Musizierende Straßenköter sind seit jeher eine Domäne der Franzosen. Schräg, bunt und laut! Mit kindlicher Fröhlichkeit, rauhem Charme und anarchischem Stilmix holperten sich Bands wie Les Negresses Vertes und Mano Negra einst in die Herzen der Fans. Und das nicht nur bei Ethno-Liebhabern, obwohl das Multi-Kulti-Prinzip die Seele ihrer Musik war. Was mit marrokanischen, algerischen Klängen, mit Latino und heimischischer Folklore ging, muss mit Brit-Pop also erst recht funktionieren. Denn wer steht den Franzosen ferner als alle Maghreb-Einwanderer, Belgier und Deutsche zusammen? Richtig, die Engländer. Folglich ist Brit-Pop die abgedrehteste Ethno-Spielart auf dem französischen Markt!
Dionysos machen musikalische Poesie, allerdings mit der Brechstange! Am liebsten fallen sie direkt mit der Tür ins Haus, dass die Wände wackeln. Und als Autos würden sie vermutlich mit viereckigen Rädern fahren, damit´s auch schön ruckelt. Exzentrisch und lärmend klingt´s, als hätte man einen hyperaktiven Sack Flöhe ins Studio gekippt: „So, jetzt macht mal ´ne Platte…“ Das haben sie, und wie. Türmen aus schrammeligen Gitarren, viel Keyboard und allerlei schrillen Effekten (Laser Pistol, Melodica, Scratching, Streicher und Harmonica) wilde Klangmauern auf. Und können umgekehrt auf hochelegante Weise geschmeidige Slide Gitarren bedienen und sich in zartem Fingerpicking ergehen. Das Meiste klingt zwar roh und struppig, wird aber immer durch die zuckersüßen, romantischen Ohrwurm-Melodien abgemildert. Vielleicht ist der perfekte 3-Minuten-Popsong ja doch in Frankreich erfunden worden…
Ideen haben Dionysos jedenfalls für drei. Und stilistisch sind sie zu allem fähig: Western und New Wave gehen hier genauso zusammen wie Punk und Melancholie-trunkene Chanson. Manchen Songs entströmt zudem noch diese merkwürdig entrückte, fast apathische Kühle, wie sie eben nur von Franzosen stammen kann… Aber meist zeigen sie den Engländern, welch abgedrehte Dinge man mit Beatles-Harmonien anstellen kann – wenn man kann. Ohrenbetäubende Kaskaden und psychedelische Traumgebilde zum Beispiel. Aber die nötige Verve bringt eben nicht jeder auf.
Dionysos: Haiku
(L'age d'or)