Christine Westermann: Baby, wann heiratest du mich?

Christine Westermann gehört zu den glücklichen Menschen, die von Zeit zu Zeit in der Lage sind, sich selbst neu zu erfinden. Hat man jedenfalls als Außenstehender den Eindruck. Seit Jahrzehnten ist sie nun in Hörfunk und TV tätig, hat es geschafft, mit der Moderation von Regionalmagazinen und der ZDF-Drehscheibe halbwegs anonym zu bleiben, und erobert sich in den 90ern nochmal ein komplett neues, ein jüngeres Publikum. Und erhält dafür den Grimme-Preis! Die Sendung, die sie moderiert, war ursprünglich nur als Sommerloch-Füllsel geplant, und an ihrer Seite turnt der durchgeknallte Götz Alsmann als „agent provocateur“ über die Mattscheibe.

Westermann selbst hat in der Sendung „Zimmer frei“ offiziell den Part der „Journalistin“ inne, aber in Wahrheit sind sie und Alsmann dort nur eines: nämlich Kinder. Und zum Ausgang des Jahrtausends präsentiert sich Westermann in einer weiteren Rolle, diesmal als Buchautorin. „Baby, wann heiratest Du mich?“ heißt ihr Erstlingswerk. „Ein Roman aus dem Beziehungsdschungel“ mit autobiographischen Zügen, aber das wird niemanden wundern, der genügend „Zimmer frei“-Folgen gesehen hat.

Dort ist Westermann bekannt dafür, im Gespräch mit Gästen besonders heftig beim Thema „Liebesleben“ zu insistieren, sich den Pony aus der Stirn zu blasen, unziemliches Kichern durch krampfhaftes Ernstgucken wieder unter Kontrolle zu bekommen, über die eigenen körperlichen Unzulänglichkeiten zu jammern und vor allem in (gespielter?) Hilflosigkeit die Hände über ihre Unfähigkeit zur bürgerlichen Familienbildung zu ringen. Exakt der Stoff, aus dem auch ihr Roman ist. Die private Christine Westermann stolpert nämlich von einer Beziehung in die nächste, fällt dabei einige Male kräftig auf die Nase und hofft weiter mit mädchenhafter Unbeholfenheit auf den Richtigen. Das männliche Sammelsurium ist beeindruckend facettenreich: vom gewissenhaften Kinderarzt in spe über Kameramänner, Regisseure und einen proligen Moderator bis hin zu amerikanischen Blind Dates während der Zeit in San Francisco. Zeitliche Überschneidungen möglich. Die liebenswerte Lebenskünstlerin übersteht gefährliche Turbulenzen, peinliche Wiedersehen und schmerzhafte Trennungen, bleibt Ex-Freunden und Nachfolgerinnen mitunter gar in Freundschaft verbunden. Zusätzlich gibt´s eine dicke Portion introspektiver Philosophie, wie sie Cosmopolitan-Leserinnen und Fans der BRAVO-Psycho-Tests lieben. Rührende Selbstbespiegelungen unter Zuhilfenahme einer drolligen Kirchkuchen-Theorie – Westermann at her best.

Im Ton unterscheidet sich der Text kaum vom „neuen“ humoristisch-toughen Frauenschund à la Lind, Kaufmann und Co. Hat man allerdings Westermann dabei vor Augen und ihre Stimme im Ohr, findet man schnell Gefallen. Schlagfertig und lakonisch sprudelt es – trotz Absätzen nach fast jedem Satz! Mit viel Charme, bissigen Kommentaren und ihrer gewohnt entwaffnenden Offenheit kehrt Westermann mal wieder das Innerste zuäußerst. Erlebt hat sie genügend Romanreifes, und aus Macken Kapital zu schlagen – das gehört zu den Stärken von „La Westermann“!

Christine Westermann
Baby, wann heiratest du mich?
KiWi 1999
Taschenbuch, 256 Seiten, DM 16,90

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