„Art Rock“, würde man gern sagen, wenn es nicht die pure Beleidigung wäre. Aber was „Veranda Music“ da mit ihrem zweiten Longplay auf die Beine gestellt haben, hat schon etwas ungemein Kunstvolles -ohne dabei je maniriert zu wirken. Stattdessen: Melodienseligkeit, schwelgerisch-spröde Riff-Ritte, Psychedelic, Leichtigkeit, Lounge und LowFi – und mitunter sogar hemdsärmeliger Rock mit Verzerrern. Aber eben auch Virtuosität, Transparenz, Chromatik, filigrane Latin-Harmonien (Leblon ist ein Stadtteil von Rio de Janiero), angejazzte Percussions, Hammond, Vibes und eine traumwandlerisch stilsichere Poesie nach Noten.
Auf einen Nenner lässt sich das Album des Hamburger Trios (Nicolai von Schweder-Schreiner, Christoph Kähler, Lars Precht) kaum bringen, außer dass es irgendwie „anders“ klingt, erwachsen auch, und ganz stark nach den Siebzigern. Damals, als der Rock das Experiment suchte. Als Frampton, Fagen und Garcia nicht mehr ausreichten, sondern Relf´s „Renaissance“ die Zukunft zu gehören schien. Für einen kleinen Kreis von Fusselbärten zumindest. Die werden an „Veranda Music“ allerdings wenig Spaß haben, denn statt musikalischer Selbstverliebtheit herrschen hier Understatement und Indie-Nonchalance.
Große Songs mit viel Atmosphäre finden sich auf „Leblon“: zarte, sich fast schamhaft versteckende Ohrwürmer und voyeuristische Momente, in denen man völlig unbeabsichtigt ein Pärchen beim Rollentausch ertappt: wenn Rhythmik und Melodik die Kostüme wechseln. Verlegen, die Intimität gestört zu haben, schaut man zur Seite und weiß, dass Etiketten wie „Rock“ und „Indie“ zwar stimmen, „Leblon“ im Grunde aber nur eines ist: ein Exot. Fazit: atemberaubend.
Veranda Music: Leblon
(iXiXeS Records/Indigo)