. Wenn man Glück hat, sprechen sie halbwegs verständliches Deutsch, aber ganz dicht sind die alle nicht und wahrscheinlich auch Schule nach der vierten Klasse abgebrochen… Entschuldigung, ich weiß, das klingt elitär, aber so isses doch! Neulich hab ich mich allerdings dabei ertappt, wie ich in mir etwas tadelnd und ziemlich von oben herab den Kopf über Bärbel Schäfer geschüttelt hab und dachte: Ts ts, das hat die doch nicht nötig. Wie hält solch eine intelligente Frau wie sie das nur aus, jeden Tag dieses Assos?! Die durchschaut das doch alles! Also, wie um alles in der Welt – ???!! Hm, dachte ich dann (wiederum bei mir), vielleicht, weil Leute wie DU, ja DU (also ich selbst) das so gern gucken!!! Und auch öfter. Ha, ertappt! Ich geb´s ja zu. Damit hatten die imaginären Fragen an Bärbel Schäfer dann erstmal ein Ende. Okay, die ganze Asozialität der Talk-Gäste will ich mal beiseite lassen, aber ich kann ja wohl verlangen, daß sie ihre Thesen wenigstens halbwegs engagiert vertreten, oder? Sonst macht das Ganze ja keinen Spaß. Menno!

Konkret: neulich war bei Birte das Thema „Meine Eltern können mich mal“ oder so. Eingeladen war auch ein junger Bursche von circa 15 Jahren, der sich also mal so richtig auskotzen sollte. Nun, zuerst schlurfte er tranig aus der Deko an die Talk-Theke, wo sich Birte dann nochmal erkundigte, ob ihn seine Eltern mal könnten.
Bub: Hhmmm, ja klar.
Birte:Warum?
Bub: Och, ich muß zuhause halt alles machen.
Birte:Was denn so?
Bub: Jaaaaaa, Katzenklo saubermachen, einkaufen…
Birte: Aber das ist doch wirklich nicht viel!
Bub: Nööö, eigentlich nicht.

Alles klar? Also bitte, wenn ich mir den Scheiß schon anguck, dann sollen die Darsteller wenigstens ordentlich ihre Rollen gelernt haben! Als dann der Vater (die Gegenseite) grimmig aus der Deko an die Talk-Theke stapfte, wurde mir einiges klar, ich kannte nämlich beide schon aus einer anderen Talkshow wenige Wochen früher, wo es hieß „Die Freundin meines Sohnes ist eine doofe Schlampe“ oder so – derselbe Sohn, derselbe Vater!!! Und im Publikum eine heulende, etwa zwölfjährige Schl-, äh, Göre, die nicht mit dem Bub in Urlaub durfte, der stattdessen vom Vater mit einer anderen Schl-, äh, Göre in Urlaub geschickt wurde. Der Sohn war zwar altersbedingt motzig, aber irgendwie war ihm das alles eh wurscht.

Eine Freundin bestätigte meinen Verdacht, der da lautete, daß sich manche Menschen eine schnelle Mark verdienen, indem sie einen Haufen CDs verkaufen, äh, indem sie sich zu jedem x-beliebigen Thema in eine Talkshow setzen und den entsprechenden Müll ablassen, der halt grad gefragt ist. Ja, stimmt, sagte meine Freundin, die gerade eine Reportage zu diesem heiklen Thema gesehen hatte: tatsächlich handeln die Redaktionen untereinander mit Gäste-Karteien, wo nicht nur verzeichnet ist, wer für was in Frage kommt, sondern auch Charakteristika des Temperaments (schlapp, ordinär, vulgär, temperamentvoll…) und so weiter. So wie die Karteien, die man halt über seine Liebhaber führt, kennt man ja. Ich bin erschüttert!

Schnitt. Mein zweites Thema heute heißt „Angst-Lust“. „Angst-Lust“ ist ein Begriff aus der Psychologie und wird in populär-wissenschaftlichen Abhandlungen meist im Zusammenhang mit Splatter-Movie-Fans gebraucht. In diesem Kontext geht es allerdings um mich und meine ganz persönliche Angst-Lust. Die hat mit Horror-Filmen gar nix zu tun, außer: wer guckt mit mir am Samstag das „Schweigen der Lämmer“? Ich hab mich nämlich bis heute nicht getraut, und alleine mag ich nicht, obwohl ich schon gern endlich mal würd.

Bitte recht freundlich

Nein, das eigentliche Objekt meine Angst-Lust heißt – jawohl, „Krokodile“! Hieran kann ich auch gleich prima das Wesen der Angst-Lust erklären: zunächst einmal ekel ich mich von ganzem Herzen vor Krokodilen. Sie sehen furchtbar häßlich aus, diese Steinzeit-Echsen mit ihren massigen Körpern und dem oft feuchten, holprigen Panzer. Wie sie so auf ihren kurzen Beinchen über das Land kriechen. Aber im Wasser blitzschnell! Da schwimmen sie dann immer so scheinheilig wie modrige Baumstämme, höchstens daß mal ein listiges Auge über Wasser blinkt. Und ihr Maul hat immer so ein verschlagenes Lächeln, obwohl das natürlich nur eine belanglose Folge ihrer Physiognomie ist. Aber trotzdem! Woher kommt denn wohl der Begriff „Krokodilstränen“, hä?! Wird schon seine Bewandnis damit haben, ja-ha!!!

Merkt Ihr was? Ich kann stundenlang über Krokodile erzählen, etwa daß sie ihre Beute gern ertrinken, indem sie sie unter Wasser ziehen oder sich solange mit ihr durchs Wasser rollen, bis sie tot ist. Dann stopfen sie sie in eine Höhle unter Wasser, bis sie richtig modrig und verfault ist, denn Krokodile haben zwar ein tolles großes Maul mit einer sehr hübschen rosa Zunge, aber die Zähne sind nur Nepp, mit denen können sie im Grunde nix wirklich beißen, deshalb müssen sie ihre Nahrung eben erst ein Weilchen einweichen!

Kleine Krokodile schlüpfen aus Eiern, und dann trägt sie die Mutter in ihrem Maul an einen anderen, sicheren Platz. Eins nach dem anderen. Lange Zeit unterlagen Krokodil-Forscher einen dummen Irrtum, weil sie nicht gründlich genug forschten: sie sahen nur, wie die Mutter ihre Kinder nach und nach ins Maul nahm, wegging und und ohne Kind wieder zurückkam. So entstand der schreckliche Verdacht von der kannibalischen Kroko-Mutter. Was die Forscher jahrzehntelang nicht sahen, war, wie Mama Kroko an einem anderen Ort ihr Kind jeweils wieder auf dem Maul rausließ und absetzte, denn sie hat eine Haut-Tasche unten im Maul, ja-ha!

Die zweite Seite meiner Angst-Lust nimmt langsam Gestalt an, Ihr ahnt es schon: ich ekel mich zwar, aber ich rede auch gern über Krokodile, und ich schau sie mir sogar gern an! In meiner Heimat-Stadt Mannheim gibt´s ein tolles Krokodil-Haus im Luisenpark, da trifft man mich oft. Haste mal 'n Gnu?

Ich guck mir auch gern Krokodile in Büchern an oder suche in Lexika unter dem Buchstaben „K“. Ist ein Photo dabei, streichel ich es schaudernd. Aber ich streichel es. Auf Vox und im ZDF guck ich mir jede Kroko-Doku an, die es gibt. Und es kann gar nicht genug geben! Meine Lieblings-Szene ist immer, wenn eine Horde Gnus, Zebras oder Gazellen durch einen Fluß muß, obwohl der total Krokodil-verseucht ist. Erst warten sie noch oder stecken höchstens mal eine Zehe rein, aber dann siegt der Hunger – der der Gnus/Zebras/Gazellen, aber mehr noch der der Krokodile! Hei, ist das ein Gepatsche und Gespritze. Manchmal hat eines dieser Gnus/Zebras/Gazellen auch Glück und erwischt ein Krokodil am Auge: das ist nämlich ihre einzig empfindliche Stelle, und Ihr solltet mal sehen, wie schnell ein Krokodil unter diesen Umständen wieder von seiner Beute abläßt! Bei manchen Zebras hat man direkt das Gefühl, sie beißen dem armen Krokodil mit Absicht ins Auge!

Haaaallooooo!

Mein Bruder kann übrigens keine blaß-grünen Lebensmittel mehr essen, seit er mal versehentlich einen Film über eine Krokodil-Farm gesehen hat, wo kleine Baby-Krokodile zum Schlachten gezüchtet werden. Das war fatal, da unsere Mutter im Garten bevorzugt Zucchini anbaute, die auch tatsächlich wie Unkraut gediehen, und außer Zucchini-Tee und Zucchini-Marmelade gab es damals eigentlich nichts, wozu meine Mutter ihre grüne Pracht nicht verarbeitete. Ihre gebratenen Zucchini-Puffer waren allerdings sehr lecker, nur leider auch grün, und so konnte sie mein Bruder von einem Tag zum andern nicht mehr essen!

Mich persönlich hat diese Zucchini-Plage insgesamt aber ziemlich genervt, und als ich mal vor circa zehn Jahren in den Ferien das Haus hütete, hab ich absichtlich keine geerntet. Die wurden dann so groß wie Baseball-Schäger, waren schrecklich verholzt und haben den Platz für nachwachsende blockiert. Meine Mutter war ziemlich sauer. Zurück zur Angst-Lust. Muß ich noch mehr dazu sagen? Nein? Hab ich mich genug geoutet? Is´ jetzt gut?

Okay, mir sind noch zwei Dinge eingefallen, vor denen ich als Kind zwar Angst, aber weniger Lust hatte. Die Top-Two meiner Klein-Mädchen-Paranoien:

Platz 2) Da war zum einen die völlig berechtigte Sorge, ob nicht der Räuber Hotzenplotz vielleicht unter meinem Bett lag, wenn ich abends um sechs schlafen gehen mußte! (Ein Elternteil mußte immer noch mitkommen und zur Sicherhheit unters Bett schauen.)

Platz 1) Und zum andern die ständige Panik, eine bissige Schlange könnte aus der Toilette schießen, während ich Pipi machte. (Da half nur ein scharfer Blick vorher, und dann schnell-Machen!)

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