Turner: Disappearing Brother

Songs von Turner sind wie ein Tangram-Spiel: man stückelt und stückelt mit abstrakten Flächen, der Geist arbeitet, aber es kommen nur wunderliche Konstruktionen bei rum. Kein Pferd, kein Tänzer, keine Pagode. Doch weil das Material ästhetisch so unkaputtbar ist, so würdevoll und zeitlos, freut man sich am Ende trotzdem irgendwie.

Turner alias Paul Kominek könnte, nein müßte als deutscher Jimi Tenor gelten. Und dürfte sich trotzdem noch beleidigt fühlen, denn er hat als Elektroniker seine ganz eigene musikalische Sprache entwickelt, vermeidet aber jedes Retro-Flair und macht auch nur eine einzige Hitparaden-kompatible Konzession: sein Sound ist fett ohne Ende.

Ansonsten hat der Tüftler sein ureigenstes Universum eröffnet, jenseits von Trip Hop, Pop und postmodernem Gefrickel. In keinem Club, befürchtet man, hat der Mann eine Chance, nur in den Hirnen freigeistiger Musikfans. Aus dem Labor in den Kopf, das scheint der Weg. Turner spielt mit wabernden Flächen, bahnt sich Trassen über luftigen Beats, biegt um Ecken, bleibt stehen und geht weiter. „Historische“ Anknüpfungspunkte scheinen in ihrer Radikalität allenfalls Kraftwerk zu bieten, deren Innovationen Turner fortführt, indem er alles Nachfolgende überspringt und im Hier und Jetzt weitermacht. Songs im eigentlichen Sinne finden sich auf „Disappearing Brother“ kaum, stattdessen digitale Endlosschleifen, gleißende Schwaden und dunkles Wummern. Das ganze mal homogen, mal zerrissen. Als Einstiegsdroge sei der Titelsong empfohlen: eine so simple wie geniale elektronische Kadenz, in Zeitlupe und mit 80er-Jahre-Disco-Beat… Doch Vorsicht: der Rest ist überwiegend sperrigere Kost!

Turner: Disappearing Brother
(Ladomat/Zomba)

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